Mehr Freiheit, mehr Stress? Wie zerstückelte Arbeitstage die Gesundheit belasten
Vor allem Frauen mit fragmentierten Arbeitszeiten unzufrieden. Studie enthüllt, wie Homeoffice zur Stressfalle werden kann.
Dreistündige Mittagspause gefällig? Wer dafür bereit ist, sich in den Abendstunden noch mal an den Rechner zu setzen und eine Spätschicht einzulegen, kann das in manchen Unternehmen haben – vor allem in solchen mit Homeoffice-Regelungen.
"Fragmentierte" Arbeitstage sind aber nur eine Notlösung, um die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beziehungsweise Privatleben zu erleichtern – dies hat jedenfalls eine Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung ergeben.
Work-Life-Balance? Fehlanzeige
"Zerstückelte" Arbeitszeiten können demnach zwar die Bewältigung des Alltags erleichtern – die Zufriedenheit mit dieser "Work-Life-Balance" ist aber vor allem bei Frauen, die ihre tägliche Erwerbsarbeit länger für private Zwecke unterbrechen, nicht sehr ausgeprägt.
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Abgefragt wurden für die Untersuchung ausschließlich "freiwillige" Unterbrechungen aus privaten Gründen. Schichtarbeitende, die ihre Zeit nicht selbst einteilen können, blieben außen vor.
Wenige holen Arbeit am Abend gerne nach
"Eltern, die zum Beispiel im Rahmen von flexiblen Gleitzeitregelungen Einflussmöglichkeiten auf ihre Arbeitszeit haben, können beispielsweise Kinder während der regulären Arbeitszeit abholen und diese Zeit in den Abendstunden nachholen", heißt es in der Studie.
"Allerdings ist diese Art der Fragmentierung auch negativ behaftet, da nur ein äußerst geringer Anteil von Beschäftigten mit und ohne Kinder eine Arbeit in den Abendstunden präferiert."
Allerdings ist diese Art der Fragmentierung auch negativ behaftet, da nur ein äußerst geringer Anteil von Beschäftigten mit und ohne Kinder eine Arbeit in den Abendstunden präferiert.Vier Prozent der Beschäftigten unterbrechen ihre Arbeit "häufig" und machen am Abend nach 19 Uhr weiter. Zehn Prozent tun dies "manchmal" und 27 Prozent "selten". Die Mehrheit gibt an, nie so zu arbeiten.
Frauen spüren stärkeren Zeit- und Leistungsdruck
Im nächsten Schritt wurde ausgewertet, wie die Betroffenen auf andere Fragen zu Arbeitszeit, Job oder Familie geantwortet hatten, um statistische Auffälligkeiten herauszuarbeiten.
Die Frage, ob die Betroffenen Kinder haben oder nicht, war im Ergebnis für den Zusammenhang zwischen fragmentierten Arbeitszeiten und Stress weniger entscheidend als gedacht.
Frauen nahmen aber generell einen größeren Zeit- und Leistungsdruck wahr. "Möglicherweise, weil sie im Fall von Teilzeitarbeit besonders unter Strom stehen, um das Pensum zu schaffen, oder weil sie sich als Frauen in einem traditionellen Arbeitsumfeld besonders beweisen müssen", heißt es im Resümee der gewerkschaftsnahen Stiftung.
Zu kurze Ruhepausen dank Homeoffice
Zudem warnen die Studienautoren – WSI-Arbeitszeitexpertin Yvonne Lott und Nils Backhaus von der Bundesanstalt für Arbeitsschutz – vor den Folgen verkürzter Ruhezeiten. Gesetzlich vorgeschrieben sind elf Stunden am Stück, was bei "fragmentierter" Arbeit nicht eingehalten wird. Dies habe "massive Auswirkungen auf die Erholung, den Schlaf, die Konzentrations- und Leistungsfähigkeit, das Unfallgeschehen, aber auch auf Gesundheit und Wohlbefinden".
Dafür spricht auch eine Untersuchung der Krankenkasse AOK, die kürzlich Rekordwerte bei Schlafstörungen vermeldete. Der Schlafmediziner Alexander Prickartz, Chefarzt am Kölner Hildegardis-Krankenhaus, brachte dies mit digitalem Stress, ständiger Erreichbarkeit und der Nutzung von Bildschirmen in den Abendstunden in Zusammenhang.
"Der Schlaf-Wach-Rhythmus wird dadurch gestört, da das blaue Licht die natürliche Melatoninproduktion hemmt", sagte Prickartz dem Kölner Stadt-Anzeiger (KStA).
Lott und Backhaus widersprechen in ihrem Fazit auch der Darstellung, fragmentierte Arbeitszeiten seien besonders familienfreundlich. Laut ihrer Auswertung sind gerade Frauen damit keineswegs zufriedener als solche, die ihre Erwerbsarbeit nicht für Kinderbetreuung oder Hausarbeit unterbrechen – im Gegenteil.