Milliardengeschäft Krieg: Söldner und Sicherheitsdienste im Aufschwung
Bundeswehrsoldaten. Bild: Ryan Nash Photography / Shutterstock.com
Der Milliardenmarkt für private Militärfirmen wächst. Söldner für professionellen Schutz verdienen viel mehr als etwa in der Bundeswehr. Doch die Karriere ist gefährlich.
Die lästige Schuldenbremse ist vom Tisch, denn "Geld in die Hand nehmen" ist bei den meisten Politikern beliebt. Die sehr speziellen Umstände, unter denen der Bundestag am 18. März diese Änderung des Grundgesetzes beschlossen hat, werden noch länger die Debatten und die parlamentarischen Umgangsformen bestimmen.
Die deutliche Zweidrittelmehrheit wurde aus unterschiedlichen Motiven bei den Abgeordneten erreicht. Neben deren parteipolitischen Eigeninteressen gab es ein einigendes Motiv, das allerdings nicht von allen Wählern in dieser Form geteilt wird.
Die Dringlichkeit der Billionenschulden wurde vor allem mit einem noch nie dagewesenen Sicherheitsrisiko begründet, weil die militärische Bedrohung durch Russland wachse, während auf Atomschirm und Beistandspflicht der USA kein Verlass mehr sei.
In Deutschland und den meisten EU-Ländern sind deshalb Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit angesagt. Auch die nicht nur in Deutschland ausgesetzte allgemeine Wehrpflicht wird immer mehr zur politischen Priorität.
Wehrpflicht und Kriegstüchtigkeit in Europa
Deutschland hat die Wehrpflicht zum 1. Juli 2011 ausgesetzt, steht damit aber keineswegs allein.
Ausgesetzt ist sie auch in Italien seit 2005 und in den Niederlanden seit 1997. Dänemark kommt mit Freiwilligen aus, kann aber bei Bedarf weitere Soldaten per Los einziehen.
Schweden hat 2017 einen elfmonatigen Dienst für Männer und Frauen eingeführt, Litauen hatte den Dienst 2008 gestrichen und 2015 wieder eingeführt. Im selben Jahr hat Norwegen einen zwölfmonatigen Dienst für Männer und Frauen beschlossen, Österreich hat seinen Wehrdienst 2006 auf sechs Monate verkürzt.
Die meisten europäischen Länder setzen schon länger auf Berufssoldaten und Freiwillige, Großbritannien bereits seit 1960, Frankreich seit 1997, Spanien seit 2001 und fast alle kleineren Länder ebenfalls.
In der deutschen Debatte zur Wiedereinführung der Wehrpflicht wird überwiegend ohne den europäischen oder internationalen Vergleich über die fehlende Kriegstüchtigkeit der Bundeswehr diskutiert. Aktuelle Vergleichszahlen zur Einschätzung der Kampfkraft liefert seit 2006 eine amerikanische Firma aus Utah.
Demnach belegen die USA, Russland, China, Indien und Südkorea die ersten Plätze, auf Platz 6 und 7 folgen Großbritannien und Frankreich, Italien auf Platz 10 und Deutschland nach Pakistan und Indonesien auf Platz 14.
Interessant ist im Vergleich auch, dass die als viel kampfkräftiger geltende britische Armee mit zusammen 136.000 Soldaten in allen drei Waffengattungen und einem Etat von 75 Milliarden Euro auskommt, Italien sogar mit 29 Milliarden.
Der Verteidigungsexperte MdB Kiesewetter fordert dagegen mit den 400 Milliarden Sondervermögen für die Bundeswehr auch das Personal auf "etwa 460.000 Soldatinnen und Soldaten, zuzüglich einer militärischen und zivilen Reserve" aufzustocken.
Das wäre nur mit rigoroser Rekrutierung durch Wehrpflicht möglich. Nach einer aktuellen Studie des Ifo-Instituts wäre allerdings eine freiwillige Rekrutierung mit höherem Sold als Anreiz volkswirtschaftlich günstiger.
Bei dem gegenwärtigen Mangel an allem in der Bundeswehr gehört Deutschland immerhin zu den führenden Waffenexporteuren der Welt, nämlich nach den USA, Frankreich, Russland und China an fünfter Stelle, vor Italien und Großbritannien.
Wie die Debatten zum Wehrdienst und dessen Aussetzung zeigen, hat Europa nach Ende des Kalten Krieges nicht mehr oder kaum noch unter Bedrohungsgefühlen gelitten. Seit Februar 2022 verbreitet der Angriff Russlands auf die Ukraine vorwiegend in der Politik existenzielle Ängste und den Glauben an militärische Abschreckung als Sicherheitsgarantie.
