Medienspin missglückt
Die groß propagierte Offensive "Operation Swarmer" entpuppt sich als hohle Nummer, der dritte Jahrestag der Irak-Invasion offenbart zudem noch ein anderes Abu Ghraib
Es sollte wieder mal ein mediales Zeichen setzen, die kurz vor dem dritten Jahrestag des Beginns des Irak-Kriegs gestartete Großoffensive „Operation Swarmer“, die zugleich „historisches Zeichen“ setzen sollte, nachdem sie am gleichen Tag begann, als sich das gewählte Parlament erstmals für eine Viertelstunde versammelte. Das Pentagon bezeichnete die Operation, die die Einsatzfähigkeit der beteiligten irakischen Soldaten herausstellen sollte und über die, so der Sprecher des Weißen Hauses, der US-Präsident angeblich nicht informiert worden war, zunächst als den größten Luftangriff seit der Invasion, steckte dann aber doch zurück. Funktioniert hat die mediale Großoffensive zunächst. Brav berichteten alle Medien mit denen ihnen zur Verfügung gestelltem Bildmaterial, dass 1500 Soldaten, 50 Hubschrauber und 200 „taktische“ Fahrzeuge in ein Gebiet bei Samarra eindrangen, um es von Terroristen zu befreien.
Vielleicht, so könnte man fast glauben, sollte ja auch wirklich nicht viel passieren bei dieser Operation, die angeblich aufgrund von Informationen irakischer Sicherheitsdienste geplant wurde. Journalisten ließ man erst einmal gar nicht mit, das 10 mal 10 Meilen große Gebiet, das man durchkämmen wollte, ist mehr oder weniger menschenleer. Hier sollen etwa so viele Menschen leben wie Soldaten, die es durchsuchen. Man habe, so meldete das Pentagon am Samstag, sechs Waffenverstecke gefunden und fast 50 Terrorverdächtige festgenommen. Zu Kämpfen scheint es nicht gekommen zu sein. Waffenverstecke freilich gibt es im ganzen Land, von den „fast 50 Terrorverdächtigen“ – es sollen 48 gewesen sein - hat man 17 gleich wieder freigelassen.
Zu den anderen verdächtigen „Terroristen“ – das ist man bekanntlich bei den erfolgsorientierten Einsatzkräften schnell, auch wenn manche Iraker womöglich erst nach Festnahme und unbegründeter Haft zum Aufständischen wurden – kommen dann noch einmal fünf, einen hat man auf einem Fußballfeld gefangen genommen, wo es auch ein Waffenlager gegeben habe. Nach großartigen Erfolgen klingen solche detaillierten Angaben gerade nicht, meint auch die BBC. Der Anschlag auf die schiitische Moschee in Samarra hatte die Konflikte zwischen Sunniten und Schiiten verstärkt. Samarra selbst ist schon lange eine Bastion des Widerstands. Hier kam es schon des öfteren zu Kämpfen, die Stadt konnte nie wirklich kontrolliert werden und wurde letztes Jahr mit dem Aufschütten eines Walls und wenigen Kontrollposten eingeschlossen. Aber die Operation war nicht auf eine Stadt, sondern auf ein ländliches Gebiet gerichtet.
Wie die Time berichtet, wurden dann zur besseren medialen Darstellung doch noch ein paar Journalisten ins Einsatzgebiet eingeflogen. Sie wurden zu einem Bauernhof mit ein paar Kühen gebracht, der aber ohne Ergebnis durchsucht worden war. Die Militärs hätten berichtet, es sei kein einziger Schuss gefallen, es sei auch keine wichtige Person gefangen genommen worden. Eigentlich ist es nur ein „Fototermin“. Ob sich das Pentagon einen Gefallen damit getan hat, die Operation als eine zu bezeichnen, die unter der Führung der irakischen Militärs – das auch symbolisch mehr Soldaten stellte als die Amerikaner - und deren Informationen ausgeführt wurde, ist eher zweifelhaft nach diesen Erfolgen. Angeblich habe man Hamad el Taki, den Führer der Gruppe Mohammeds Armee in diesem Gebiet vermutet. Für die Journalisten, so die Time, sei das einzig Interessante gewesen, von der Bäuerin frisch gebackenes Brot zu erhalten und sich die Kühe anzuschauen, bevor sie wieder nach Bagdad zurück geflogen wurden.
