Massive Kritik am EU-Posten-Karussell

Europa-Gebäude, Sitz des Europäischen Rats in Brüssel. Europa_building_February_2016.jpg:Bild: Samynandpartners/CC BY-SA-4.0

Neben von der Leyen steht der Spanier Borrell als Außenbeauftragten unter starkem Beschuss, die Begeisterung für die verurteilte IWF-Chefin Lagarde als EZB-Chefin hält sich in engen Grenzen

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Vor fünf Jahren wurde im EU-Kuhhandel der umstrittene Steuer-Dumper Jean-Claude Juncker auf den Sessel des EU-Kommissionspräsidenten gehoben, der sich wegen seiner Geschichte sehr schnell einem Misstrauensantrag stellen musste. Gelernt hat man in Brüssel daraus aber offensichtlich nichts. Man will nun erneut Kandidaten auf Spitzenposten haben, die zum Teil auf erheblichen Widerstand stoßen. Sonneborn kommentierte: "Europa nicht den Leyen überlassen! Smiley".

Verstoßen wird dabei vor allem in Bezug auf das Amt des Kommissionspräsidenten gegen das Versprechen, dass es von einem Spitzenkandidaten besetzt werden sollte. Deshalb kritisiert der Vorsitzende der Linksfraktion Dietmar Bartsch, dass die deutsche Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nicht zur Wahl stand. Er spricht von einer "undemokratischen Hinterzimmerpolitik" bei der man sich an eine "Monarchie" erinnert fühlt, was nicht akzeptiert werden dürfe.

Tatsächlich wird dem Europaparlament erneut nur die Rolle zugewiesen, die schon im Europäischen Rat getroffenen Entscheidungen abzunicken. Der bisherige Ratspräsident Donald Tusk hatte doch tatsächlich getwittert, der Rat habe sich "auf die künftige Führung der EU-Institutionen geeinigt". Sofort wurde sarkastisch nachgefragt, ob es nicht doch eher ein "demokratisches und souveränes Parlament" sei, das über Besetzungen zu entscheiden habe.

Der deutsche Grünen-Abgeordnete Sven Giegold warf Tusk eine "arrogante Machtaneignung" vor. Er forderte, die Parlamentarier auf, "jetzt die europäische Demokratie zu verteidigen". Dazu gehört auch, dass drei katalanische Parlamentarier auch über Winkelzüge des bisherigen Parlamentspräsidenten Tajani ausgeschlossen wurden und damit 2 Millionen Wähler nicht vertreten sind, bis ein Urteil ergeht.

Man darf gespannt sein, ob die umstrittene Verteidigungsministerin tatsächlich die nötigen Stimmen im Parlament erhält, um Nachfolgerin von Juncker zu werden, da auch die Sozialdemokraten mit ihrer Spitzenkandidatin Katarina Barley Widerstand angekündigt haben. Die bisherige Justizministerin will gegen ihre frühere Ministerkollegin stimmen: "Das ist nicht das Versprechen, das den Bürgerinnen und Bürgern vor der Wahl gegeben wurde". Sie geht davon aus, dass das auch viele Parteikollegen tun.

Auch Giegold bezweifelt, dass von der Leyen eine Mehrheit erhält, da es breiten Widerstand gegen die Frau gibt. Allerdings hat sie es etwas leichter als Giegold vermutet. Denn anders als der schreibt, braucht sie keine 376 Stimmen, sondern wegen des Ausschlusses der Katalanen zwei weniger. Giegold meint, und blickt dabei auf die Wahl des neuen Europaparlamentspräsidenten am Mittwoch, wo der Italiener David Sassoli nur "345 Stimmen" bekommen hatte, dass es deshalb auch keine Koalition für von der Leyen gäbe, da "EVP, S&D & Liberale" über 444 Sitze verfügen. Peter Mühlbauer geht in Telepolis aber davon aus, dass es schon eine "informelle Koalition aus Christdemokraten, Sozialdemokraten und Liberalmacronisten" gibt. Seiner Ansicht nach werden deshalb wahrscheinlich auch der spanische Außenminister Josep Borrell als Außenbeauftragter und die IWF-Chefin Christine Lagarde als Präsidentin der Europäischen Zentralbank (EZB) bestätigt.

Wie die Berliner "taz" kommen auch andere Beobachter zum Ergebnis, dass man offensichtlich "Skandale" am Bein haben muss, um sich für einen "Topjob" in dieser EU zu qualifizieren. Von der Leyen ist in Deutschland wegen der Berateraffäre bekannt, in die sie tief verstrickt ist und in der die Bundeswehr zu versinken droht. Nicht vergessen sind auch die Plagiatsvorwürfe gegen sie.

