Merkel: Vorläufiger Abschiebestopp nach Afghanistan
Seite 2: Die Nürnberger Abschiebung
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Die Tumulte bei einer polizeilichen Aktion zur Abschiebung eines Afghanen aus einer Nürnberger Berufsschule machten jedenfalls am Donnerstag deutschlandweit Schlagzeilen, die in Berlin und in München ganz sicher zur Kenntnis genommen wurden.
Die Story fügt sich bei der ersten Betrachtung in das oben angedeutete Schema und weckt entsprechende Gefühle: Polizisten holen einen jungen Afghanen aus einer Berufsschule ab, der laut Spiegel-Informationen im Herbst "eine Ausbildung als Schreiner" beginnen sollte: Ein gut integrierter Flüchtling aus Afghanistan wird von der Polizei aus dem Klassenzimmer abgeholt, um ins Land der Bombenanschläge und der Taliban abgeschoben zu werden.
Hört man dem zu, was der Regierungspräsident von Mittelfranken und Leiter der zuständigen zentralen Ausländerbehörde des Regierungsbezirks, Thomas Bauer (CSU), bei einer Pressekonferenz (der Link dazu hat leider mittlerweile die Konferenz nicht mehr im Angebot) im Polizeipräsidium Nürnberg mitteilte, so gibt es noch ein anderes Bild. Bauer sprach davon, dass der nach dessen eigenen Angaben am 1. Dezember 2012 eingereiste Afghane seit Oktober 2013 einen "bestandskräftigen Bescheid zu Abschiebung" hatte, da sein Asylgesuch abgelehnt worden war. Er gab an, ohne Pass und Visum eingereist zu sein.
Leiter der Ausländerbehörde spricht von "Täuschungsversuchen"
Seit dreieinhalb Jahren sei der junge Mann ausreisepflichtig gewesen, acht Mal habe man ihn gebeten, einen Pass vorzulegen, im März 2016 sei man beim Generalkonsulat vorstellig gewesen, um einen Pass zu beantragen, der junge Mann habe sich aber geweigert, dies zu akzeptieren. "Als Herr N. dann im April gemerkt hat, dass es ernst wird mit der Abschiebung, brachte er eine Kopie eines Reisepasses", so Bauer. Der Pass habe das Ausstellungsdatum 2007 getragen. Für Bauer ist dies ein Hinweis darauf, dass der Afghane die Behörden schon länger getäuscht habe.
Dass er nicht besonders kooperativ war, machte Bauer noch am Auftritt bei einer ärztlichen Untersuchung fest, im November 2016, bei welcher der junge Mann die Bescheinigung zerrissen haben soll. Man kann hier miteinbeziehen, dass der Afghane einen starken Willen hatte, in Deutschland zu bleiben, und dass Behörden ihr eigenes Interesse an einer bestimmten Darstellung eines Falles haben, der sie bereits in Erklärungsnot gebracht hat.
Offenbar wird aber auch, dass die Geschichte des Mannes Aspekte hat, die mit dem Recht kollidieren. "Ausländerrechtlich sei er ein Straftäter gewesen", so Bauer. Der Spiegel fügt dem hinzu dies so: "Das passt wenig zu dem Bild, das andere von dem jungen Mann zeichnen: Aus seinem Umfeld heißt es, er spreche gut Deutsch, sei bestens integriert, fleißig, ehrgeizig, freundlich." Allerdings kann man auch solchen Aussagen, die gegenüber Medien getätigt werden, nur beschränkt Gewicht beimessen, da Nachrichtenleser an Extrembeispielen lernen mussten, wie sich Nachbarn und Bekannte täuschen können.
Aber genau dafür gibt es Richter, die für eine sachgemäße Beurteillung des Einzelfalls zuständig sind: Das Gericht, das über die Verhängung einer Abschiebehaft zu urteilen hatte, sprach sich im vorliegenden Fall gegen die Haft aus. Sie sei unangemessen.
Aus der Hitze ein Gefallen für Hermann
Inwieweit der Polizeieinsatz und der Einsatz von zunächst Schülern und dann später Hinzugekommenen, die den Abtransport des jungen Afghanen durch die Polizei verhindern wollten, "angemessen" war, ist noch immer Gegenstand hitziger Diskussionen ( Behörden rechtfertigen Vorgehen, Polizeieinsatz eskaliert: Jetzt sprechen die Schüler). Auch die von Körper- Knüppel und Pfefferspray geprägten Auseinandersetzungen vor der Schule verliefen nicht zimperlich. Der Innenminister sprach gestern davon, dass gewaltbereite Linksautonome herbeigerufen worden waren. Laut Polizei wurde die Nachricht vom Polizeieinsatz an der Berufsschule sehr rasch über soziale Netzwerke verbreitet.
Der junge Afghane gab in der "Hitze der Auseinandersetzungen" dem bayerischen Innenminister noch ein Zitat mit, das dieser gut verwenden kann. Es ist eine ausgemachte Drohung in Zeiten von Terroranschlägen: "Während seines Abtransportes soll er gerufen haben: 'In einem Monat bin ich wieder hier und bringe Deutsche um.' Mehrere Polizisten bestätigten die Drohung". Wer sich so äußere, habe jegliche Aussicht auf Duldung selbst verspielt", gab Hermann an die Presse weiter.