Mehrere Staatsanwaltschaften weisen Echelon-Strafanzeige gegen die Bundesregierung wegen fehlender Beweise ab
Die Münchener Staatsanwaltschaft geht von der "völkerrechtlichen Genehmigung" von Echelon aus
Letztes Jahr hatte bereits Ilka Schröder, grüne Abgeordnete des Europäischen Parlaments und Mitglied des nichtständigen Ausschusses für Echelon, Strafanzeige beim Generalbundesanwalt, bei der Staatsanwaltschaft Traunstein und der Staatsanwaltschaft Berlin Anzeige gegen unbekannte Tatverdächtige und die deutsche Bundesregierung wegen Betrieb und Tolerierung des Spionagesystems Echelon gestellt (Juristische Attacke gegen Echelon).
Der Vorwurf geht dahin, dass damit vertrauliche Kommunikation von Bürgern in großem Stil abgehört wird, was gegen die Datenschutzgesetze der EU verstößt. Darauf verweist auch der vorläufige Abschlussberichts des Ausschusses, der insbesondere Großbritannien und Deutschland bezichtigt, an dem Lauschsystem beteiligt zu sein bzw. Lauschstationen des Systems im eigenen Land zu dulden.
Auch die Stadtratsfraktion der grünen Liste in Erlangen hat aufgrund der Anzeige von Ilka Schröder selbst am 12.3.2001 dieselbe Strafanzeige noch einmal gestellt.
Die Generalbundesanwaltschaft in Karlsruhe antwortete in einem Brief vom 28.3., dass "von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens" abgesehen worden ist, weil für die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts keine begründeten Umstände genannt worden seien. In der Anzeige wurde die Zuständigkeit mit der Wirtschaftsspionage begründet, die die Betreiberstaaten mit dem Lauschsystem u.a. nach dem STOA-Bericht und in Telepolis veröffentlichten Artikeln von Duncan Campbell ausgeführt haben sollen. Die Generalbundesanwaltschaft entgegnete: "Dass im Zusammenhang mit dem von Ihnen vorgetragenen Verhalten unbekannter Tatverdächtiger Staatsgeheimnisse zur Kenntnis einer ausländischen Anmeldestelle gelangt sein könnten, vermag ich Ihrer Strafanzeige nicht zu entnehmen." Immerhin, so versichert man, werde man aber die NSA wegen geheimdienstlicher Aktivitäten im Auge behalten.
Die Staatsanwaltschaft Berlin antwortete, dass sie die Anzeige von der Staatsanwaltschaft Nürnberg-Fürth übernommen habe, aber das Verfahren gegen unbekannte Mitglieder Bundesregierung wegen strafbarer Beihilfe zur unbefugten Aufzeichnung von nichtöffentlich geführten Gesprächen ohne Aufnahme von Ermittlungen eingestellt wurde. Es würden dafür "zureichende tatsächliche Anhaltspunkte" fehlen, überdies müsste eine Beihilfe auch vorsätzlich geschehen, um strafbar zu sein.
Und die Staatsanwaltschaft München II verweist in ihrem Schreiben vom 15.5. darauf, dass sie den Sachverhalt schon einmal aufgrund der Anzeige von Ilka König untersucht habe. Abgelehnt wird ein Ermittlungsverfahren, weil keine tatsächlichen Anhaltspunkte vorliegen: "Bloße Vermutungen rechtfertigen es nicht, jemanden eine Tat zur Last zu legen. " Die Strafanzeige enthalte nur "allgemeine Behauptungen", sage aber nicht, welche Firma beispielsweise mit Echelon abgehört und welche Patent dabei an Konkurrenten verraten worden sei. Interessant aber ist die Einschätzung der Rechtmäßigkeit von Echelon: "Ferner ist davon auszugehen, dass die Tätigkeiten von Echelon von der Bundesregierung völkerrechtlich gestattet worden ist, so dass auch von diesem Aspekt aus ein rechtswidriges Handeln nicht erkennbar ist."
Auf eine kleine Anfrage des FDP-Bundestagsabgeordneten Hans-Joachim Otto an die Bundesregierung zu deren Wissen über Zusammenarbeit mehrerer englischsprachiger Länder beim globalen Lauschsystem Echelon hatte diese geantwortet, dass sie "über den gegenwärtigen Stand dieser Zusammenarbeit [...] keine genauen Erkenntnisse" habe, aber dass es eine solche "zu Zeiten der Ost-West-Konfrontation" unter dem namens Echelon gegeben hatte (Bundesregierung bestätigt Existenz von Echelon). Die Bundesregierung wisse auch nicht, ob die Privatsphäre von Bürgern oder die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft dadurch gefährdet sei. Die NSA-Station in Bad Aibling erfasse nur militärische Hochfrequenz- und Satellitenverkehre, nicht aber die private Telekommunikation. Deren Arbeit geschehe im Rahmen der NATO (Nato-Truppenstatut keine geeignete Rechtsgrundlage für Bad Aibling). Ein "missbräuchliches Vorgehen" gegen Deutschland sei ausgeschlossen, weil "unzulässig".
Die Frage also ist, was die Bundesregierung tatsächlich weiß, ob die "Tätigkeiten von Echelon", wie der Münchner Richter vermutet, doch völkerrechtlich genehmigt worden seien und welcher Art die damit genehmigten Tätigkeiten sind, ob Bad Aibling tatsächlich nur der militärischen Beobachtung dient oder nicht doch auch der Wirtschaftsspionage, wie Geheimdienstmitarbeiter selbst bekundet haben (Wie amerikanische Geheimdienste der heimischen Wirtschaft dienen, Warum wir unsere Alliierten ausspionieren) was aber nach dem vorläufigen Abschlussbericht des nichtständigen Ausschusses nicht belegt werden kann - aber natürlich auch, wie es denn die europäischen Staaten unter sich halten. Bislang sind nur Großbritannien und Deutschland in den Blick gerückt. Nach dem vorläufigen Abschlussbericht des nichtständigen Ausschusses werden Deutschland und England dazu aufgerufen, geheimdienstliche Aktivitäten der USA auf ihrem Gebiet von der Einhaltung des Europäischen Abkommens zum Schutz der Menschenrechte abhängig zu machen und dies auch zu überprüfen (Kein Gegenmittel gegen Echelon).
Bekannt ist, dass auch Frankreich ein globales Lauschsystem mit 30 Stationen betreibt (Spitzname: Frenchelon), an dem wiederum Deutschland bei den Stationen in Kourou und auf der Insel Mayotte im indischen Ozean teilweise beteiligt ist. Allerdings wird auch im vorläufigen Abschlussbericht auch darauf hingewiesen, dass neben Russland noch Frankreich mit den vom französischen Geheimdienst DGSE (Direction générale de la sûreté extérieure) betriebenen Stationen ein globales Lauschsystem besitzen könnte. Bislang gibt es überdies in Frankreich, ebenso wie in Griechenland, Irland, Luxemburg oder Spanien keine parlamentarische Kontrolle der Geheimdienste.