Mammutkacke

Die großen Pflanzenfresser in Nordamerika starben langsam aus, der Mensch löschte sie nicht in einem "Blitzkrieg" aus

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Während der letzten Eiszeit bevölkerten Riesentiere wie Mammut und Mastodon den nordamerikanischen Kontinent. Warum sie ausstarben, darüber wurde viel diskutiert. In Verdacht gerieten zum einen ein Meteor, der vor knapp 13.000 Jahren einschlug, zum anderen die um diese Zeit zuwandernden Menschen, die durch intensive Jagd den großen Tieren sehr schnell den Garaus gemacht haben sollen. Beides falsch, stellen nun US-Wissenschaftler klar. Ihre neuen Erkenntnisse gewannen sie vor allem durch Sporen eines Pilzes, der auf dem Dung der Pflanzenfresser gedeiht.

Als das Eis noch große Teile Nordamerikas bedeckte und damit den Menschen den Weg über die damals existierende Landbrücke an der Beringstraße versperrte, lebten zwischen Mexiko und Kanada noch gigantische Pflanzenfresser wie das Mammut, das ihm ähnliche sehende, aber nur entfernt verwandte amerikanische Mastodon, Kamele, Wildpferde, der bis zu 2,5 Meter lange und bis zu 100 Kilo schwere Riesenbiber, und das bizarre Riesenfaultier (vgl. Der Jäger ist des Faultiers Tod). Diese Riesen beherrschten vor 15.000 Jahren noch den Kontinent, in großer Anzahl durchstreiften sie die Savannen vertilgten im großen Stil Grünzeug.

Einst verspeisten amerikanischen Mastodonten das Laub und die Zweige von Bäumen wie der Schwarz-Esche, Illustration: Barry Roal Carlsen/University of Wisconsin-Madison

Das Eis schwand vor 13.000 Jahren und gab dem Mensch – der aus Sibirien kam - endlich den Zugang zurr Neuen Welt frei. Schnell breitete sich Homo sapiens über den ganzen Kontinent aus. Und zumindest die ersten Neuzuwanderer müssen den Eiszeitgiganten noch begegnet sein, wie die Knochen-Funde erlegter Tiere zeigten.

Was führte dazu, dass Mastodon, Mammut oder Riesenbiber ausstarben? Rottete der Mensch durch intensive Jagd schlagartig diese Fleischberge aus? Einige Wissenschaftler glaubten unter anderem durch die Parallelität der Ereignisse diese These belegen zu können (vgl. Massenschlachten im Pleistozän) – zumal auch die frühen Aboriginies, als sie nach Australien kamen, ein Massensterben der großen Säugetiere verursacht haben sollen (vgl. Der Mensch brachte den Tod).

Der zweite Hauptverdächtige war das Klima. Es war wärmer geworden, nachweislich veränderte sich die Vegetation sehr stark. War der Klimawandel das Todesurteil für die Herbivoren? Dazu kam die Entdeckung, dass vor 12.900 Jahren ein Meteor oder Komet über Nordamerika explodierte und die darauf folgende Hitzewelle unter anderem die Wälder in Brand setzte – mit katastrophalen Folgen für Flora und Fauna (vgl. Comet Impact May Have Led to Mammoths' Extinction und Did a comet wipe out prehistoric Americans?).

Dung, Kohle und Pollen

Auf die klimatischen Verhältnisse und die Umweltbedingungen konzentrierten sich jetzt auch Jacquelyn L. Gill von der University of Wisconsin in Madison und ihre Kollegen. In der aktuelle Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science präsentieren sie ihre erstaunlichen Ergebnisse unter dem Titel Pleistocene Megafaunal Collapse, Novel Plant Communities, and Enhanced Fire Regimes in North America.

Die Forschergruppe untersuchte nicht die Megafauna selbst, sondern deren Spuren in ihrer Umgebung. Unter die Lupe nahmen sie Pollen, Kohle und Sporen von speziellen Pilzen aus zwei entsprechend alten Sedimenten von Fundstätten in den Bundesstaaten Indiana und New York. Diese Pilze namens Sporomiella durchqueren auf ihrem Lebensweg den Verdauungsapparat großer Pflanzenfresser und wachsen dann bestens auf ihrer Kacke, die Verbreitung der Sporen lässt folglich auf die Biomasse schließen, die von den Eiszeit-Herbivoren fallen gelassen wurde – und damit auch auf ihre Anzahl. Die Wissenschaftler glichen die so gewonnen Daten mit gefundener Kohle und Pollen ab, die wiederum Erkenntnisse über die damalige Vegetation und Waldbrände lieferten. Aus der Analyse ergab sich ein völlig neues Bild der Vorgänge.

Das Sterben der Mastodonten, Mammuts, Riesenfaultiere und anderer besonders großer Pflanzenfresser in Nordamerika begann demnach bereits vor etwa 14.800 Jahren und intensivierte sich schnell. Die starke Veränderung der Vegetation ist nicht Ursache, sondern Folge dieses Sterbens, denn da die Riesentiere nicht mehr in großer Zahl die Bäume niederfraßen, konnten sich vor allem die Laubbäume wie Eschen oder Ulmen stark ausbreiten und die offene Savanne mit lockerem Baumbewuchs und Sumpfgebieten in Waldland mit vielen Laubbäumen verwandeln, das wiederum verstärkt von großen Bränden heimgesucht wurde. Eine nachhaltige Veränderung, die sich durch das zunehmende Fehlen der Groß-Pflanzenfresser ergab.

Und das Aussterben des Giganten erfolgte schnell, ihre Zahl reduzierte sich in nur 1.000 Jahren sehr stark. Jacquelyn Gill erklärt:

Vor ungefähr 13.800 Jahren ist die Zahl der Pilz-Sporen bereits dramatisch zurück gegangen. Sie sind kaum noch zu finden.

Was das große Sterben verursachte, bleibt weiter im Dunkeln, aber es gelang den Forschern zu verdeutlichen, welche umfassenden Auswirkungen auf Umwelt und Landschaft das Verschwinden eines Teiles der Tierpopulation haben kann.

In jedem Fall kann die von einem Meteor oder Kometen verursachte Katastrophe vor 12.900 Jahren nicht die Ursache für das Massensterben sein, denn es fand vorher statt. Und auch der Mensch ist wahrscheinlich nicht der Verursacher, weil er in großer Zahl sehr wahrscheinlich erst nach dem Rückgang des Megafauna-Population in Nordamerika eintraf (vgl. Die Eroberung Amerikas). Dazu stellt Jacquelyn Gill fest:

Unsere Daten sind nicht mit einem ‚Blitzkrieg’ der Menschen gegen die großen Tiere vereinbar.

Die frisch angekommenen Jäger haben wohl nur noch die jeweils letzten ihrer Art erlegt.