Mikrowellenwaffe für den Irak
Der nun zum Krieg auswachsende Konflikt im Irak wird vom Pentagon auch zum Testfeld neuer Waffensysteme benutzt, auch von nichttödlichen Waffen für den Stadtkampf
Der Einmarsch in den Irak und die Besetzung des Landes erfolgte schnell und relativ problemlos. Die zuvor gefürchteten Stadtkämpfe blieben aus, die Streitkräfte des Husein-Regimes zogen es meist vor, sich aufzulösen. Doch der Sieg im Blitzkrieg löste die Hoffnung des US-Präsidenten Bush nicht ein, der bereits im Mai des letzten Jahres "Mission Accomplished" verkündete. Nun müssen die Koalitionstruppen mit dem von der Bush-Regierung nicht vorausgesehenen asymmetrischen Konflikten in Form von Terroranschlägen, einer Vielzahl von Guerilla-Gruppen und Kämpfen in Städten zurecht kommen. Zur Herstellung der Sicherheit sind, wie sich gezeigt hat, die traditionellen militärischen Vorgehensweisen und überlegene militärische Waffensysteme nicht geeignet. Daher versucht man im Pentagon, neue Strategien und Waffen zu finden, um die Aufständischen bekämpfen und Zivilisten dabei schonen zu können.
Vizeadmiral Arthur K. Cebrowski, der das Office of Force Transformation des Pentagon leitet, sprach kürzlich auf einer Konferenz davon, dass in den gegenwärtigen und künftigen Kriegen mit ihren unzusammenhängenden Kampfgebieten die Gewinnung der "social intelligence" wichtiger als die "military intelligence" ist. Noch immer agieren die Truppen in Afghanistan und im Irak meist isoliert, haben wenig Kenntnis von den Aufständischen und Terroristen, ergreifen oft die Falschen, weil sie irreführende Tipps erhalten, und haben es so auch durch Folter und Misshandlungen nicht erreicht, Zugang zu Informationen zu erhalten. Man müsse, so Cebrowski, eine "Umarmungsstrategie" entwickeln und mit den Feinden in Verbindung stehen, um die Informationen der "social intelligence" zu erhalten.
Eine konkretere Neurorientierung ist die Schaffung von kleineren Einheiten, die mit Kommunikationsmitteln und einer Mischung aus "tödlichen und nichttödlichen, aktiven und passiven Waffen" ausgerüstet werden sollen. Es geht dabei eher um Polizei-, als um Militäreinsätze. So wird etwa, wie Cebrowski sagt, nächstes Jahr das "Project Sheriff" im Irak gestartet, das mit Fahrzeugen für den Einsatz in Städten experimentiert. Wichtig aber sei auch, neben der Ausstattung mit neuen Waffen Informationen, die immer schneller und in riesigen Mengen gesammelt werden, automatisch zu verarbeiten und zu analysieren.
Über die normalen nichttödlichen Waffen wie Tränengas, Pfefferspray, Gummigeschosse, Blend- und Knallgranaten, Elektroschockwaffen wie Taser verfügt das Militär natürlich schon länger. Seit den 90er Jahren gibt es auch das Joint Non-Lethal Weapons Directorate, das für die Entwicklung neuer Waffensysteme zuständig ist. Betrachtet man das Gesamtbudget des Pentagon, so legen die 44 Millionen US-Dollar, die das JNLWD 2004 erhalten hat, Zeugnis dafür ab, dass die Entwicklung von nichttödlichen Waffen nicht gerade als wichtig erachtet wird - oder wurde. Auch bis 2009 soll bislang das Budget nur leicht auf 60 Millionen wachsen. Man setzt, wie auch gegenwärtig im Irak zu sehen, lieber weiterhin auf überwältigende tödliche und zerstörerische Gewalt.
In Vorbereitung ist ein ganzes Arsenal an mehr oder weniger exotischen Systemen von Mikrowellen- und anderen Hochenergiewaffen wie "Abstandswaffen" mit Plasma- oder Ultraviolettstrahlen ("Blitzkrieg" mit elektrischen Massenbetäubungswaffen) über Laserwaffen und akustische Waffen bis hin zu biologischen und chemischen Waffen. Beispielsweise werden auch Stinkbomben entwickelt (Stinkbomben als Waffe).
Im unübersichtlichen Gebiet des urbanen Kriegs, in dem sich die Gegner unter Zivilisten mischen und schnell untertauchen können, versprechen nichttödliche Waffen eine sichere Kontrolle von Menschenmengen und eine Minimierung der Opfer unter den Zivilisten. "Kollateralschäden", wie sie im Stadtkampf - siehe Irak - kaum zu vermeiden sind, wenn schwere Waffen eingesetzt werden oder wild um sich geschossen wird, schüren den Widerstand. Ein militärischer "Sieg" kann sich daher schnell rächen. Daher die Hoffnung auf die Wunderwaffen, die den Krieg sicher machen sollen, weil sie die eigenen Kämpfer schützen und den Gegner nur vorübergehend lahm setzen oder ihn vertreiben sollen.
