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Mehr radioaktive Emissionen

AKW Gundremmingen: Block A (links vorn), Blöcke B und C (rechts). Foto: Felix König / CC BY-SA 3.0

Die Energie- und Klimawochenschau: Von Steuer sparenden Atomkonzernen, großzügigen Berliner Koalitionären, Transportproblemen des Weihnachtsmanns und von nervenden Mini-Fahrern

Man spart ja, wo man kann. Für gewöhnlich werden Atomkraftwerke einmal Jahr im Rahmen der regelmäßigen Revision mit neuen Brennstäben beladen. Dann stehen die Reaktoren eine Weile still und der Druckbehälter wird geöffnet und allerlei Überwachungs- und Reparaturarbeiten erledigt.

Doch in diesem Jahr hat man sich etwa anderes einfallen lassen. Um möglichst wenig Brennelementesteuer zahlen zu müssen, haben die AKW-Betreiber ihre Reaktoren bei den letzten Revisionen gar nicht oder nur mit so vielen Brennelementen bestückt, dass diese bis zum Jahresende reichen. Dann läuft nämlich nach bisherigem Stand die Steuer aus.

Die Anti-Atom-Kampagne .ausgestrahlt weist darauf hin [1], dass die AKW-Betreiber auf diese Art Geld sparen wollen und daher nun um die Jahreswende die Reaktordruckbehälter noch einmal zum Nachladen öffnen.

Das sei "eine (…) völlig unnötige zusätzliche Strahlenbelastung der Bevölkerung und ihrer Beschäftigten in Kauf" genommen werde. Damit werde das im Strahlenschutz geltende Minimierungsgebot verletzt, heißt es bei .ausgestrahlt. Man habe deshalb am Montag bei verschiedenen Staatsanwaltschaften Strafanzeige eingereicht.

Bei jedem Öffnen des Reaktordeckels steigen die radioaktiven Emissionen des AKW auf ein Vielhundertfaches des sonst üblichen Wertes an. Diese Emissionsspitzen stehen im Verdacht, für die erhöhten Kinderkrebsraten in der Umgebung von Atomkraftwerken verantwortlich zu sein. (...)

Die AKW-Betreiber setzen Wirtschaftlichkeit vor Gesundheitsschutz. Die Aufsichtsbehörden decken diese Prioritätensetzung auch noch. Das ist nicht hinnehmbar. Deswegen haben wir heute bei den Staatsanwaltschaften Karlsruhe, Hannover und Essen Strafanzeige wegen des Verstoßes unter anderem gegen die Strahlenschutzverordnung erstattet.

Armin Simon, .ausgestrahlt

Koalition verzichtet auf Steuer

RWE hat bisher nicht auf eine E-Mail-Anfrage von Telepolis zum Thema geantwortet, hat den Vorgang aber schon vor zwei Wochen in Bezug auf das AKW Gundremmingen C gegenüber der Südwestpresse bestätigt [2].

In Gundremmingen C soll am 28.12. nachgeladen werden. Der fast 32 Jahre laufende Reaktor hat seine genehmigte Reststrommenge eigentlich nahezu aufgebraucht, bekommt jedoch eine Laufzeitverlängerung von mehreren Jahren durch die Übertragung von Strommengen anderer AKW. Gundremmingen B muss hingegen definitiv zum Jahresende 2017 stillgelegt werden.

E.on hat auf die Telepolis-Anfrage mit einer verklausulierten Bestätigung reagiert. Man habe den "Brennstoffeinsatz mit Blick auf die hohe Belastung durch die für neue Brennelemente zu entrichtende Kernbrennstoffsteuer optimiert". Das Unternehmen betreibe seine Anlagen nach Recht und Gesetz. Von einer Strafanzeige habe man keine Kenntnis.

Bei der Linksfraktion im Bundestag heißt es, dass der Fiskus 2016 statt der erwarteten 1,6 Milliarden Euro an Brennelementesteuer nur 500 Millionen eingenommen habe. Ein Antrag der Fraktion auf Verlängerung der Steuer war bereits im Oktober abgelehnt worden; ein weiterer, ähnlich lautender Antrag von Bündnis 90/Die Grünen wird aller Voraussicht nach am Donnerstag an der großen Koalition scheitern.

Rudolph allein zu Hause

Die AKW-Betreiber haben ihre Weihnachtsgeschenke also schon bekommen - wie berichtet hatte auch das Bundesverfassungsgericht ein bisschen was unter den Baum gelegt - doch was ist mit dem Rest der Menschheit? Dem drohen demnächst Lieferschwierigkeiten, denn dem Weihnachtsmann könnten die Zugtiere für seinen Schlitten ausgehen.

