Mehr Gesichtserkennung durch Polizeibehörden
In deutschen Polizeidatenbanken sind Millionen Gesichter, Finger- und Handballenabdrücke gespeichert. Auch auf EU-Ebene mehr biometrische Daten
Der Abgleich von Lichtbildern bei deutschen Polizeibehörden ist auch im vergangenen Jahr wieder stark angestiegen. Das geht aus einer Statistik hervor, die auf Angaben des Bundesinnenministeriums im Rahmen einer Kleinen Anfrage beruht. Demnach wurden im Gesichtserkennungssystem des Bundeskriminalamtes (BKA) im Jahr 2020 insgesamt 76.535 Abfragen vorgenommen.
Im Jahr zuvor waren es noch rund 54.000 Abfragen, der Anstieg beträgt demnach mehr als ein Drittel (2018: 41.000, 2017: 27.000). Die meisten Suchläufe stammen der Statistik zufolge von den Kriminalämtern, dort ist auch die größte Zunahme zu verzeichnen. Seit 2009 ermöglicht es das BKA den Landeskriminalämtern und der Bundespolizei, unbekannte Personen mithilfe des zentralen Informationssystems der Polizei (INPOL-Z) zu identifizieren. In der Datenbank speichert das BKA Lichtbilder vor allem aus der Erkennungsdienstlichen Behandlung. Das "Z" steht für "Zentraldatei", die zwar beim BKA geführt, aber von allen Polizeibehörden befüllt wird.
Zahl identifizierter Personen steigt deutlich
Derzeit sind in INPOL-Z insgesamt 5,75 Millionen Portraitfotos von 3,64 Millionen Personen gespeichert. Die Anzahl der Bilder hat in den letzten Jahren zugenommen, für das letzte Jahr verzeichnet das BKA aber eine geringfügige Abnahme. So kamen zwar rund 650.000 Dateien hinzu, aufgrund von Löschfristen wurden aber rund 740.000 Bilder entfernt.
Die Anzahl der Personen, die mithilfe des Bildabgleichs identifiziert wurden, teilt das Bundesinnenministerium zunächst nicht mit. Diese würde "nicht zentral vorgehalten". Mit der gleichen Begründung wurde die Herausgabe auch im vergangenen Jahr abgelehnt. Auf nochmalige Nachfrage fand das BKA dann aber doch eine Statistik. Demnach wurden 2019 insgesamt 2.123 Personen identifiziert, im Vergleich zum Vorjahr eine Verdoppelung.
Für die Verarbeitung von Finger- und Handflächenabdrücken betreiben deutsche Polizeibehörden ein "Automatic Fingerprint Identification System" (AFIS), in dem derzeit 5,3 Millionen Personendatensätze gespeichert sind. Eine weitere DNA-Analyse-Datei enthält mehr als 1,2 Millionen Datensätze zu Personen und Tatortspuren.
Treffer nach Abfrage von EU-Datenbanken
Auch in EU-Datenbanken werden zunehmend biometrische Daten gespeichert und verarbeitet. Seit drei Jahren verfügt das Schengener Informationssystem (SIS II) über ein AFIS, es umfasst derzeit 286.195 durchsuchbare Fingerabdrücke. Diese sind mit verschiedenen Fahndungen aus EU-Mitgliedstaaten verknüpft. Im vergangenen Jahr erzielten deutsche Behörden bei Abfragen des SIS AFIS - meist im Rahmen polizeilicher Kontrollen - insgesamt 5.618 Treffer.
Im SIS II können auch Gesichtsbilder gespeichert werden, diese sind allerdings noch nicht durchsuchbar. Mit der Neufassung der SIS II-Verordnung soll es auch möglich sein, unbekannte Personen ausschließlich mit biometrischen Daten auszuschreiben, dies ist aber noch nicht technisch umgesetzt.
Neben dem SIS II enthält auch die Eurodac-Datei durchsuchbare Fingerabdrücke. Dabei handelt es sich um ein Identifizierungssystem für Asylsuchende sowie Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen. Deren Fingerabdruck wird in Eurodac abgefragt, um zu ermitteln, ob dort bereits Asylanträge aktenkundig sind. Mit Stand vom 30. November enthielt Eurodac 5,8 Millionen Fingerabdruckblätter.
Zweckfremde Nutzung nimmt zu
Weitere biometrische Daten sind auf EU-Ebene im Visa-Informationssystem (VIS) gespeichert. Jedem der dort enthaltenen 73,2 Millionen Anträge liegt ein Lichtbild bei, außerdem befinden sich in der Visumsdatei 64,3 Millionen Fingerabdruckblätter.
Eurodac und VIS können auch jenseits von Asyl- und Visumsangelegenheiten genutzt werden. Strafverfolgungsbehörden können diese beispielsweise zur Verfolgung schwerer Straftaten nutzen. Die Zahl solcher Anträge ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Waren es für das VIS im Jahr 2015 noch 827 Anträge, verzeichnet das Bundesinnenministerium für 2017 insgesamt 4.075 Anträge. Im vergangenen Jahr lag dieser Wert bei 1.998.
Schließlich hat auch Interpol vor einigen Jahren ein Gesichtserkennungssystem eingerichtet, eine entsprechende Datenbank verzeichnet laut dem Bundesinnenministerium derzeit rund 82.000 Lichtbilder (2019: 69.000). Diese werden aus den Fahndungen, die bei Interpol eingehen, übernommen und durchsuchbar gemacht.
Das BKA hatte der Speicherung und Verarbeitung deutscher Daten zunächst nicht zugestimmt. Die nun vorliegende Antwort lässt im Unklaren, ob die "fachliche und datenschutzrechtliche Prüfung" zur Teilnahme an dem Interpol-System weiter andauert oder ob das BKA nun eine endgültige Absage erteilt hat.
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