Wie weit die schnelle Einschätzung des Konflikts in allen Medien als "völkerrechtswidrig" (selbstverständlich) und "unprovoziert" (unterschiedlich diskutiert) die herrschende Meinung beeinflusst hat, steht nicht zur Debatte. Sie hat allerdings höchst effektiv die Forderung nach Aufrüstung und Kriegstüchtigkeit beflügelt und damit mehr als die bröckelnde Infrastruktur die Abstimmung zum Sondervermögen beflügelt.
Die bisher für 2025 geplanten deutschen Verteidigungsausgaben betragen fast 72 Milliarden Euro, rund 2,9 Prozent der Welt-Militärausgaben von 2,5 Billionen Dollar. Im vergangenen Jahr hat Russland 109 Milliarden für seine Armee und den Krieg verausgabt, knapp zwölf Prozent des amerikanischen Verteidigungsbudgets. Wie viele weitere Milliarden bis zur deutschen Kriegstüchtigkeit notwendig sind, wird die neue Koalition entscheiden müssen.
Die in Brüssel geplanten zusätzlichen 800 Milliarden für Rüstungsbeschaffung werden ebenfalls nicht plötzlich zur Einsatzfähigkeit beitragen, unter anderem weil die Waffen zu 65 Prozent aus EU-Produktion stammen müssen, was bei Tausenden Einzelteilen und Komponenten kaum von der Beschaffungsbürokratie zu kontrollieren ist.
Die Kommission will bis 2030 kriegstüchtig sein, allerdings haben neben Ungarn auch Spanien, Griechenland und mehrere osteuropäische Länder Bedenken angemeldet.
Wehrpflicht oder Berufsarmee?
Großbritannien ist in Europa bereits 1960 mit der Professionalisierung seiner Streitkräfte und der Abkehr vom Wehrdienst vorangegangen. Die Gründe für diesen drastischen Schritt nach Jahrhunderten als militärische Weltmacht waren vielfältig, vorwiegend das Ende des Kolonialismus mit weit weniger Engagement weltweit.
Eine Untersuchung kam 1957 zu der Erkenntnis, dass eine Berufsarmee gegenüber einer großen Armee mit Wehrpflichtigen effektiver und preiswerter sei, zumal bereits damals die modernsten Waffensysteme kaum nach sechs oder zwölf Monaten Ausbildung zuverlässig bedient werden konnten.
Mit einem Gewehr schießen kann jeder, das ist auch im Ukrainekrieg noch wichtig. Eine Drohne zu steuern verlangt schon etwas mehr technisches Verständnis. Aber um eine Rakete in ein hunderte Kilometer entferntes Ziel zu steuern oder eine solche abzuwehren braucht der Soldat schon eine intensivere Ausbildung und mehr technisches Verständnis als die normale Schulbildung bereitstellt. Die Qualität der Ausbildung, die von Berlin bis München geboten wird, bietet wenig Wert.
Also spricht schon die technische Seite moderner Kriegsführung für möglichst viele Berufssoldaten, abgesehen von der geringen Motivation eingezogener Rekruten im Hintergrund, für das eigene Land zu kämpfen und zu sterben.
Nach aktuellen Umfragen ist die Bereitschaft dazu nicht nur in Deutschland gering. Wie die große Zahl der ins Ausland geflohenen wehrpflichtigen Männer signalisiert, gilt das auch für die überfallene Ukraine und für Russland.
Private Military Companies und das Söldnerproblem
Bei den ständig steigenden Militärbudgets weltweit hat sich neben den offiziellen Armeen ein ebenso dynamischer Geschäftszweig öffentlich entwickelt, der inzwischen auf einen Gesamtumsatz von rund 250 Milliarden Dollar 2024 geschätzt wird.
Das Geschäft der Söldner wird diskret organisiert, in den deutschen Medien wurde es erst durch die russische Gruppe Wagner bekannt, verschwand aber weitestgehend aus den Schlagzeilen, nachdem ihr Gründer Dmitry Utkin 2023 spektakulär bei einem Flugzeugabsturz ums Leben kam.
Die Wagner-Söldnertruppe hatte nach der Krim-Annexion 2014 die prorussischen Separatisten im Donbass unterstützt. Weitere Einsatzorte waren Libyen, Syrien, Mali und die Zentralafrikanische Republik, immer im Interesse der russischen Außenpolitik.
Die Private Military Companies (PMCs oder auch Private Military and Security Services, PMSC genannt) sind kein neues Phänomen und im Westen erheblich stärker professionalisiert und am Markt etabliert als in Russland.