Wie der World Wide Fund for Nature (WWF) berichtet [3], hat in Nordamerika der Bestand an Rentieren - dort Karibu genannt - dramatisch abgenommen. In Kanada würden sie nun als bedrohte Art gelten. Einige Herden seien um bis zu 98 Prozent dezimiert.

Den Tieren macht der Klimawandel zu schaffen. Zum einen werden sie auf ihren Wanderungen zu ihren Weidegründen eingeschränkt, weil die Zeit, in denen die Gewässer mit Eis bedeckt sind kürzer geworden ist. Zum anderen wird ihre Futtersuche erschwert, weil mildere Temperaturen mehr Schnee und auch Regen bedeutet.

Schlimmstenfalls gefriert der Regen auf Gras, Flechten und Moos, so dass die Tiere nicht an sie heran kommen. Außerdem setzen ihnen im Sommer auch vermehrt Stechmücken zu, die sich aufgrund der höheren Temperaturen ausbreiten. Schließlich wird ihr Lebensraum auch durch den Bergbau weiter eingeschränkt.

Tiefsee-Raubbau

Hierzulande setzt die interessierte Industrie derweil auf den Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee, was unter Umweltgesichtspunkten mindestens ebenso bedenklich ist. Die dortigen, meist noch weitgehend unbekannten Ökosysteme sind wegen der niedrigen Temperaturen und der geringen Verfügbarkeit von Energie für den Stoffwechsel, besonders empfindlich [4].

Dennoch treibt die Bundesregierung die Erschließung der Tiefseeressourcen voran, wie unter anderem am Dienstag mit einer internationalen Konferenz zum Thema in Berlin demonstriert wurde.

Deutschland hat von der Internationalen Seabed Authority ISA bereits mehrere Erkundungslizenzen erhalten, eine davon im indischen Ozean und im zentralen Pazifik. Umweltverbände sind alarmiert [5]. Statt unkalkulierbare Risiken für die Umwelt in Kauf zu nehmen sollten lieber sollte lieber auf mehr Effizienz und Recycling gesetzt werden.

Im Pazifik geht es bisher vor allem um Manganknollen, die vom vom Meeresboden eingesammelt werden sollen. Dabei handelt es sich um ein Gemisch aus Mangan, Eisen, Kupfer, Kobalt, Zink und Nickel, das sich um einen Kristallisationskern ablagert.

Die Metalle stammen aus dem Meerwasser, der größere Teil ist zuvor von diesem aus dem Sediment im Boden gelöst worden. Für menschliche Begriffe ist das Wachstum der bis zu 15 Millionen Jahre alten Knollen ein sehr langsamer Prozess. Sie können einen Durchmesser von bis zu 25 Zentimeter haben, im Durchschnitt sind sie mit drei Zentimetern allerdings deutlich kleiner.

Die Knollen sollen, die Technik ist noch in der Entwicklung, einst in der einen oder anderen Form vom Meeresboden im vier bis sechs Kilometern Tiefe abgekratzt werden. Frühere Versuche mit ersten Proben haben gezeigt, dass die Spuren solcher Einfgriffe - fast wie auf dem Mond - über Jahrzehnte kaum verändert erhalten bleiben.

"Dem Wissen über die Ökologie der Tiefsee fehlen nach wie vor grundlegende Erkenntnisse, um die Auswirkungen des Tiefseebergbaus abschätzen zu können. Der Abbau von einzigartigen Habitaten führt zu gravierenden und irreparablen Schäden in der sensiblen Tiefsee", meint die Meeresschutzreferentin des Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND), Nadja Ziebarth.

"Der geplante Abbau von Rohstoffen in der Tiefsee schlägt einen vollkommen falschen Pfad ein und verletzt grundlegende Rechte der direkt betroffenen Menschen", ergänzt Michael Reckordt, Koordinator des zivilgesellschaftlichen Netzwerks Arbeitskreis Rohstoffe. Reckrodt hat vor allem die Bewohner der unzähligen pazifischen Inseln im Blick, vor deren Haustür der Abbau erfolgen soll.

Sollten die dortigen Fischbestände oder Korallenstöcke durch die vom Bergbau verursachten Verschmutzungen in Mitleidenschaft gezogen werden, wären die wichtigsten Einnahmequellen vieler Insulaner, Fischerei und Tourismus bedroht.

