Meinungsfreiheit: Große Unterschiede zwischen den politischen Lagern
Wie sehr muss sie geschützt werden? Wie wichtig ist demgegenüber der Schutz vor Fehlinformationen und Beleidigungen: Der Trend in den USA und das Freiheitsgefühl der Deutschen
In den USA steht die Meinungsfreiheit ganz oben, sagt man. Doch gibt es einen Trend, der angesichts von Fake News, Hate-Speech und diskriminierenden Äußerungen für Beschränkungen plädiert. Laut dem US-Umfrageinstitut Pew Research Center zeigt sich ein wachsender Anteil von US-Bürgern über 18 Jahren damit einverstanden.
Wenn es um Fake News geht, so waren laut einer Umfrage, durchgeführt Ende Juli, Anfang August dieses Jahres, fast die Hälfte - 48 Prozent der Befragten (11.178 Erwachsene) - der Meinung, dass die Regierung Schritte unternehmen sollte, um Falschinformationen einzuschränken.
Das sei ein Anstieg um 39 Prozent im Vergleich zum Jahr 2018, die sich für Einschränkungen aussperchen, so das Pew Resarch Center. Der Trend zeigt sich auch am abnehmenden Anteil derjenigen, die sagen, dass "die Informationsfreiheit geschützt werden sollte - auch wenn dies bedeutet, dass einige Fehlinformationen online veröffentlicht werden". Er sank binnen drei Jahren von 58 Prozent auf 50 Prozent.
Die Spaltung
Was sich hier erneut abzeichnet, ist eine Spaltung. Diese wird noch deutlicher, wenn man die Einstellungen zu Eingriffen in die Meinungsfreiheit nach politischen Lagern aufschlüsselt. Das Umfrageinstitut nahm sich davor die nächstliegende Aufteilung vor - in Mitglieder, Sympathisanten oder Anhänger der Partei der Demokratischen Partei und der Partei der Republikaner. Es zeigt sich ein sehr großer Kontrast in den Einstellungen zur Meinungsfreiheit, der sich in den letzten drei Jahren verstärkt hat:
Vor drei Jahren waren etwa sechs von zehn Befragten in jedem Parteilager - 60 Prozent der Republikaner und der ihr nahestehenden Unabhängigen und 57 Prozent der Demokraten und der den Demokraten nahestehenden Personen - der Meinung, dass die Informationsfreiheit Vorrang vor staatlichen Maßnahmen zur Einschränkung falscher Informationen im Internet haben sollte.
Heute sind 70 Prozent der Republikaner der Meinung, dass diese Freiheiten geschützt werden sollten, auch wenn dies bedeutet, dass einige falsche Informationen veröffentlicht werden. Fast ebenso viele Demokraten (65 Prozent) sind hingegen der Meinung, dass die Regierung Maßnahmen zur Einschränkung von Falschinformationen ergreifen sollte, auch wenn dies eine Einschränkung der Informationsfreiheit bedeutet.
Pew Research Center
Nicht ganz so scharf, aber schon auch auffällig ist der Unterschied zwischen den beiden politischen Lagern, wenn es darum geht, ob Plattformen wie Facebook oder Twitter Schritte unternehmen sollten, um gegen Falschinformationen einzuschreiten.
Eine Mehrheit der Mitglieder oder Anhänger des republikanischen Lagers sind dagegen: 61 Prozent. Im Lager der Demokraten sind drei Viertel, 76 Prozent, dafür. 2018 seien der Unterschied in den Einstellungen beiden Lager nicht so ausgeprägt gewesen, allerdings hätten die Demokraten auch da schon mehrheitlich ein Eingreifen der Plattformen befürworten.
Insgesamt sprachen sich 59 Prozent der befragten US-Bürger über 18 Jahren für ein solches Eingreifen aus - und 39 Prozent dagegen. Die Zugehörigkeit zu einem politischen Lager spiele bei der Einstellung zu Restriktionen der Meinungsfreiheit eine dominantere Rolle als demografische Unterschiede, heißt es in der Präsentation der Umfrage. Weder das Alter noch der Bildungshintergrund spielen eine wichtige Rolle: "Die Amerikaner seien in fast allen Altersgruppen ziemlich gleichmäßig zwischen den beiden Ansichten aufgeteilt. Ähnliche Veränderungen sind beim Bildungshintergrund der Amerikaner zu beobachten."
Doch wird ein kleiner Unterschied hervorgehoben:
Frauen stehen der Idee, dass sowohl die Regierung als auch Technologieunternehmen Maßnahmen ergreifen, um falsche Informationen im Internet einzuschränken, immer noch aufgeschlossener gegenüber als Männer, obwohl beide Gruppen solche Schritte der Regierung inzwischen etwas mehr unterstützen.
