Merz macht mobil: Wie der CDU-Chef Deutschlands Töchter für die Armee verpflichten will
Weder Rechtslage noch Wehrerfassungsstrukturen lassen momentan Wehrpflicht für Frauen zu. Wie denkt die Bevölkerung nach Alter und Geschlecht?
Noch ist es freiwillig: Seit einigen Jahren versucht die Bundeswehr, am "Girls’ Day" gezielt Mädchen anzusprechen, die sich an diesem jährlichen Aktionstag allgemein über Berufe informieren können, in denen Frauen bisher unterrepräsentiert sind.
Neben dem Militär laden Unternehmen dazu ein, technische, naturwissenschaftliche und bestimmte Handwerksberufe kennenzulernen, gefördert von den Bundesministerien für Bildung und Forschung sowie Familie, Senioren, Frauen und Sport.
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Nach Angaben der Bundeswehr sind rund 13 Prozent ihrer mehr als 182.000 militärischen Angehörigen Frauen. Etwa 24.000 Soldatinnen zählt sie damit. Dass die Bundeswehr gezielt Minderjährige umwirbt und bereits 17-Jährige rekrutieren darf, kritisiert die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) unabhängig vom Geschlecht.
Frauen an der Waffe: Was dazu im Grundgesetz steht
Seit Anfang 2001 stehen Frauen, die sich freiwillig melden, grundsätzlich alle militärischen Laufbahnen offen. Dafür war im Vorjahr bereits das Grundgesetz geändert worden: Über Frauen war zuvor in Artikel 12a zu lesen, sie dürften "auf keinen Fall Dienst mit der Waffe leisten". Heute heißt es an gleicher Stelle: "Sie dürfen auf keinen Fall zum Dienst mit der Waffe verpflichtet werden."
Somit mussten sie auch keinen Ersatzdienst leisten, anders als junge Männer, die den Grundwehrdienst verweigerten, bis zur Aussetzung der Wehrpflicht 2011.
Keine Wehrpflicht für Frauen ohne Zwei-Drittel-Mehrheit
Könnte CDU-Chef Friedrich Merz demnächst als Kanzler darüber entscheiden, hätte die Bundeswehr es bald nicht mehr nötig, um Mädchen zu werben, denn er strebt eine weitere Grundgesetzänderung an, um sie ihr zuzuführen – dafür würde allerdings keine einfache Mehrheit im Bundestag reichen. Zwei Drittel der Abgeordneten müssten dafür stimmen. Der CDU-Chef gibt sich diesbezüglich optimistisch.
In der ARD-Talkshow von Caren Miosga erläuterte Merz am Sonntagabend seinen Plan für eine allgemeine Dienstpflicht. "Das kann man nicht über Nacht machen", räumte er ein. "Wir sprechen über 700.000 junge Leute pro Jahr, die wir erfassen müssen und die wir auch entsprechend zum Beispiel für den Wehrdienst mustern müssen." Dies werde junge Frauen ebenso betreffen, unterstrich Merz. "Dazu müssten wir das Grundgesetz ändern."
Betroffene Altersgruppe hält am wenigsten vom Wehrdienst
Die allgemeine Wehrpflicht für junge Männer ist seit 2011 ausgesetzt, aber nicht aufgehoben. Im "Spannungs- oder Verteidigungsfall" können Männer vom vollendeten 18. Lebensjahr bis zum vollendeten 60. Lebensjahr eingezogen werden. 61 Prozent der Männer im Alter unter 50 Jahren würden zur Deutschland mit der Waffe in der Hand verteidigen, falls es militärisch angegriffen wird.
Dies ergab jedenfalls die jährliche Bevölkerungsbefragung des Zentrums für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) in Potsdam. Bei Frauen fiel demnach die Wehrbereitschaft mit 21 Prozent deutlich geringer aus. "Sollte ein neuer Wehrdienst eingeführt werden, so sind 54 Prozent der Männer und 44 Prozent der Frauen der Auffassung, dieser sollte für junge Männer und Frauen gleichermaßen gelten", teilte das Institut zu Wochenbeginn mit.
Knapp die Hälfte aller Befragten (49 Prozent) befürwortet demnach einen Wehrdienst im Rahmen einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Erwachsene. In der betroffenen Altersgruppe der 16- bis 29-Jährigen tun dies allerdings nur 37 Prozent.
Auch in anderen Umfragen hingen Antworten zu diesem Thema teils stark von Alter und Geschlecht der Befragten ab: Ältere sind eher für eine allgemeine Wehr- beziehungsweise Dienstpflicht als Jüngere; und Männer sind häufiger für die Einführung der Wehrpflicht für Frauen als die Frauen selbst.
Merz-Vorhaben kann Lebensplanung junger Mädchen betreffen
Merz, dessen Partei in den Wahlumfragen zurzeit stärkste Kraft ist, geht davon aus, dass die Umsetzung seines Vorhabens noch einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Zunächst unterstützt er das Vorhaben von Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD), alle 18-Jährigen anzuschreiben und sie aufzufordern, einen Personalbogen auszufüllen.
Nach dieser Abfrage müsste man die Dienstpflicht "sukzessive wieder aufbauen", denn aktuell gebe es noch nicht die Strukturen dafür, sagte Merz bei Miosga. Die Lebensplanung von Mädchen, die jetzt im Teenager-Alter sind, kann dies aber noch betreffen.
Wie denken die Parteien über eine neue Wehrpflicht?
Ob eine Zwei-Drittel-Mehrheit für Merz’ Vorhaben zustande kommt, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Parteien im Februar wieder in den Bundestag einziehen.
Die Linke und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) würden wahrscheinlich geschlossen dagegen stimmen – beide Parteien lagen aber in einer am Diensttag veröffentlichten Forsa-Umfrage nur bei jeweils vier Prozent. In anderen Umfragen der letzten Wochen hatte das BSW bis zu acht Prozent erreicht, Die Linke zwischen zwei und vier Prozent.
Bei der AfD, die in Umfragen zuletzt 17 bis 19 Prozent erreichte, wird unterdessen über das Thema Wehrpflicht gestritten: Die Forderung nach der Wiedereinsetzung der bestehenden Wehrpflicht wurde zwar auf Betreiben von Ko-Parteichef Tino Chrupalla aus dem Wahlprogramm gestrichen, intern soll sich aber deshalb Unmut breitgemacht haben. In der Vergangenheit waren AfD-Politiker aktiv dafür und wollten junge Frauen zumindest zum Sanitätsdienst verpflichten.
Die Grünen (derzeit bei rund zwölf Prozent) wollen dem Vernehmen nach den freiwilligen Wehrdienst attraktiver gestalten. Deren sicherheitspolitische Sprecherin Sara Nanni hält aber "gewisse Pflichtanteile" bei einem neuen Modell für zumutbar – etwa, dass 18-Jährige verpflichtet würden, auf ein Schreiben der Bundeswehr zu antworten, stellte sie gegenüber dem Deutschlandfunk klar.