Anstatt immer neue Rohstoffquellen zu erschließen, müssen wir den Rohstoffverbrauch absolut reduzieren. Die Regierung sollte sich daher stärker für geschlossene Rohstoffkreisläufe, intelligentes und nachhaltiges Produktdesign sowie menschenrechtliche Sorgfaltspflichten für rohstoffnutzende Unternehmen einsetzen.

Michael Reckordt, Arbeitskreis Rohstoffe

Carsharing mit Nebenwirkungen

Car-Sharing, eine einst im Milieu der westdeutschen Alternativbewegung der 1980er Jahre entstandene Idee, gilt als eine der Antworten auf das Problem verstopfter Großstädte und viel zu hohem Ressourcenverbrauchs des Autoverkehrs. Inzwischen lässt sich sagen, dass das Konzept vor dem Durchbruch steht und längst auch große Unternehmen auf den Plan gerufen hat.

Der Autovermieter Sixt bietet zum Beispiel mit DriveNow [6] einen entsprechenden Service an, der zum letzten Jahreswechsel schon 580.000 registrierte Nutzer hatte. Die meisten davon leben in Deutschland, berichtete [7] das Unternehmen im Januar in seiner letzten Jahresbilanz.

Aber auch in Kopenhagen, London , Wien, Stockholm, Brüssel und Mailand hat man mittlerweile Dependancen gegründet. Sollte die Expansion weiter so rasant voran geschritten sein wie in den Vorjahren, dann dürften es inzwischen bereits über 700.000 Nutzer sein. Die DriveNow-Hauptstadt ist dabei Berlin, wo sich deutlich über 100.000 Nutzer haben eintragen lassen.

Der Service wird mit viel Modernität versprechender Rhetorik beworben. Dem potenziellen Nutzer soll das Gefühl von Sportlichkeit und Dynamik vermittelt werden. Hinzu kommt eine Abrechnung im Minutentakt. Das scheint einen Teil der DriveNow-Fahrer zu animieren, Straßenverkehrsregeln und Rücksichtsnahme etwas lockerer zu nehmen - zum Nachteil der übrigen Verkehrsteilnehmer.

Entsprechend mehren sich im Internet die Klagen [8] über ein gewisses Rowdytum von Mietwagenfahrern. In Berlin - wo die Sitten im Verkehr ohnehin etwas rauer sind - haben genervte Fußgänger nun einen Anti-DriveNow-Blog [9] ins Leben gerufen, auf dem unschöne Erlebnisse mit DriveNow-Fahrern gemeldet werden können.

Allerdings sind die genervten nicht ganz wehrlos. Wenn man den empörten Beschwerden [10] eines Nutzers Glauben schenken darf, reicht schon ein einziger Anruf beim Carsharing-Service, um dem Nutzer eine kleine Sperre zu verpassen. Wenn einem das nächste Mal ein Mini mit Münchener Nummernschild die Vorfahrt nimmt oder beim Überqueren der Straße fast über die Füße fährt, Kennzeichen und Uhrzeit merken, zum Telefon greifen und das Vorkommen schildern.


URL dieses Artikels:
https://www.heise.de/-3569822

Links in diesem Artikel:
[1] https://www.ausgestrahlt.de/presse/uebersicht/strafanzeigen-wegen-strahlenbelastung-durch-zusatz/
[2] http://www.swp.de/heidenheim/lokales/kreisheidenheim/spalten-und-sparen-13881090.html
[3] http://www.wwf.de/2016/dezember/rudolphs-familie-in-gefahr/
[4] http://www.spektrum.de/news/schmutzige-ernte-in-der-tiefsee/1410894
[5] https://power-shift.de/pm-verbaende-fordern-stopp-des-tiefseebergbaus-kein-wettlauf-um-rohstoffe-auf-kosten-von-umweltschutz-und-menschenrechten/
[6] https://de.drive-now.com/
[7] https://www.sixtblog.de/pressemeldung/jahresbilanz-2015-drivenow-setzt-auf-nachhaltigkeit-innovation-und-expansion/
[8] https://www.heise.de/forum/Mac-i/News-Kommentare/DriveNow-App-erlaubt-schnellen-Mietwagenwechsel-ohne-Parken/Deswegen-rasen-die-DriveNow-Fahrer-so-ruecksichtslos/posting-29554333/show/
[9] http://politikvonunten.org/antidrivenowblog/2016/12/11/ueber-anti-drivenow-blog/#more-141
[10] http://www.erfahrungen24.eu/drivenow%E2%9C%85/