Mikrowellen führen gebundenes Elektron und speichern so mehrere Bits
Atomphysik: Korrespondenzprinzip der Quantenmechanik an hoch angeregten Lithium-Atomen demonstriert
Rutherfords anschauliches Planetenmodell des Atoms sagt im Grenzfall sehr großer Bahnradien die Frequenz des abgestrahlten Lichts, die der Umlauffrequenz des Elektrons entspricht, letztlich korrekt voraus; genauer gesagt, entspricht sie den Abständen benachbarter Energieniveaus laut Bohrschem Atommodell. Wie amerikanische Experimentatoren herausfanden, lässt sich ein Valenzelektron mit einem Mikrowellenimpuls einer Frequenz, die der Umlauffrequenz entspricht, führen und durch eine Variation der Strahlungsfrequenz sogar auf höhere oder niedrigere Orbitale zwingen. Eine potentielle Anwendung wäre ein Datenspeicher, der wesentlich mehr als ein Bit pro Atom fasst – aber wohl erst im übernächsten Jahrzehnt.
Seit der Entwicklung der Quantenmechanik Mitte der 20er Jahre ist das Rutherfordsche Atommodell nur noch von historischem Interesse. Wie die Quantenmechanik zeigt, führt die anschauliche Vorstellung dieses Planetenmodells für ein Wasserstoffatom im Grundzustand zu einer qualitativ unzutreffenden Voraussage: Das Elektron schwirrt – entgegen dem Planetenmodell – gar nicht um den Kern herum, sein Bahndrehimpuls verschwindet vielmehr, das Elektron schwingt sogar durch den Kern hindurch.
Für große Bahnradien und somit für große Hauptquantenzahlen n wird die Sache jedoch sehr wohl anschaulich: Fällt das Elektron in das nächste niedrigere Orbital, so strahlt es Licht ab, dessen Frequenz gleich der des Bahnumlaufs laut Rutherfordschem Planetenmodell ist. Kurz gesagt: das Elektron verhält sich wie eine Antenne.
Anschauung führt auf den Holzweg
Dieser Sachverhalt nennt sich Korrespondenzprinzip: Die Quantenmechanik muss im Grenzfall sehr großer Bahnradien die klassische Mechanik reproduzieren. Atome mit einem Elektron in einem Orbital sehr großer Hauptquantenzahl weit über 10, also sehr großem Bahnradius, heißen Rydberg-Atome, das Elektron ist in diesem Fall sehr hoch angeregt, also fast bis an die Ionisationsgrenze.
Forscher der Universität von Virginia in amerikanischen Charlottesville gingen einen Schritt weiter: Sie packten mit einem gezirpten Mikrowellenimpuls einer Dauer von 500 Nanosekunden an Valenzelektronen von Lithium-Atomen an und zogen es so auf ein niedriges oder ein höheres Orbital.
Normalerweise regen Spektroskopiker Elektronenübergänge hingegen mit monochromatischen Licht an. Die Frequenz des Mikrowellenimpulses variierte zwischen 13 und 19 GHz. Mittels eines Farbstofflasers regten sie das Valenzelektron des Alkali-Atoms vorher auf ein Orbital nahe der Ionisationsschwelle an.
Die Umlauffrequenz ändert sich entsprechend der zwischen Anfang und Ende des Pulses variierten Mikrowellenfrequenz. Den Frequenzen 13 und 19 Gigahertz entsprechen Orbitale mit den Hauptquantenzahlen n=79 beziehungsweise 70, im Grundzustand des Lithium-Valenzelektrons ist n gleich 2. Nachweisen lassen sich die angeregten Elektronen mittels Feldionisation, ein Effekt, der vom Tunneln herrührt. Je niedriger die Bindungsenergie, desto kleiner die mindestens erforderliche elektrische Feldstärke. Die amerikanischen Forscher berichteten ihre Ergebnisse in der Online-Ausgabe der Zeitschrift Science am 10. Februar 2005.
Datenverarbeitung als denkbare, künftige Anwendung
Als potentielle Anwendung der Rydberg-Atome nennen die Autoren die Datenverarbeitung. Laut Brockhaus-Lexikon, Ausgabe 2002, ließen sich theoretisch viele Bits, jedenfalls mindestens ein Byte, mit einem einzigen Atom hoher Ordnungszahl speichern, die Information trügen dann mehrere hoch angeregte Elektronen, wobei die Daten als elektronische Energieniveaus zu codieren wären. Das ist jedoch Science-Fiction.