Vielleicht wurden die Medien ja auch vom Pentagon verführt, das vom größten „air assault“ seit der Invasion gesprochen hatte. Das meint aber nicht, dass es Luftangriffe gibt, sondern lediglich, dass Truppen mit Hubschraubern zum Einsatzort gebracht werden. So war es allerdings auch auf den Bildern, die das Pentagon zur Bewerbung der Operation veröffentlichte, zu erkennen. Klug war es da wohl, dass man sich im Weißen Haus schnell von der Operation distanzierte, während man natürlich gleichzeitig unerschütterlich von den „tremendous“ Erfolgen der amerikanischen Besetzung spricht.
Zu der vom irakischen Militär und Geheimdienst wenig erfolgreich demonstrierten Operation kommt hinzu, dass es weiterhin Schwierigkeiten bei der Bildung einer irakischen Regierung gibt. Und ins schöne Bild, das das Weiße Haus von seiner Freiheitsmission im Irak zum Jubiläum zeichnen will, passt auch nicht ein Bericht, dass US-Spezialeinheiten auch im Gefangenenlager Camp Nama am Bagdader Flughafen Gefangene misshandelt haben. Dort seien Verdächtige, die man ab Anfang 2004 während der Jagd auf al-Sarkawi gefangen hatte, geschlagen worden. Und man habe mit ihnen in einer Art Paintball-Spiel das Zielen geübt. In einem „Black Room“ wurden die Gefangenen angeblich, so Informanten aus dem Verteidigungsministerium gegenüber der New York Times, misshandelt, um Informationen zu erhalten. Die Devise sei gewesen, dass alles erlaubt sei, wenn kein Blut fließt, also die Misshandlungen oder Folter nicht nachweisbar ist.
In dem Camp seien Gefangene oft lange heimlich festgehalten worden. Auf rechtsstaatliche Prinzipien wurde wie üblich kein Wert gelegt. Es gab keine Anklage, die Gefangenen hatten keinen Kontakt zu Anwälten oder ihren Angehörigen. In Camp Nama wurde mit Misshandlungen offenbar schon Mitte 2003 begonnen, so dass selbst die CIA aus Sorge ihre Angestellten aus dem Lager zurückgezogen hatte. Dass die dort stationierte Task Force 6-26 über die Stränge geschlagen ist – und gleichzeitig belegt, dass der Folterskandal nicht nur auf wenige „bad apples“ in Abu Ghraib beschränkt war – belegt alleine schon, dass das Pentagon 34 Mitglieder dieser Einheit diszipliniert und 11 entlassen hat. Viele der Gefangenen wurden dann nach Abu Ghraib überstellt.
Zu der Einheit wurden Mitglieder von zahlreichen Spezialeinheiten delegiert. Sie durften Zivilkleidung tragen und waren oft nur für 90 Tage hier im Einsatz. Ihre Identität kann oft nicht mehr festgestellt werden, „glücklicherweise“ sind auch die meisten Computerdateien gelöscht worden, so die NYT. Meist waren die Gefangenen von keinem Wert. Nach ihrer „Befragung“ wurden sie also in der Nacht irgendwo in der Wüste und mit 100 Dollar „Entschädigung“ freigesetzt. Ausgerechnet William G. Boykin (Im Krieg mit dem Satan) war für die Behandlung der Gefangenen federführend und stritt gegenüber seinem auch nicht gerade zimperlichen Vorgesetzten jedes Fehlverhalten der Einheit ab.
Im Sommer 2004 wurde das Camp geschlossen. Was dort wirklich geschah, so die NYT, wird wohl nie bekannt werden. Angeblich ginge man nun weniger hart mit Gefangenen um.