"Mehr Linux, mehr Freiheit"
Eine bayerische Landtagsabgeordnete zieht mit einem IT-Thema in den Wahlkampf
Während die Sozialdemokraten im Europaparlament am 1. September Softwarepatente legalisieren wollen, wirbt die Münchner SPD-Abgeordnete und Programmiererin Monica Lochner-Fischer derzeit großflächig mit Linux-Plakaten. Telepolis hat nachgefragt, wie sich das verträgt, und dabei einiges über den Gesetzgebungsprozess in Brüssel und Straßburg erfahren.
Auf Ihren Plakaten steht der Slogan "Mehr Linux, mehr Freiheit". Was ist damit genau gemeint?
Lochner-Fischer: Ich denke damit an Freiheit in mehrerlei Hinsicht: Zum einen an die Freiheit für den Endanwender, aus einem möglichst breiten Angebot wählen zu können, und zum anderen auch an die Freiheit für Staat und Behörden, nicht in zu große Abhängigkeiten zu geraten. Konkret sieht das so aus, dass ich im Landtag Entscheidungen zu verhindern versuche, die uns an einen Konzern ketten würden.
Ist das nur Ihre Politik, oder wähle ich mit der SPD insgesamt eine Partei, die Linuxinteressen fördert?
Lochner-Fischer: Ich stehe nicht allein in der SPD. Otto Schily hat ja auch erkannt, dass Linux der richtige Weg ist. Und in München hat sich der Stadtrat, vor allem wegen der SPD-Mehrheit, für Linux entschieden.
Bleiben wir in der Bundespolitik. Im SPD-geführten Justizministerium gibt es den Patentreferenten Dr. Welp, der sehr weitreichende Vorstellungen zur Patentierbarkeit von Software hat, die Linux die schiere Grundlage entziehen würden. Wie passt das zusammen?
Lochner-Fischer: Eigentlich passt das überhaupt nicht zusammen. Die Schwierigkeit ist, dass die Softwarepatentierbarkeit in der Politik noch gar nicht als Problem erkannt wurde. Da werden wir noch sehr viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Also sind die Themen Linux und Softwarepatente weniger eine Angelegenheit, in der Parteien scharf abgegrenzte Positionen haben, als vielmehr eine Frage von einzelnen Persönlichkeiten?
Lochner-Fischer: Im Moment ist es wohl noch eine Personenangelegenheit. Machen wir uns nichts vor: In technischen Dingen ist die Mehrheit der Politiker immer, äh - wie soll ich das formulieren - abwartend. Weil sie schlicht nichts davon versteht. Viele fragen sich einfach nur, was kurzfristig billiger ist, und sehen nicht auf die Folgen. Da muss man in der Politik noch eine ganze Menge arbeiten. Ich hoffe, dass ich meine Partei noch überzeugen kann.
In der Europapolitik, wo letztlich über Softwarepatente entschieden wird, befürworten die Sozialdemokraten mehrheitlich die Patentierbarkeit von Software...
Lochner-Fischer: Da gibt es divergierende Meinungen. Die Abgeordnete Evelyne Gebhardt ist z. B. dagegen. Ich glaube, da bewegt sich noch was. Jetzt wurde eine eigene SPD-Kommission gegründet, denn im Vorfeld wurde das Problem gar nicht erkannt. Ich hoffe, dass die Kommission klar herausstellt, was Softwarepatente bedeuten würden: Dass sich Großkonzerne alles mögliche patentieren lassen und so verhindern, dass andere überhaupt noch Programme schreiben können.
Aber bis jetzt sind die Patentbefürworter bei den europäischen Sozialdemokraten in der Mehrheit. Wie kommt das?
Lochner-Fischer: Gerade in Europa spielt die Lobbyarbeit der Konzerne eine noch größere Rolle als in der bayerischen Politik. Deshalb sind wir in Bayern in unseren Entscheidungen freier, weil der Druck nicht ganz so immens ist. Ich weiß, welche wirtschaftliche Macht sich da zusammenballt und spür's am eigenen Leib. Ich habe Anfang August ein Gespräch mit Microsoft. Die versuchen schon sehr - hm - deutlich Einfluss auf die Politik nehmen.
Was bedeutet Lobbyarbeit konkret?
