Medien: Der Globale Süden bleibt Nebensache
- Medien: Der Globale Süden bleibt Nebensache
- Vernachlässigte Krisen und Katastrophen
- Kaum Interesse am "größten lösbaren Problem der Welt"
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Studie: Große österreichische Nachrichtensendungen zeigen, Berichterstattung ist eindeutig auf den Globalen Norden konzentriert. Wichtige Krisen kommen nicht vor. Die Lücke hat Folgen.
Weniger als 10 Prozent der Sendezeit von Österreichs wichtigster Nachrichtensendung Zeit im Bild (ZIB) 1 und der größten österreichischen Nachrichtenseite ORF.at entfallen auf den Globalen Süden, obwohl dort etwa 85 Prozent der Weltbevölkerung lebt.
Die Zeit im Bild (ZIB) gilt als wichtigstes Fernsehnachrichtenformat Österreichs. Die täglich um 19.30 Uhr gleichzeitig auf ORF 1 und ORF 2 ausgestrahlte 20-minütige Hauptausgabe (ZIB 1) erreicht regelmäßig Spitzenquoten. Die Ausgabe der ZIB 1 vom 17. Januar 2022 zum Beispiel war mit ca. 1,9 Mio. Zuschauern und einem Marktanteil von etwa 58 Prozent die zweitmeistgesehene Sendung des gesamten Jahres in Österreich.1
Die Nachrichtenseite von ORF.at ist ebenso marktführend. Im Jahr 2022 erreichte ORF.at im Schnitt ca. 5,35 Mio. Unique User und war das am stärksten frequentierte Digitalangebot Österreichs. Die ZIB 1 und ORF.at sind in den Bereichen Fernsehen und Internet somit die wichtigsten Nachrichtenquellen für die meisten Österreicherinnen und Österreicher. Wichtig ist also die Frage, worüber in der ZIB 1 und auf ORF.at berichtet wurde – und vor allem auch, worüber nicht.
Zum Thema von Ladislaus Ludescher:
Medien: Agenda Setting auf Kosten der Ärmsten
Deutsche Medien und die Welt: 85 Prozent kommen kaum vor
Für die vorliegende Untersuchung wurden 364 Sendungen, also etwa 120 Stunden der ZIB 1 im Jahr 2022 ausgewertet sowie fast 3.000 Beiträge auf der Nachrichtenseite von ORF.at, die im Juni 2022 erschienen.2
Während die Nachrichten der Jahre 2020 und 2021 von der Covid-Pandemie beherrscht wurden, dominierten im Jahr 2022 der Ukraine-Krieg und seine Auswirkungen (insbesondere im Energiesektor) das Nachrichtengeschehen. Fast ein Viertel der Sendezeit der ZIB 1 entfiel auf den Ukrainekrieg und fast weitere 10 Prozent auf die hierdurch bedingte problematische Energieversorgung.
Zusammen mit der Pandemie bestimmten diese drei Themenbereiche 2022 etwa 44 Prozent der Sendezeit der ZIB 1 (im Spitzenmonat März waren es sogar über 80 Prozent; Abb. 1).
Zweifelsohne war und ist der Ukraine-Krieg ein Ereignis mit höchst weitreichenden menschlichen, sozialen, politischen und ökonomischen Auswirkungen auf vielen Gebieten.
Weitgehend außer Acht gelassen wurde allerdings, dass sich im Jahr 2022 im Globalen Süden ebenfalls eine Reihe humanitärer Krisen und Katastrophen ereignete, die von den meisten Medien nur äußerst randständig berücksichtigt wurden.