Pew Research Center
Offensive Äußerungen und Beleidigungen
Geht es um offensive Äußerungen, Diskriminierungen, beleidigende und anstößige Inhalte, so spiegelt sich in den Antworten der befragten US-Amerikanerinnen und - Amerikaner eine ähnliche Lageraufteilung wider. Das Interessante an dieser Studie ist, dass sie nach "Empfindlichkeiten" fragt.
55 Prozent der Amerikaner gaben an, dass viele Menschen beleidigende Inhalte, die sie im Internet sehen, zu ernst nehmen, während ein kleinerer Anteil (42 Prozent) sagte, dass beleidigende Inhalte im Internet zu oft als "keine große Sache" (i. O. "not a big deal") entschuldigt werden.
Pew Research
Unter den Demokraten sind 60 Prozent der Meinung, dass beleidigende Inhalte zu oft damit entschuldigt würden, dass es da um keine große Sache gehe. Bei den Republikanern seien es dagegen nur 25 Prozent. Der Unterschied zeigt sich auch aus einer anderen Perspektive, mit einer anderen Fragestellung: "Während 72 Prozent der Republikaner der Meinung sind, dass viele Menschen beleidigende Inhalte, die sie im Internet sehen, zu ernst nehmen, sind etwa vier von zehn Demokraten (39 Prozent) derselben Meinung."
Deutschland: Nur mehr 36 Prozent fühlen sich frei
Zum Aspekt, ob Leserinnen und Leser "sich zu leicht beleidigt fühlen", steuert das US-Umfrageinstitut noch Ergebnisse aus einer Studie vom Herbst 2020 bei, die auch eine Befragung in aus Deutschland einschließt. Demnach würde der Kontrast zwischen den Lagern in Deutschland nicht so deutlich ausfallen wie in den USA:
Etwa zwei Drittel der Amerikaner auf der ideologischen Linken (65 Prozent) sind der Meinung, dass man darauf achten sollte, andere nicht zu beleidigen, verglichen mit etwa jedem Vierten auf der ideologischen Rechten - ein Unterschied von 42 Prozentpunkten. Im Vereinigten Königreich betrug der Unterschied zwischen links und rechts 17 Punkte und in Deutschland 15 Punkte.
Pew Research Institute
In Deutschland gaben 45 Prozent (gegenüber 57 Prozent in den USA) der im Herbst letzten Jahres Befragten an, dass ihrer Meinung nach, Leute gegenwärtig zu schnell davon beleidigt seien, was andere sagen. 53 Prozent der Deutschen äußerten die Auffassung, dass man sich vorsichtiger ausdrücken sollte, um andere nicht zu verletzen. In den USA waren dies 40 Prozent.
Bei ntv wird heute "exklusiv und vorab" über eine Umfrage zum "Freiheitsindex 2021" berichtet. Dieser zufolge fühlen sich nur mehr 36 Prozent "frei". 2017 hätten sich dagegen noch 51 Prozent frei gefühlt.
Die Studie, durchgeführt vom Institut für Demoskopie Allensbach (IfD), fragt laut ntv-Bericht außer dem subjektiven Freiheitsgefühl auch nach der "empfundenen Möglichkeit zur freien Meinungsäußerung".
"Haben Sie das Gefühl, dass man heute in Deutschland seine politische Meinung frei sagen kann, oder ist es besser, vorsichtig zu sein?" ermittelt die Studie einen Abwärtstrend. Man könne frei reden, sagen 45 Prozent der Befragten. Das ist der bisher niedrigste Wert seit der ersten Durchführung der Studie vor 31 Jahren. 2017 waren es 63 Prozent. Dieser Wert sinkt bereits seit drei Jahrzehnten stetig. 44 Prozent sagen, es sei besser, vorsichtig zu sein. 2017 lag dieser Wert bei 25 Prozent.
ntv
In einer frei zugänglichen Umfragedokumention des Instituts für Demoskopie Allensbach (IfD) vom Juni 2021, betitelt mit "Die Mehrheit fühlt sich gegängelt" erfährt man ähnliche Zahlenwerte, die Teilnehmerzahl betrug knapp über 1.000:
Gerade noch 45 Prozent, man könne seine Meinung frei sagen, praktisch gleich viele, 44 Prozent, widersprachen. Dabei fällt auf, wie unterschiedlich stark die Anhänger der verschiedenen Parteien den Eindruck haben, sie könnten ihre Meinung nicht frei äußern. Unter den AfD-Anhängern waren 62 Prozent dieser Ansicht, aber auch die Anhänger der FDP und der Linken meinten mehrheitlich, man müsse bei seinen Meinungsäußerungen vorsichtig sein.
Anhänger der SPD zeigten sich in dieser Hinsicht gespalten, die der CDU/CSU fühlten sich in ihrer Meinungsäußerung etwas überdurchschnittlich häufig frei. Mit Abstand am wenigsten Meinungsklimadruck empfanden die Grünen-Anhänger.
Dokumentation Institut für Demoskopie Allensbach