Medien, Eliten und Superreiche: Wie sie den Klassismus fördern
Seite 3: Und die superreiche Machtelite?
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Damit folgt Abou dem Armutsexperten Butterwegge, der sich in seiner Abhandlung zur Ungleichheit die Superreichen noch viel gründlicher vorknöpft. Butterwegge bemüht den Begriff der "Machtelite" des US-Klassikers C. W. Mills und dessen deutschen Nachfahren Hans Jürgen Krysmanski.
Krysmanski zufolge wuchert in unseren Gesellschaften ein "Geldmachtkomplex", der Milliardären erlaube in räuberischen Machtnetzwerken die Gesellschaften auszuplündern.
Dazu würde die Politik mit Lobbyismus und Korruption instrumentalisiert – Massenmedien und Bildungswesen gehören für Krysmanski zur "Funktions- und Wissenselite", die dem Geldmachtkomplex ebenfalls zu Diensten ist.
Mit dem auch auf Youtube bekannt gewordenen Psychologen Rainer Mausfeld fragt Butterwegge, wie es den Machteliten gelingt, Akzeptanz für eine sie selbst auf Kosten der Allgemeinheit begünstigende Ideologie zu erzeugen.
Mausfeld sieht Meinungsmanagement, Überwachung und Disziplinierung sich zu einer Gehirnwäsche verdichten, sodass selbst ehemals linke Milieus nicht mehr gegen Ungleichheit kämpfen, sondern nur noch gegen Diskriminierung eigener Partikulargruppen.
Sozial extrem polarisierte Klassengesellschaft
Deutschland wurde so immer mehr zur sozial extrem polarisierten Klassengesellschaft mit ausgeprägter Verteilungsschieflage, so Butterwegge. Den hergebrachten Klassengegensätzen (Marx) überlagere sich zunehmend der Widerspruch einer verfestigten Armut zu gigantischem Reichtum bei einer sehr kleinen Gruppe.
Mit Sighard Neckel et al. könne man der superreichen Machtelite einen Gestus kultureller Offenheit, Diversität und Toleranz zuschreiben, mit dem Kölner Philosophen und Finanzexperten Werner Rügemer die Gliederung in Clans; diese seien teils "nicht öffentlich" organisiert und bilden eine transnationale Rentiersklasse die, hinter Kapitalgiganten wie Blackrock, Hedgefonds, Ratingagenturen usw. versteckt, neoliberale Privatisierung korruptiv durchsetze.
Deren Aktivitäten zu beobachten sei beinahe ebenso schwierig, wie die gewonnenen Erkenntnisse dann in den (den Ideen von Walter Lippmann folgend breitflächig von besagter Machtelite beherrschten oder beeinflussten) Medien bekannt zu machen.
Aktuell trägt die mühsame Aufklärungsarbeit dem Gegenwind der Leitmedien zum Trotz bereits Früchte: "Klassismus" lässt sich mittlerweile googeln, so Abou, ohne dass auf "Klassizismus" korrigiert wird. Sie zitiert die Bildungsinitiative "KikK" ("Klassismus ist keine Kunstepoche"), deren Name anprangert, dass die Diskriminierungsdimension "Klassismus" im deutschsprachigen Raum derart vernachlässigt wurde.
Der Begriff "underclass" wurde laut Kemper 1963 in den USA von Gunnar Myrdal als neutraler Strukturbegriff eingeführt, sei aber zehn Jahre später bereits zur Stigmatisierung für eine "Gruppe mit vermeintlich defizitären Verhaltensweisen" geworden.
Pleonexia: Woran Geld- und Machteliten leiden
Einer ganz anderen Form defizitärer Verhaltensweisen ist der kognitive Psychologe und Experte für Massenmanipulation Rainer Mausfeld in seinem jüngsten Buch "Hybris und Nemesis" auf der Spur. Die griechische Gottheit der Nemesis verkörpert den "gerechten Zorn" und die "Bestrafung moralisch unziemlichen Verhaltens".
Sie richtet sich vor allem gegen das "schamlose Ausnutzen von Macht", das auch als "Hybris" bezeichnet wird. Macht und des Machtmissbrauchs stellen seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte eine große Herausforderung für das menschliche Zusammenleben dar. In größeren Gesellschaften entgleist in der Hybris das "parasitäre Mehrhabenwollen", was im antiken Griechenland als pleonexia bezeichnet wurde.
Eine besondere Gefahr liegt für Mausfeld darin, dass die "ideologische Macht" sich heute realisiert in diversen stetig verfeinerten Methoden der Massenmanipulation, die "das Recht des Stärkeren so erfolgreich verschleiern, dass eine Entzivilisierung von Macht unter der Maske eines unvermeidlichen und alternativlosen zivilisatorischen Fortschritts auftreten kann".
Mausfeld verweist dabei auch auf das Herman-Chomsky-Propagandamodell der Massenmedien. . Das Parasitäre Mehrhabenwollen hat heute "globale zerstörerische Auswirkungen erreicht", die "einzigartig in der Zivilisationsgeschichte" sind. (S.465) Damit türmen sich die Eskamotagen der Medien und PR-Industrie zur eschatologischen Bedrohung unserer Existenz durch Pleonexia-befallene Machteliten auf.
Aufklärung und Bildung bleiben auch hier als einziger Lösungsweg, besonders so wie Tanja Abou sie betreibt. Denn die Verleugnung und Fortschreibung von klassistischer Diskriminierung im Bildungswesen ist wohl, neben den Massenmedien, der wichtigste Hebel ideologischer Macht des heutigen Neoliberalismus.