Mehr "America First" und genug Konfliktstoffe

Seite 2: US-Außenpolitik: "Es wird weiter konfrontativ zugehen"

Und was bedeutet all dies für Deutschland und Europa?

Christian Hacke: Dass wir uns warm anziehen müssen. Gerade im außenpolitischen Bereich stimmen die Republikaner und die Demokraten in den Schlüsselfragen überein. Diese Wahl wird die Einstellung der Amerikaner gegenüber China, wie ich meine, bedauerlicherweise nicht beeinflussen. Es wird weiter konfrontativ zugehen.

Aber wir bräuchten eine amerikanische Außenpolitik, die gegenüber China mehr um Ausgleich und Verständnis bemüht ist.

Zweitens besteht auch mit Blick auf die Ukraine eine grundsätzliche Übereinstimmung zwischen den beiden Parteien. Aber McCarthy hat deutlich gemacht, dass die Republikaner in der Außenpolitik die Ukraine eventuell nicht mehr bedingungslos unterstützen werden. Das isolationistische Moment könnte stärker werden und den Konsens mit den Demokraten gefährden.

Wir werden mit Spannung abwarten, ob die Republikaner infolge dieser Wahlen stärker neoisolationistisch argumentieren und deshalb fordern werden: Die Europäer sollen für ihre eigene Sicherheit selbst sorgen, sie sollen auch Kiew stärker unterstützen. Nach dem Motto: Amerika kann das nicht alles so weitertragen. Also beide Partien könnten in der Außenpolitik stärker nach dem Motto handeln: Amerika First!

"Deutschland wird stärker rangenommen!"

Hier zeichnen sich Konfliktstoffe ab. Nicht nur in der Wirtschaftspolitik, wo der amerikanische Protektionismus stärker wird. Deutschland wird stärker rangenommen! Ich würde mich nicht wundern, wenn demnächst aus Washington die Forderungen lauter werden, und zwar von beiden Parteien, dass die Deutschen die Ukraine noch stärker unterstützen müssen.

Dennoch dürfen wir nicht übersehen, dass es Gegenströmungen gibt. Die Biden-Regierung steht mit Russland in Geheimverhandlungen. In der öffentlichen Meinung, in den Medien, im intellektuellen Bereich, in den Thinktanks mehren sich die Forderungen nach Überprüfung der bisherigen Russland- und Chinapolitik.

Die Zweifel an der bisherigen Politik werden größer. Man erkennt zunehmend, dass die Ukraine nicht weiter als Fechtboden, ja als Schlachtfeld gesehen werden darf, auf dem die USA Russland in die Knie zwingen sollen.

Ich höre und lese aus den USA immer öfter, dass die Ukraine nicht weiter bedingungslos unterstützt werden kann, sondern dass es zu einem Verhandlungsfrieden kommen muss.

Ob das gelingt, ist eine andere Frage. Aber es gibt diese Unterströmung in den USA, sowohl bei den Republikanern als auch bei den Demokraten als auch in der öffentlichen Meinung und auf akademischer Ebene. Das sollten wir im Auge behalten und das ist für mich ein kleines Zeichen der Hoffnung.