Lochner-Fischer: Naja, Lobbyarbeit ist eine sehr kontinuierliche Herangehensweise an Abgeordnete. Sie werden praktisch "gepflegt". Dank regelmäßiger Gespräche nehmen Abgeordnete praktisch nur die Probleme der Lobbyisten als die Probleme der Branche wahr. Probleme, die die nicht haben wollen, die werden halt nie besprochen - es gibt keine Lobby der kleinen Programmierer, der kleinen Softwarefirmen. Zudem verwechseln die meisten Parlamentarier Softwarepatente mit normalen Patenten und glauben tatsächlich, sie würden den Mittelstand unterstützten, während sie in Wirklichkeit dabei sind, ihm die wirtschaftliche Grundlage zu entziehen.
Politiker sind also nicht geschmiert von Lobbyisten, sondern nur naiv?
Lochner-Fischer: Es ist nicht vorhandenes Fachwissen. Was für das Patent für den Handwerker gilt, gilt halt nicht für Software. Viele werden das erst mitkriegen, wenn es vielleicht schon zu spät ist.
Was kann der Bürger dann überhaupt noch tun, wenn er in Wahlen nicht die Partei gegen Softwarepatente wählen kann?
Lochner-Fischer: Nutzen Sie die Kommunikation. Schreiben Sie Ihren Abgeordneten an, am besten mehrere Abgeordnete. Und schreiben Sie persönlich, und zwar einen Brief. Ein echter Brief wirkt mehr als Hundert E-Mails. Massenmails mit vorformulierten Texten bringen gar nichts.
Werden denn die hübsch formulierten Briefe nicht sofort vom Referenten abgeheftet?
Lochner-Fischer: Die gibt's im Landtag ohnehin nicht. Und wenn Bundestags- oder Europaparlamentarier jeden Tag vom Referenten gesagt bekommen, dass schon wieder fünf Briefe wegen Softwarepatenten gekommen sind, dann werden die sich auch langsam schlau machen. Denn die Referenten müssen ja auch angewiesen werden, wie auf die Anfragen geantwortet werden soll. Es gibt aber auch noch andere Möglichkeiten, sich Gehör zu schaffen. Gerade läuft ja der Wahlkampf in Bayern. Besuchen Sie die Wahlveranstaltungen und sprechen Sie das Thema Softwarepatente an. Und dann gibt es auch noch die Bürgersprechstunden. Je öfter Politiker mit dem Thema Softwarepatente konfrontiert werden, desto wahrscheinlicher ist, dass sie sich sachkundig machen.
Aber entschieden wird doch in Europa. Wie soll man denn an seinen Europaabgeordneten herankommen, der viel weniger lokal präsent ist und einen viel größeren Wahlkreis hat?
Lochner-Fischer: Das ist wirklich ein Problem. Es bleibt nur, die Abgeordneten anzuschreiben. Noch besser suchen Sie sich eine Firma im Wahlkreis, die den Abgeordneten anschreiben soll und dabei erwähnt, wie gefährlich Softwarepatente für ihre wirtschaftliche Existenz sind. Ich hoffe immer noch, dass nicht am 1. September über die Softwarepatentierbarkeit beschlossen wird. Es wurde schon mehrfach verschoben, und hoffentlich verschieben sie es wieder. Nächstens Jahr ist Europawahl - da könnte man das Thema ganz anders angehen.
Wenn in Europa Softwarepatente beschlossen werden, könnte das das Ende oder mindestens die technische Unterlegenheit von Linux bedeuten.
Lochner-Fischer: Ich weiß. Und ich sehe das mit Sorge. Der Dreh- und Angelpunkt ist Europa, ich kenne nur den Hebel noch nicht. Notwendig wäre, dass auch die Firmen, die hinter Linux stehen, in Brüssel mal einen parlamentarischen Abend veranstalten. Das ist so die Gepflogenheit in den Kreisen. Also sprich, die Parlamentarier mal einladen. Ich weiß nicht, was man in Brüssel derzeit so trinkt, zu Bier, zu Wein oder sonst was. Und dann so richtig bearbeiten. Sprich: Auch Lobbyarbeit betreiben.
Es gibt ja nun schon eine Lobby gegen Softwarepatente, und zwar in Form des FFII. Aber deren Arbeit ist, ähem, "trockener"...
Lochner-Fischer: (Lacht) Die brauchen wir schon auch. Wie gesagt, das Grundproblem ist, dass die Leute im Parlament zu wenig Sachwissen haben. Aber man muss den Abgeordneten auch dazu bringen, die trockenen Sachen zu lesen.
Mit Bier?
Lochner-Fischer: Bier... oder Wein. Naja - aber nicht zu viel.