Nach den beiden Weltkriegen, die auf allen Seiten mit Wehrpflichtigen geführt worden waren, entwickelte der britische Veteran David Stirling 1965 ein Konzept für den Einsatz von Söldnern und machte seine Firma "Watch Guard International" mit Einsätzen im Jemen, in Sambia, Sierra Leone oder Libyen zum Erfolgsmodell für die heutige PMC-Industrie.
Da die Pensionierungsgrenze in den meisten offiziellen Armeen niedrig liegt, ist eine Beschäftigung bei den PMCs für erfahrene Soldaten attraktiv. Sie werden dort euphemistisch "contractors" genannt, denn Söldnertum ist in vielen Ländern illegal, aber kaum reguliert.
Elitesoldaten wie die Navy Seals verdienen bei der führenden amerikanischen PMC Academi bis zu viermal so viel wie in der Armee. Die Verdienstmöglichkeiten reichen je nach PMC, Ausbildung, Erfahrung und Gefährlichkeit des Einsatzes bis zu 2.000 US-Dollar pro Tag, zudem weitgehend steuerfrei.
Allerdings sind die persönlichen Risiken auch sehr groß. In Afghanistan sind deutlich mehr amerikanische "Contractors" gefallen als offizielle "boots on the ground", nämlich 3.846 zu 2.448, abgesehen von Verwundeten und Traumatisierten, die den Einsatz überlebten.
Die PMCs sind auch im privaten und kommerziellen Sicherheitsgeschäft aktiv, etwa bei der Bewachung von wichtigen Industrieanlagen wie Pipelines, Häfen, Kraftwerken und Raffinerien. Für spezielle "extraction operations" wie die Befreiung und Evakuierung von wichtigen und zahlungskräftigen Personen sind Beträge über 10.000 US-Dollar pro Kopf normal, die Einsatzkosten gehen dabei leicht in die Millionen.
In Deutschland sind PMCs vorwiegend im Personen- und Objektschutz aktiv. Die Firma Asgaard in Hamm, mit Büros in Bagdad und Maputo, bietet neben Personenschutz, Objektschutz und Sicherheitsberatung auch Aus- und Weiterbildung an.
Die Firma Pretoria-Service Management GmbH in Bayern hat ein breites Angebot an Objekt- und Personenschutz, Sicherheitstechnik und für eine angepasste Sicherheitslösung. Sie alle sind Konkurrenten zur Bundeswehr, weitere Informationen finden sich überall im Netz – und werden viel abgerufen, die Angebote sind individuell und umfassend.
Aktivitäten in Konflikt- und Krisengebieten sind nicht bekannt. Aber in einem Artikel der Deutschen Welle von 2009 wird der Autor des Buches "Exportschlager Tod", Franz Hutsch zitiert, dass deutsche Söldner seit dem Bosnienkrieg auch zunehmend im internationalen Geschäft mit dem Sicherheitsdienst auftauchen. Die eine oder andere Veranstaltung berichtet über Aufgabe und Dienstleistung im modern gewordenen Söldnerwesen, in dem ganz eigene Regeln gelten.
Die Verdienstmöglichkeiten bei den PMCs locken neben Armee-Veteranen auch "abenteuerlustige" Männer an, denen das Bearbeiten im Büro- oder Fabrikjob zu langweilig wäre. Julius Caesar wird der Ausspruch zugeschrieben, dass es leicht sei, Männer zu finden, die für Geld zu töten bereit sind, aber weniger die bereit sind, für Geld zu sterben. Das trifft offenbar auf die Truppen der PMCs zu, denn diese Mitarbeiter verkaufen Ihr Leben so teuer wie möglich und sicher teurer als die meisten Wehrpflichtigen.
Die fortschreitende "Professionalisierung" von Schutz und die immer schnellere Entwicklung neuer Waffensysteme machen die Kriege brutaler, unmenschlich waren sie immer schon. Ob durch das teure Sondervermögen und deutlich höhere Verteidigungsbudgets in den nächsten Jahren die erhoffte Kriegstüchtigkeit auch für mehr Sicherheit sorgen kann wird von vielen außenpolitischen und wirtschaftlichen Faktoren abhängen; auch den Unternehmen und ihren Kunden.
Nicht zuletzt bleibt bis auf Weiteres offen, ob die vielen Sicherheitsexperten aus Politik und Universitäten die Bedrohung durch Russland zutreffend professionell eingeschätzt haben. Wie weit Donald Trumps Annäherung an Wladimir Putin eher taktisch für eine Ukraine-Lösung ist oder langfristig strategische Entspannung signalisieren könnte, bleibt die große Frage im Ringen um Verteidigung und Sicherheitsdienstleistungen.