Mikroplastik wird zum Nährboden für giftige Pilze
Erst poppig und hygienisch, dann eklig: Kunststoffe wandeln sie sich immer mehr zum Problem für unsere Gesundheit
Ob im Boden oder in der Luft, in entlegenen Bergseen oder in den Tiefen der Ozeane, in der Arktis oder in den heißen Klimazonen - Mikroplastik findet man inzwischen überall, auch in unserem Essen. Jeder Mensch nimmt im Durchschnitt fünf Gramm davon in der Woche zu sich - das Gewicht einer Kreditkarte.
Wie diese kleinen Plastikteilchen auf die Gesundheit des Menschen wirken, ist noch nicht abschließend geklärt - es fehlen noch entsprechende Daten. Das Bundesamt für Risikobewertung (BfR) berichtete vor zwei Jahren, zumindest von Polysterolteilchen scheine keine Gefahr für die Darmgesundheit des Menschen auszugehen. Das hätten Experimente mit Mäusen und menschlichen Darmzellen ergeben. Für andere Kunststoffe gelte dieser Befund aber nicht.
Viele Fragen sind in diesem Zusammenhang noch offen: Wie wirken die Zusatzstoffe, die den Kunststoffen ihre besonderen Eigenschaften geben? In welchem Ausmaß können diese Teilchen Schadstoffe aus der Umwelt binden? Oder in welchem Maße können gesundheitsgefährdende Mikroorganismen auf der Oberfläche dieser Partikel gedeihen?
Die Wissenschaft ist nun einen Schritt vorangekommen: Eine aktuelle Studie der Universität Bayreuth zeigt, dass zahlreiche krankheitserregende Pilzarten auf den Plastikteilchen sprießen. "Wir haben auf den Mikroplastik-Partikeln alle Stadien pilzlicher Biofilmbildung beobachten können", sagte Gerasimos Gkoutselis, Erstautor der Studie. Die Untersuchung habe gezeigt, "dass Mikroplastik im Boden flächendeckend von Pilzen besiedelt ist" und dass krankheitserregende Pilze auf diese Weise im Boden angereichert würden. "Unsere Studie rechtfertigt daher die Feststellung, dass Mikroplastik im Boden eine mögliche Quelle für Pilzinfektionen darstellt", so Gkoutselis.
"Zahlreiche krankheitserregende Pilzgruppen"
Untersucht wurden Bodenproben aus Siaya, einer Stadt im Westen Kenias. Sie wurden auf einem Marktplatz entnommen, in einem Innenhof, vom Straßenrand und bei einer Abfalldeponie. "Dass wir in den Bodenproben aus Kenia zahlreiche krankheitserregende Pilzgruppen entdeckt haben, ist ein deutliches Indiz für die Dringlichkeit des Problems in tropischen Regionen im Allgemeinen, zumal hier die Rate der Pilzinfektionen bereits heute schon hoch ist", erklärte Gerhard Rambold, Professor an der Universität Bayreuth und Leiter der Abteilung Mykologie. Es sei dringend geboten, zu verhindern, dass weiterhin Plastikmüll in die Umwelt eingetragen werde.
Mikroplastik wird auch für heimische Böden zu einem immer größeren Problem. Man gehe davon aus, dass sie deutlich stärker mit kleinen Plastikteilchen verschmutzt sind als die Meere, heißt es unter anderem beim Thünen-Institut. Rund 13.000 davon lassen sich in einem Kilogramm Erde finden - und dabei macht es kaum einen Unterschied, ob die Bodenproben in den westlichen Industriestaaten oder in sogenannten Entwicklungsländern entnommen wurden.
Vor allem das Ausbringen von Klärschlämmen trägt dazu bei, dass Mikroplastik auf die Ackerböden gelangt. Bis vor einigen Jahren galten diese auch in Deutschland noch als Düngemittel, heute werden sie dagegen vor allem verbrannt. In ihnen sammeln sich Schwermetalle, Rückstände von Arzneimittel und eben Plastikteilchen. Etwa 95 Prozent der Plastikteilchen werden in den Klärwerken zurückgehalten und setzen sich im Klärschlamm ab.
Superspreader: fabrikneue Sport- und Outdoor-Textilien aus Polyester
Unter anderem durch das Wäschewaschen gelangen Kunststoffe in das Abwasser. Wissenschaftler der Hochschule Niederrhein hatten in einem dreijährigen Projekt untersucht, wie stark diese Fasern beim Waschen in das Abwasser gelangen. Die Ergebnisse wurden im März vorgestellt.
Über 1.000 Mal haben die Wissenschaftler Sport- und Outdoor-Textilien gewaschen, die zu 100 Prozent Polyesterfasern bestanden. "Die mit Abstand höchsten Emissionen treten in den ersten drei Wäschen eines Textils auf", betonten Jens Meyer und Stefan Brandt vom Forschungsinstitut Textil und Bekleidung der Hochschule Niederrhein. Bis zu 850 Milligramm fasriger Mikroplastik pro Kilogramm Textil seien über die Anzahl von zehn Wäschen in das Abwasser gelangt. Wäschewaschen ist nur eine alltägliche Quelle von Mikroplastik, der Straßenverkehr, die Industrie und Plastiktüten und -gegenstände, Kosmetika und Duschgels sind weitere. Prognosen gehen davon aus, dass sich bis zum Jahr 2050 rund 12 Milliarden Tonnen Plastikmüll in der Umwelt anreichern. Die Auswirkungen sind noch nicht absehbar.
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