Milliardenverlust: S21-Kostenexplosion seit zehn Jahren eingepreist

ICE-Zug im Bahnhof - Symbol der Deutschen Bahn Herausforderungen und Stuttgart 21 Kostenüberschreitungen

(Bild: NoName_13, Pixabay)

Bahnprojekt Stuttgart 21 wird nur scheinbar teurer und teurer. Desaster war Machern schon 2013 bekannt, aber ein Abbruch politisch nicht gewollt.

Im November erreichten 52 Prozent der Fernverkehrszüge der Deutschen Bahn ihr Ziel pünktlich. Skandalös – keine Frage. Andererseits: Bei dieser Bahn gewöhnt man sich an alles. Ebenfalls kaum mehr als ein Schulterzucken lösen inzwischen Kostenexplosionen bei Stuttgart 21 aus. Da rummst es alle paar Jahre gewaltig, aber keinen haut es mehr um.

Die neueste Hausnummer machte erstmals Anfang Dezember die Runde. Statt der bisher veranschlagten rund neun Milliarden Euro drohten die Ausgaben auf mindestens elf Milliarden Euro zu steigen, mit "Puffer" gar auf 11,5 Milliarden Euro.

Zuerst sickerte die Zahl aus dem S21-Lenkungskreis, dann zog sie in "Kreisen des Aufsichtsrats" Kreise, bis sie kurz vor Weihnachten vom obersten Kontrollgremium offiziell bestätigt und an die Projektpartner weitergegeben wurde.

Wer bietet mehr?

Damit ist das nächste Kapitel einer mithin unendlichen Geschichte geschrieben. Los ging es Mitte der 1990er-Jahre mit einer Rahmenvereinbarung der beteiligten Akteure, die das Vorhaben mit knapp fünf Milliarden D-Mark oder 2,5 Milliarden Euro bezifferte. Gemäß Finanzierungsvertrag von 2009 waren es schon 4,5 Milliarden Euro, 2016 wurden daraus 6,5 Milliarden Euro, später 8,2 Milliarden Euro, Anfang 2022 dann 9,2 Milliarden Euro.

Die Rückschau lässt ein Muster erkennen: Die Zeit zwischen den Detonationen wurde immer kürzer, während der Knall jeweils immer heftiger geriet – und die öffentliche Erregung mit jedem Mal weniger. Für den Tag, an dem die Zehn-Milliarden-Hürde fällt, war damit vorgesorgt. Die Menschen im Land würden es schon schlucken, sofern sie es überhaupt mitbekommen.

Dabei ist die Neuigkeit in Wahrheit wohl gar keine. Wie die Stuttgarter Zeitung vor knapp drei Wochen schrieb, sollen die Verantwortlichen seit mindestens 2013 gewusst haben, welche finanziellen Dimensionen Stuttgart 21 annehmen wird. Kalkulationen hätten Kosten "zwischen 10,7 und 11,3 Milliarden Euro" ergeben und damit das Vierfache der anfangs kolportierten Summe.

Beispielloses Betrügen

Tatsächlich hatte Autor Thomas Wüpper schon damals für die Deutsche Presse-Agentur (dpa) unter Berufung auf den Grünen-Politiker Anton Hofreiter, seinerzeit Vorsitzender des Verkehrsausschusses im Bundestag, über "interne "Hochrechnungen diverser Experten" berichtet, die unter Verschluss gehalten würden, "um das Projekt am Leben zu erhalten".

Heute, bald elf Jahre später, legt Hofreiter nach: "Wären die wahren Kosten und Zeitpläne ehrlich zugegeben worden, hätte man S21 nie begonnen oder wenigstens später abgebrochen." Dem Blatt wurde ein Dossier zugespielt, das offenbart, dass selbst das Bundesverkehrsministerium den Abbruch der Arbeiten für angezeigt hielt. Zitat: "Die Argumente, eine weitere Finanzierung nicht abzulehnen, sind zu schwach."

Laut Wüpper kam es anders. "Der Aufsichtsrat der DB AG unter Leitung von Utz-Hellmuth Felcht beschloss nach Druck aus dem Kanzleramt dennoch den Weiterbau – mit den intern vorhergesagten und nun durch die Realität bestätigten Folgen." Dazu noch einmal Hofreiter: "Stuttgart 21 steht für ein beispielloses Betrügen der Öffentlichkeit und ein katastrophales Versagen."

Start nicht vor 2026

Wenn all das stimmt, sind auch die jetzt vorgebrachten Gründe für den Teuerungsschub nichts als Ausreden. Schuld an der Entwicklung sollen diesmal hauptsächlich die erhöhten Baukosten sein. Verglichen mit den davor bemühten Kennziffern beläuft sich der Zuschlag auf satte 25 Prozent in nur zwei Jahren – so viel Inflation gab es sonst nirgendwo.

Dabei sollen laut besagten DB-Interna schon vor über zehn Jahren "zahlreiche Risiken" und "realistische Preissteigerungen" ausgeblendet worden sein, darunter der absehbare Preisauftrieb beim Bauen. "Die Milliardenausgaben würden vor allem zwischen 2015 und 2025 anfallen, insbesondere für die aufwendigen, riskanten und rund 30 Kilometer langen Tunnelbauten im Stadtgebiet, die damals noch nicht begonnen worden waren", schrieb die Stuttgarter Zeitung.

Ebenso eine Lüge war offenbar der jahrelang kommunizierte Eröffnungstermin, von wegen 2019. Vielmehr sollen die DB-Fachleute bereits vor einer Dekade davon ausgegangen sein, den Stuttgarter Tiefbahnhof frühestens 2025 fertig zu stellen. Inzwischen ist das scheinbar namensgebende Jahr 2021 lange verstrichen und die Mitte der 2020er nicht mehr weit weg.

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