Medien zu Grünen-Parteitag und Friedensdemo: Gute Zeichen, schlechte Zeichen?
Seite 2: Tagesschau und die Berichterstattung über die Friedens-Demo
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b) Ganz anders der Umgang mit der Friedens-Demo in Berlin, hier in der Version der "Tagesschau". Online wurde der Artikel später überarbeitet, leider ohne Hinweis darauf, dass es in einer früheren Version folgende problematische Darstellung gab (daher hier im Screenshot die Version von 17:04 Uhr, weil diese Fassung online nicht mehr verfügbar ist):
Erstens konnotiert hier die Überschrift, im Unterschied zum Grünen-Parteitags-Beitrag, nicht nur negativ, sondern sogar doppelt bis dreifach negativ: Nicht zum Beispiel "Demo für Frieden und Verhandlungen", sondern "Protest gegen Waffenlieferungen an Ukraine". Zudem entspricht diese Formulierung auch inhaltlich kaum dem Tenor der Kundgebungen und der Demonstration, denn es ging keineswegs nur um den Krieg in der Ukraine.
Zweitens aber bleibt Folgendes hochgradig fragwürdig: Der Bericht beginnt mit dem Satz:
"In Berlin haben etwa 5.000 Menschen gegen Waffenlieferungen an die Ukraine und Mehrausgaben für das Militär demonstriert".
Die Zahl der Menschen, die an Demonstrationen teilnehmen, welche die Regierungspolitik kritisieren oder aber sie unterstützen, ist spätestens seit der Corona-Zeit ein hochgradig politischer Aspekt.
Transparenz und Objektivität in der Medienberichterstattung
Daher erscheint es merkwürdig, dass die Redaktion hier ohne entsprechende Quellenangabe (die kam erst gegen Ende des Beitrages, das wiederum viele gar nicht erst lesen) diese Ziffer-Angabe "etwa 5.000 Menschen" in den Rang einer unbestreitbaren Tatsache erhob. Denn diese Zahl stammte von der Polizei. Warum bitteschön wurde genau das NICHT von vornherein angegeben? Damit hätte die Leserschaft diese Angabe als Version der Polizei einordnen können.
Eine solche Angabe der Teilnehmerzahl hat doch einen deutlich anderen Legitimationsbedarf als eine Aussage wie "Heute ist Samstag". Die Demo-Veranstalter wiederum hatten bereits relativ früh ihre Teilnahme-Schätzung von rund 20.000 Menschen angegeben.
Interessant, dass dieselbe Polizei dann ihre Angabe im Laufe des späten Nachmittags deutlich nach oben korrigierte und sogar gleich einmal verdoppelte – obwohl währenddessen im Unterschied zum Start des Geschehens gegen 13 Uhr bereits etliche Demonstrierende das Geschehen wieder verlassen hatten. Am Ende des Tages sprach die Polizei dann immerhin von 10.000 Teilnehmern.
Wie auch immer man das bewerten mag: Es verweist einmal mehr und deutlich darauf, dass journalistische Redaktionen die Wichtigkeit der Quellenangabe kaum überschätzen können. Wer sein Publikum ernst nimmt, möge ihm mit aller gebotenen Transparenz so früh wie möglich seine Quelle(-n) offenlegen – sofern die nicht wie bei investigativen Beiträgen aus Vertraulichkeit geschützt werden. Aber das kann ja bei der offiziellen Polizei-Version als Quelle nicht ernsthaft behauptet werden.
Vielmehr mag eine skeptische Journalismus-Lehre aus dieser Lage sein, dass auch die Mühlen der Behörden manchmal langsam mahlen, um dann zügig eine politisch interessante Teilnahme-Zahl zu verdoppeln. Und dass daher hier wie meistens gelten sollte: Versionen als Versionen kennzeichnen!
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