Mehr Arbeit oder mehr Freizeit: Was Parteien zur Bundestagswahl fordern und versprechen
Vollzeitbeschäftigte wollen mehr Freizeit. Kritik an der Arbeitsmoral kommt von mehreren Politikern. Nicht in jedem Fall ist dies auch Parteiposition.
Mehr als 80 Prozent Vollzeit-Beschäftigten in Deutschland wollen weniger arbeiten – dies ergab im vergangenen Jahr eine Umfrage des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung.
Einige dürften dabei auch ihre Gesundheit im Blick haben, denn mehr als ein Drittel der Beschäftigten (37 Prozent) fühlen sich laut einer Studie des McKinsey Health Institutes körperlich und geistig erschöpft; nur 51 Prozent fühlen sich wirklich gesund.
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Politiker mehrerer Parteien haben in diesem Jahr allerdings die Arbeitsmoral in Deutschland kritisiert und die Bevölkerung mehr oder weniger direkt aufgefordert, mehr zu arbeiten. Darunter Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie der CDU-Chef und Kanzlerkandidat Friedrich Merz. Nicht alle sprechen dafür gleichermaßen für ihre Gesamtpartei.
Mehrarbeit oder Vier-Tage-Woche: SPD zeigt sich gespalten
Auffällig widersprechen sich in diesem Punkt prominente Mitglieder der SPD: Während der Ex-Vizekanzler und Ex-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel der Meinung ist, "wir" müssten uns mehr anstrengen und vor allem die junge Generation für faul hält, kann sich seine Parteichefin Saskia Esken die Einführung einer Vier-Tage-Woche vorstellen.
Im Entwurf ihres Wahlprogramms hat sich die Noch-Kanzlerpartei SPD dazu nicht eindeutig positioniert. "Die konkrete Ausgestaltung der Arbeitszeit ist ein Kernbestandteil der 1011 Tarifautonomie", heißt es dort. "Die Tarifvertragsparteien können in den Branchen besser die jeweiligen Bedürfnisse und Gegebenheiten beurteilen und passgenaue Lösungen finden."
Allerdings verspricht die SPD "einen neuen steuerlichen Anreiz zur Ausweitung der Arbeitszeit von Teilzeitbeschäftigten" zu schaffen: "Wenn Arbeitgeber eine Prämie für die Ausweitung der Arbeitszeit zahlen, werden wir diese Prämie steuerlich begünstigen. Missbrauch werden wir ausschließen."
Entgrenzung: Union und FDP rütteln am Arbeitszeitgesetz
Die FDP ist sich jedoch im Grundsatz einig. "Wir sollten die Tageshöchstarbeitszeiten abschaffen und nur noch eine wöchentliche Höchstarbeitszeit festschreiben", befand FDP-Fraktionsvize Lukas Köhler im Mai dieses Jahres.
Laut FDP-Programm zur Bundestagswahl 2025 wollen die Wirtschaftsliberalen "das deutsche Arbeitszeitgesetz reformieren, indem wir mit einer wöchentlichen statt einer täglichen Höchstarbeitszeit neue und flexible Arbeitszeitmodelle ermöglichen". Ebenso müssten "die Vorgaben zur Arbeitszeit flexibilisiert und Öffnungsklauseln zu Ruhezeitregelungen genutzt werden". Überlegungen zur Vier-Tage-Woche mit vollem Lohnausgleich erteilt die FDP selbstredend eine klare Absage.
Auch die Unionsfraktion fordert eine stärkere "Flexibilisierung" der Arbeitszeit und will laut Wahlprogramm der CDU nur noch eine wöchentliche statt der täglichen Höchstarbeitszeit festschreiben.
Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz hatte sich über die Einstellung der Deutschen zur Arbeit beklagt: "Wenn es eine unangenehme Unterbrechung unserer Freizeit bleibt, dann können wir den Weg weitergehen. Aber der führt in einen massiven Wohlstandsverlust."
Mehr Arbeit oder mehr Freizeit: Streitpunkt auch bei Grünen
Diese Einstellung teilte zumindest im März auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der damals beklagte, es werde "ein bisschen im Moment zu viel für immer weniger Arbeit gestreikt beziehungsweise geworben".
Im Wahlprogramm der Grünen findet sich seine Einschätzung, dass unterm Strich mehr gearbeitet werden sollte, allerdings nicht wieder. Von einer Vier-Tage-Woche ist dort aber auch keine Rede.
Verbesserungen versprechen die Grünen zum Beispiel für Mütter, die unfreiwillig in Teilzeit arbeiten. Durch ein Rückkehrrecht in Vollzeit und verbesserte Möglichkeiten zur Kinderbetreung sollen berufliche Nachteile für sie vermieden werden.
Die Linke für Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich
Die inzwischen aus der Partei ausgetretene Ex-Chefin der Grünen Jugend, Katharina Stolla, hatte sich unabhängig vom Familienstand der Beschäftigten für eine Vier-Tage-Woche ausgesprochen. Das Festhalten an der 40-Stunden-Woche hatte sie mit Blick auf die schlechte Vereinbarkeit von Beruf und Familie als "unfeministisch" bezeichnet.
Die Linke spricht sich in ihrem Wahlprogramm klar für eine Vier-Tage-Woche "bei vollem Lohn- und notwendigem Personalausgleich in allen Branchen" aus.
Arbeitszeit nach Umfragewerten kein wichtiger Wahlprüfstein
Bemerkenswert ist, dass die Unionsparteien in Umfragen stärkste Kraft sind, obwohl sie dem Wunsch der großen Mehrheit der Beschäftigten nach mehr Freizeit erklärtermaßen nicht entsprechen wollen.
Die Linke dagegen stand in den letzten Wochen zwischen drei und vier Prozent und wäre demnach auf mindestens drei Direktmandate angewiesen, wenn sie den Wiedereinzug in den Bundestag nicht verpassen will.
Die ultrarechte AfD geht in ihrem Programm beim Thema Arbeitszeit nicht ins Detail, spricht aber allegemein von "Deregulierung" für das "freie Unternehmertum".
Was aktuell im Arbeitszeitgesetz steht
Aktuell darf die Arbeitszeit im Normalfall 48 Stunden wöchentlich nicht überschreiten, kann aber auf bis zu 60 Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von vier Kalendermonaten oder 16 Wochen im Durchschnitt 48 Stunden wöchentlich nicht überschritten werden.
Die werktägliche Höchstarbeitszeit beträgt im Normalfall acht Stunden, kann aber auf bis zu zehn Stunden verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt acht Stunden pro Werktag nicht überschritten werden.
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