Medium und Vertriebsstruktur für Lowest-Budget-Filme

Internetfilme und Webcinemas

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Wenn die Unterhaltungsindustrie gerade mal nicht mit Klagen über und gegen den Diebstahl ihrer Werke durch das Internet beschäftigt ist, zeichnet sie sich vor allem durch ein aggressives Cross Media Marketing aus. Das Internet steht dabei klarerweise an erster Stelle der euphorischen Zukunftsvisionen.

Kein Film kommt mehr in die Kinos ohne eine begleitende Website mit Quicktime Trailern und Produktionsinfos. Spätestens seit dem Blair Witch Project (Wir wollen in die Köpfe der Zuschauer eindringen) wird das Internet als DAS Marketingmedium - gerade auch für kleinere - Produktionen gefeiert.

Gleichzeitig sehen aber auch Underground-Filmer das Internet als neue Möglichkeit, die kommerziellen Distributionskanäle zu umgehen. Zusammen mit digitaler Videotechnologie bietet das Internet die Infrastruktur für die Präsentation von Lowest-Budget-Filmen.

Aus Vert von Evan Mather

Die Vielzahl der Webcinemas ist schier unüberschaubar. Nur einige Sites ragen aus der Masse hervor, fast alle unterstützen Realvideo-Streaming, andere benötigen Quicktime-Plugins, einige wenige setzen auf Windows-Media-Technologie.

www.shortbuzz.com ist eine Webfilm-Site, die sich von den großen Portalen unterscheidet. In einem eher überschaubaren Angebot finden sich sehenswerte Arbeiten wie Leftovers von John Derevlany. Vor allem steht bei shortbuzz.com hinter dem Unternehmen kein Multi-Millionen-Konzern, sondern aktive Independent-Filmemacher.

Auch www.newvenue.com gleicht eher einem Programmkino, als einer wahllosen Sammlung von Internet-Clips. Jason Wishnow bietet auf seiner Site neben den Filmen auch ausführliche Interviews mit den Filmemachern und detaillierte Hintergrundinformationen zur Filmherstellung.

Atomfilms ist dagegen das beste Beispiel für ein Internetfilm-Portal, das über eine ähnlichen Charme verfügt wie die modernen Megaplex-Kinos. Es ist fast schon selbstverständlich, dass eine solche Site durch ihre technischen Anforderungen dann völlig unattraktiv gemacht wird.

Wie leicht geht man aber als Filmemacher in der unglaublichen Vielzahl anderer Produktionen unter. Auch hier gelten die Regeln der Wissenspolitik im Netz und Mehrwertangebote finden mehr Abnehmer. Andererseits bietet gerade das Internet die Möglichkeit zur Individualität statt vereinheitlichender Portale mit technischen Hürden. Evan Mather stellt einfach seine Filme zum Download zur Verfügung und alles funktioniert bestens.

Formal sind die meisten Onlinefilme "normale" Filme mit nur einem vorgegeben Plot. Mittlerweile gibt es allerdings auch einige Experimente, die dem Zuschauer das Mitmachen gestatten. www.itsyourmovie.com lässt den Surfer über die Entwicklung der Story mit entscheiden. In ihrem letzten Projekt "Running Time" schlüpfte man wie in einem klassischen Adventure-Game in die Rolle eines weiblichen Fahrradkuriers und konnte aus verschiedenen möglichen Fortsetzungen auswählen. Nun ist das Team um den "Fully Monty" Autoren Simon Beafoy mit dem neuen Film "Get a Life, Harry" am Start, der nach dem selben Prinzip funktioniert.

Von der Vielfalt der Angebote im Netz hat mittlerweile auch die Academy auf ihre Weise Notiz genommen und einen neuen Abschnitt in ihre Statuten eingefügt, dass ein für eine Oscar-Nominierung in Frage kommender Film zuerst in einem Kino gelaufen sein muss. Das schließt natürlich alle Underground-Produktionen aus, die ausschließlich im Internet zu sehen sind.

Aber die kommerziellen Unternehmungen wollen nicht recht anlaufen. Gerade eben hat das schon letztes Jahr angekündigte Onlinefilm-Portal pop.com die meisten seiner Mitarbeiter entlassen. Ihr CEO Ken Wong fürchtet, die Site werde wohl gar nicht online gehen. Er sieht im Moment noch keinen Markt für ein solches Online-Unterhaltungsangebot und will erst mal ein paar Jahre abwarten.

Dagegen kündigte das Sundance Festival für das Jahr 2001 ein Onlinefilm-Festival angekündigt. Neben speziell für das Web produzierten Arbeiten soll es eine Retrospektive klassischer Web-Filme geben. Die Genres der Online-Filme reichen von Animation über Live-Action und Dokumentarfilme bis zu interaktiven and experimentellen Filmen.

Auch etablierte Regisseure wie Peter Greenaway gehen nun neue Wege. Gerade eben stellte Greenaway sein neues Internet-DVD-etc. Projekt auf den Filmfestspielen in Venedig vor. Der sechsstündige Geschichtsfilm "The Tulse Luper Suitcase" ermöglicht ein Navigieren zwischen einzelnen Strängen der Story. Auf der Homepage www.tulseluper.net kann man täglich den Fortschritt der Dreharbeiten mitverfolgen.

Um Interessantes zu entdecken, lohnt es sich, auch mal abseits der üblichen Wege zu suchen. So fördert eine Suche nach Fisher-Price- oder Gameboy-Kameras teilweise witzige Arbeiten zutage.