Allerdings darf angenommen werden, dass angebliche nichttödliche Waffen dafür um so schneller und um so häufiger eingesetzt werden, weil ja nicht viel passieren kann. "Weiche" Waffen dürften Sicherheitskräfte und Soldaten auch nur gegenüber unbewaffneten Menschen oder Zivilisten einsetzen, was auch nicht unbedingt konfliktmindernde Wirkungen haben könnte, wenn sie nun häufiger angegriffen werden, auch wenn nur Schmerzen, aber keine Verletzungen die Folgen sind. Zudem können nichttödliche Waffen nicht nur zur Abwehr von Gegnern oder zum Aufhalten bzw. Zerstreuen von Menschenmengen eingesetzt werden, sondern auch zur Folter, wie dies beispielsweise mit Elektroschockgeraten geschieht. Und natürlich können Waffen auch von Feinden oder Kriminellen für ihre Zwecke eingesetzt werden.
Auch nichttödliche Waffen sind keine Wundermittel
Im Irak wird beispielsweise der M26 Taser und neuerdings auch XM26E Taser eingesetzt, die beide durch Schock und durch Einwirkung des Stromschlags mit 26 Watt auf die Muskeln einen Menschen kurzzeitig bewegungsunfähig machen. Allerdings wirkt der Taser nur bis zu einer Entfernung von sieben Metern, kann aber auch mit einer Videokamera verbunden und automatisch oder aus der Ferne ausgelöst werden. Überdies wird im Irak noch der X-Rail Taser verwendet, der leichter und kleiner und am Gewehr angebracht ist, so dass die Wahl besteht, ob scharf oder weich geschossen wird und die Waffe nicht gewechselt werden muss.
Im Rahmen von "Project Sheriff" werden einige Militärfahrzeuge mit einer Strahlenwaffe ausgestattet, die eigentlich erst 2009 einsatzbereit sein sollte. Die Probleme im Irak haben anscheinend die Realisierung beschleunigt, zudem dient der Irak seit Beginn des Krieges auch als Testfeld für neue Waffensysteme - auch wenn der Einsatz nur in PsyOp-Strategien angedroht wird (Schon wieder eine neue "Wunderwaffe"). Die Rede war bereits zu Beginn dieses Jahres davon, dass neben der Lärmwaffe Long Range Acoustic Device (LRAD) auch das Active Denial System (ADS) im Irak zum Einsatz kommen soll (Testfeld für neue nichttödliche Abstandswaffen). Vor kurzem erläuterte die Zeitschrift Stars and Stripes die Absichten des Office of Force Transformation näher. Danach sollen, wenn denn die US-Truppen dann noch immer im Irak stationiert sein werden, vier bis sechs mit dem ADS ausgerüstete Fahrzeuge im Irak für Patrouillen, Checkpoints oder Abwehr bzw, Auflösung von Menschenmengen eingesetzt werden.
Das für den Irak bestimmte "Vehicle Mounted Active Denial System", das bereits seit über 10 Jahren entwickelt wird, setzt elektromagnetische Energie in Form von Wellen in der Länge von einem Millimeter ein, um Feinde bereits in einer Entfernung zu stoppen, aus der sie mit Handfeuerwaffen noch nicht gefährlich werden können. Abgefeuert wird ein konzentrierter Energiestrahl mit einer Frequenz von 95Ghz, der angeblich nur ein 1/64 Inch (ungefähr 0,4 Millimeter) in die Haut eindringen soll. Nachdem der Strahl ein paar Sekunden auf einen Menschen gerichtet ist, erhitzt sich innerhalb von Sekunden die Hautoberfläche auf 50 Grad Celsius, so dass die Schmerzen unerträglich werden.
Der Schmerz, den der Energiestrahl bewirkt, sei vergleichbar mit dem Schmerz, der entsteht, wenn man kurz eine heiße Glühbirne anlangt, beruhigt George Fenton, der Direktor des Joint Non-Lethal Weapons Program. Und ähnlich wie der Schmerz dazu führt, dass man seine Finger von der Glühbirne wegnimmt, um Verbrennungen zu vermeiden, würden die vom Energiestrahl Angezielten möglichst schnell aus der Schusslinie gehen. Tests an Menschen und Tieren sind bereits vorgenommen worden (The Pentagons's People Zapper). Angeblich würden keine Schäden entstehen, weil die Strahlen dafür nicht weit genug in die Haut eindringen.
Ob die Waffe aber tatsächlich so ungefährlich ist, wie das Pentagon behauptet, wird sich herausstellen müssen. Fraglich ist auch, ob ADS tatsächlich zur Auflösung von Menschenmengen geeignet ist, da jeweils nur eine Person angezielt werden kann. Überdies könnten Aufständische, Demonstranten oder unerwünschte Zivilisten sich auch gegen die Strahlenwaffe wappnen, indem sie sich dick anziehen oder reflektierende Gegenstände mit sich führen. Sollte der Strahl in das ungeschützte Auge gehen, so sind vermutlich Schädigungen zu erwarten. Und wenn sich die anvisierte Person nicht aus dem Strahl wegbewegen kann oder weiterhin angezielt wird, würden wahrscheinlich, wie Kritiker sagen, doch auch Verbrennungen verursacht werden können. Beim Air Force Lab, das ADS gestestet hat, spricht man davon, dass keine Testperson den Schmerz durch die Strahlen länger als drei Sekunden ausgehalten habe. Um Verbrennungen zu verursachen, müsste die Person angeblich mehrere Minuten den Mikrowellen ausgesetzt sein.