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USA: Billionenschwere Konjunktur- und Investitionsprogramme. Setzt die Sozial- und Wirtschaftspolitik der Biden-Regierung dem Neoliberalismus ein Ende?
Erlebt Amerika derzeit einen Linksruck, der das politische und soziale Erbe des Neoliberalismus in dessen Ursprungsland revidiert? Deutschlands Qualitätspresse scheint jedenfalls dieser Ansicht zu sein. Der Spiegel präsentierte den neuen US-Präsident schon im Februar als "Genosse Biden", der seinem Land "im Eilverfahren einen Linksschwenk" verpasse.
Die Tagesschau wollte Ende März gar eine "Biden-Revolution" in den Vereinigten Staaten ausmachen. Der demokratische Staatschef wolle einen "totalen Paradigmenwechsel", bei dem das vom neoliberalen Präsidenten Ronald Reagan geprägte Wirtschaftssystem und Gesellschaftsbild "vom Kopf auf die Füße" gestellt werden solle.
Tatsächlich werden derzeit in den Vereinigten Staaten billionenschwere Konjunktur- und Investitionsprogramme aufgelegt, um die sozioökonomischen Folgen des letzten Krisenschubs zu bewältigen und eine Erneuerung der Infrastruktur einzuleiten. Am vergangenen Mittwoch stellte Präsident Biden seinen mit Spannung erwarteten Infrastrukturplan vor, dessen Umfang sich auf rund zwei Billionen US-Dollar belaufen soll. Das Geld soll innerhalb von acht Jahren investiert werden.
Das Investitionsvorhaben zielt darauf ab, durch eine Modernisierung der maroden amerikanischen Infrastruktur einen langfristigen Aufschwung zu initiieren. Im Fokus stehen unter anderem die Transportinfrastruktur, die Wasserversorgung, der Ausbau des Breitband-Internets sowie die Industrieproduktion. Finanziert werden soll dieses Investitionsvorhaben durch eine Erhöhung der Unternehmenssteuern von 21 auf 28 Prozent sowie durch das Schließen von Steuerschlupflöchern.
Der größte Teilbetrag dieser Aufwendungen soll in die Verkehrsinfrastruktur und den Verkehr fließen, in die Modernisierung von Brücken und Straßen, den Ausbau eines öffentlichen Transportsystems, in das Schienennetz, in Wasserwege und Flughäfen. Allein für die Förderung von Elektroautos sind mehr als 100 Milliarden Doller vorgesehen. Ein dreistelliger Milliardenbetrag ist zur Stärkung und Modernisierung der Industrie und der Lieferketten vorgesehen.
Hunderte Milliarden Dollar würden zudem in die Förderung "erschwinglichen und nachhaltigen" Wohnraums fließen, um der weit verbreiteten Obdachlosigkeit in den USA zu begegnen. Dreistellige Milliardenbeträge sollen überdies in die Modernisierung des öffentlichen Schulsystems, in Forschung und Lehre, in Arbeitsprogramme, in das Stromnetz sowie das Wassernetz fließen.
Diesem Investitionsprogramm ging Mitte März ein Krisenprogramm voran, das 1,9 Billionen Dollar umfasst. Hier standen zeitlich befristete Hilfszahlungen an US-Bürger im Zentrum der Krisenmaßnahmen, mit denen der Binnenkonsum angekurbelt werden sollte.
Neben der Einmalzahlung von 1.400 Dollar an US-Bürger, die weniger als 80 000 Dollar jährlich verdienen, wurden auch die wöchentlichen Zuschüsse zur Arbeitslosenhilfe in Höhe von 300 US-Dollar bis zum September 2021 verlängert. Diese Zusatzzahlungen sollten eigentlich im März auslaufen.
Überdies wurde - bislang ebenfalls auf ein Jahr begrenzt - ein durch Steuernachlässe auszuzahlendes Kindergeld in Höhe von 300 Dollar pro Kind eingeführt, das etliche Initiativen innerhalb der Demokratischen Partei in eine permanente Regelung überführen wollen. Hunderte von Milliarden sind im Rahmen dieses Hilfspaketes insbesondere in die direkte Pandemiebekämpfung geflossen wie in die Finanzierung der Impfkampagne oder in Hilfszahlungen für Städte und Gemeinden.
Ein Zeitfenster
Die Demokraten können bei diesen billionenschweren Hilfs- und Investitionsprogrammen ein Zeitfenster nutzen, das mindestens bis zu den Zwischenwahlen 2022 bestehen wird. Derzeit kann Präsident Biden auf eine Mehrheit im Repräsentantenhaus und - wenn auch denkbar knapp - im Senat bauen, so dass diese Vorhaben letztendlich ohne substanzielle legislative Blockaden der Republikaner durchgesetzt werden können.
Der entscheidende Kampf um die Ausgestaltung dieser Maßnahmenpakete, wie auch der Reformpolitik der Biden-Administration, findet somit innerhalb der Demokratischen Partei statt. Und hierbei wurden gerade entschiedene Initiativen, die eventuell tatsächlich den neoliberalen Trend der vergangenen Dekaden durchbrochen hätten, von Demokraten und Republikanern blockiert.
Ein wichtiger Kampf, der zwischen linken und rechten Strömungen innerhalb der Demokraten ausgetragen wurde, hatte eine Erhöhung des Mindestlohns zum Gegenstand, die Teil des besagten Hilfspaketes zur Pandemiebekämpfung sein sollte.
Der Mindestlohn sollte im Rahmen der vom linken Senator Bernie Sanders unterstützten Initiative von 7,25 US-Dollar stufenweise auf 15 US-Dollar angehoben werden. Der Mindestlohn wurde in den USA zuletzt 2009 erhöht.