"#StopBorrell"

Weniger bekannt sind dagegen die Widerstände gegen andere Kandidaten. Ganz besonders ist hier der umstrittene Spanier Josep Borrell zu nennen. In Spanien gibt es einen Hashtag #StopBorrell, um die Ernennung dieses Mannes als Außenbeauftragten der EU zu verhindern, der die Italienerin Federica Mogherini ablösen soll. Der Hashtag war am Mittwoch Trending Topic auf Twitter in Spanien.

Martin Sonneborn, Europaparlamentsmitglied und Vorsitzender von "Die Partei", nennt ihn "einen spanischen Tüp", der schon als Präsident des Europäischen Hochschulinstituts 2012 zurücktreten musste, weil er "vergessen hatte" ein 300.000-Euro-Jahreseinkommen beim spanischen Abengoa-Konzern anzugeben.

Damit sind die Skandale des "Sozialdemokraten" aber nur angedeutet. Denn mit dem lieben Geld hat Borrell schon öfters Probleme. Im vergangenen Jahr musste er eine Geldstrafe in Höhe von 30.000 Euro bezahlen, weil er sein Insider-Wissen als Aufsichtsratsmitglied von Abengoa genutzt hat. Vielleicht wollte er damit den Verlust von 150.000 Euro kompensieren, weil er auf einen Betrüger im Internet hereingefallen ist. Er stieß noch schnell Abengoa-Aktien ab, bevor die wegen Problemen des Konzerns in den Keller rauschten, als Insolvenz angemeldet werden musste.

Politisch sind die Probleme mit ihm vielleicht noch deutlich gravierender. Borrell ist wohl einer der undiplomatischsten Diplomaten. Er lässt wahrlich kein Fettnäpfchen aus, in das man irgendwo treten könnte. Kürzlich legte er sich zum Beispiel mit Russland an, das er als einen "alten Feind" und eine "Bedrohung" bezeichnete und damit für massive diplomatische Spannungen sorgte. Telepolis hatte berichtet, dass sich sein Ministerium auch weigerte, sich bei den Ureinwohnern in Mexiko zu entschuldigen, wie es der neue mexikanische Präsident gefordert hatte. Den spanischen Völkermord an ihnen verniedlichte er. Schon zuvor hatte er den Genozid an nordamerikanischen Ureinwohnern praktisch geleugnet. Die "USA haben nicht mehr getan haben, als ein paar Indianer umzubringen", hatte er erklärt. Von deren Nachfahren wurde er deshalb als "Rassist" und "Leugner" bezeichnet, der eine weiße Vorherrschaft vertrete und einen "Genozid" banalisiere.

Im Konflikt mit den Katalanen benutzt er bisweilen die Sprache von Nazi-Propagandisten, mit denen er zudem in der sogenannten "Katalanischen Zivilgesellschaft" (SCC) sitzt. Deshalb erklärt er immer mal wieder, man müsse Katalonien "desinfizieren". Statt auf Diplomatie und Dialog zu setzen, schüttet er lieber Benzin ins Feuer und versucht dann über die Anwerbung von weiteren 200 Diplomaten das Image des Landes über España Global im Ausland aufzubessern, das unter seiner Ägide weiter ramponiert worden ist.

International erlebte er seine Negativ-Sternstunde ausgerechnet in einem Interview mit der Deutschen Welle, auf das nun sogar die konservative Zeitung Die Welt abgehoben hat, die auch die Geldstrafe gegen ihn anspricht: "Wenn ihn die Fragen nerven, bricht er auch mal ein TV-Interview ab", schreibt die Zeitung. Im Interview mit dem renommierten Journalisten Tim Sebastian hat sich Borrell eigentlich endgültig als Diplomat disqualifiziert, wovon sich alle Interessierten weiter überzeugen können (Video). Das Interview in "Conflict Zone" ist der Offenbarungseid und macht die diplomatischen Fähigkeiten von Borrell ungeschminkt deutlich.

Der gut informierte Sebastian grillte mit kritischen Fragen zum Konflikt in Katalonien den Außenminister, der das aus Spanien nicht gewohnt ist. Statt Fakten zu vermitteln, versuchte Borrell mit Gegenfragen auszuweichen und mit leicht zu entlarvender Propaganda zu kontern. Als das misslingt, wird Borrell immer ungehaltener und droht mit Abbruch, "wenn Sie so weiter machen". Als er immer weiter mit unbequemen Fakten konfrontiert wird, bezeichnet er den Journalisten als "Lügner", der ihm jedoch nur offizielle Daten vorgehalten hatte und verließ das Gespräch völlig entnervt. Nach Beratung mit seinen Mitarbeitern kommt er schließlich doch zurück, verstrickt sich aber auch in anderen Fragen immer wieder in Fallstricken und Widersprüchen, wie in Fragen über Korruptionsbekämpfung oder dem Konflikt um Gibraltar. Am Ende erbittet er sich für ein weiteres Interview "weniger gewalttätige Fragen". Sebastian gibt zurück: "Ich bin nicht dazu da, Ihnen die Fragen zu stellen, die sie wollen."