Millionen Tote für Demokratie und Freiheit?

Seite 2: "Die Geheimdienste entwickeln ein Drehbuch"

Welche Rolle spielt bei diesen Interventionen die Presse?

Vijay Prashad: Bei der "Demokratisierung" eines Putsches spielt der "Informationskrieg" eine entscheidende Rolle. Die Geheimdienste, die an Aktivitäten wie dem Regimewechsel beteiligt sind, entwickeln für diesen ein Drehbuch, das den Aufbau von Einfluss in den Medien beinhaltet und einen Prozess vorantreibt, um diejenigen zu unterminieren, die behaupten, dass ein Putsch stattfindet.

Gleichzeitig werden die Stimmen derjenigen verstärkt, die eine "Rückkehr zur Demokratie" fordern. Aus den offiziellen Unterlagen wissen wir, dass die CIA in der Vergangenheit eng mit den US-amerikanischen Medien – einschließlich der New York Times und der Washington Post – zusammengearbeitet hat, um ihren Willen durchzusetzen und die Ereignisse im Sinne ihrer eigenen Ideologie zu beschreiben. Dies geschieht auch heute noch.

Während des Putsches gegen die Regierung von Evo Morales im Jahr 2019 argumentierte die US-Presse – einschließlich Teilen der alternativen Medien –, dass Morales schon zu lange im Amt sei, dass er die Wahl gestohlen habe und dass es sich also nicht um einen Putsch handele. Dieser Informationskrieg ist somit Teil der Interventionen gegen Länder, die versuchen, ihre Souveränität gegenüber dem US-Imperialismus zu behaupten.

"Element des hybriden Krieges"

Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang den gegenwärtigen Ukraine-Krieg?

Vijay Prashad: Der Konflikt in der Ukraine weist Elemente eines klassischen hybriden Krieges auf. Zunächst versuchten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten, bestimmte Parameter festzulegen, wie etwa die Bedeutung der Nato-Erweiterung und die Integration der Ukraine in die wirtschaftliche und politische Welt des Nordatlantiks. Dies geht auf die Jahrzehnte vor 2014 zurück.

Zweitens waren die westlichen Kriegerstaaten sehr besorgt über die stetige Annäherung Europas an Russland (für Energie) und an China (für Investitionen und Technologie). Nach der Finanzkrise von 2007 waren die europäischen Staaten in diesen Bereichen immer stärker auf Russland und China angewiesen.

Die Ukraine wurde zum Brennpunkt eines Konflikts, den die Vereinigten Staaten vorantrieben, um sicherzustellen, dass Europa nicht zu sehr mit Russland und China verflochten wird, und um zu verhindern, dass Russland die Ukraine – und andere osteuropäische Staaten – als Teil seiner Umlaufbahn betrachtet.

Im Jahr 2011 hatte die US-Regierung außerdem versucht, die historischen und geografischen Bindungen zwischen den fünf zentralasiatischen Staaten und Russland durch ein von US-Außenministerin Hillary Clinton als "Neue Seidenstraße" bezeichnetes Projekt zu durchbrechen.

Die Ukraine ist also nicht nur in einen völlig vermeidbaren Krieg verwickelt, sondern befindet sich seit einigen Jahrzehnten bereits in einem Informationskrieg.

Dies ist das Element des hybriden Krieges, über das nur selten gesprochen wird, schon gar nicht in einer Zeit, in der es insbesondere im Westen so wenig Raum für eine vernünftige Diskussion über die Ukraine gibt.

Können Sie sich vorstellen, dass die USA dieses Konzept auch im Konflikt mit China anwenden?

Vijay Prashad: Sicherlich haben die Vereinigten Staaten versucht, einen hybriden Krieg gegen China zu führen – mit einem Wirtschaftskrieg, einem diplomatischen Krieg und einem Informationskrieg als Schlüsselkomponenten.

Dieser Krieg – und das Wort "Krieg" betone ich bewusst – ist von einem Handelsstreit über die Anhäufung von Streitkräften im Südchinesischen Meer bis hin zur Entwicklung der Indo-Pazifik-Strategie eskaliert, um die chinesische Entwicklung einzudämmen.

Ja, dieses breite Spektrum an Instrumenten, das die Vereinigten Staaten aufgebaut haben, wurde gegen China eingesetzt. Dies ist eine rücksichtslose Entwicklung des Konflikts, der vonseiten der westlichen Kriegerstaaten ausgeht.

China ist ein sehr großes Land, ein Land mit Atomwaffen und einer sehr patriotischen Bevölkerung und es ist ein Land mit einem politischen und sozialen System, das sich einfach nicht so leicht beugen wird, wie die westlichen Kriegsstaaten glauben. Die Spannungen werden also zunehmen und können zu einem Krieg eskalieren, bevor sie den Raum für einen Regimewechsel schaffen.

In Chile zum Beispiel würde der Staat nicht in einen Krieg mit den Vereinigten Staaten ziehen, um sich zu verteidigen. Ein Regimewechsel ging jeder Eskalation zum Krieg voraus. Im Falle Chinas wird aber ein Regimewechsel praktisch unmöglich sein.

Die Druckkampagne des westlichen Kriegsstaates muss also unweigerlich und fatalerweise zu einem Krieg führen. Deshalb bin ich Teil der "No Cold War"-Kampagne. Wir wollen mehr Zusammenarbeit und weniger Konfrontation. Das ist der Schlüssel für unsere Zeit.