Mit 500 Euro Bonus 90 Prozent Impfquote erreichen

Bild: Fabrizio Verrecchia/Pexels

Von Geldprämien über Interrail-Tickets bis zu einer Lotterie für Geimpfte: Ideen, die Impfmüde munter machen sollen, gibt es gerade viele. Von Strafen für Unwillige und Schwänzer soll aber abgesehen werden

Das aktuelle Impfziel des RKI fordert, dass "die Impfkampagne mit hoher Intensität weitergeführt werden sollte, bis mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen bzw. 90 Prozent der ≥60Jährigen vollständig gegen Covid19 geimpft sind". Als Grundlage dieser Einschätzungen wurden Modellszenarien herangezogen.

Die Diskussionen im wirklichen Leben deuten an, dass diese Zahl nicht leicht zu erreichen ist. Einmal davon abgesehen, dass es gegenüber einer Impfkampagne, die 12- bis 17-Jährige einschließt, Bedenken zur Risikoabschätzung gibt, die die Ständige Impfkommission geltend macht - und der politische Druck auf sie wächst ("kontraproduktiv" "nützt niemandem", so Stiko-Chef Mertens) -, gibt die allgemeine Impfbereitschaft Anlass zu Debatten.

Abschreckung

Die münden - nicht nur in Deutschland - derzeit auffällig oft in der Frage, ob besser mit Belohnungen gereizt oder mit Strafen gedroht werden soll. So sprach sich etwa Karl Lauterbach für Strafen von "Impfschwänzern" aus, die ihren Impftermin nicht wahrnehmen. "Es wäre richtig, wenn es eine Strafe gäbe für diejenigen, die nicht einmal ihren Termin absagen. Denn diese Terminausfälle führen dazu, dass wir langsamer impfen, als wir könnten, und dass wir Impfstoff wegwerfen müssen."

In Frankreich war dieser Tage in einem großen Medium ein Plädoyer dafür zu lesen, dass gesetzliche Krankenversicherungen bei Personen, die sich einer Corona-Impfung verweigern, nicht für Kosten aufkommen sollen, die eine etwaige Corona-Erkrankung mit sich bringen kann.

Abgestufte Anreize

Es häufen sich aber auch Ideen, die auf positive Anreize setzen. So spricht die Ökonomin Nora Szech vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) davon, dass Geldbeträge ab 100 Euro Menschen zur Impfung motivieren können. "Bei 500 Euro könnte bereits eine Impfquote Richtung 90 Prozent möglich werden", wird sie vom Münchner Merkur zitiert.

Dort ist heute in der Printausgabe zu erfahren, dass das Münchner ifo Institut für Wirtschaftsforschung den Wert der Impfung für die Gesellschaft auf 1.500 Euro beziffert. Der Geldanreiz müsse schon hoch genug sein, so Szech, die sich auf Studien zu Anreizen bezieht. Zehn Euro für eine Impfung könnte "abwertend wirken und demotivieren".

In Griechenland reizt die Regierung Jugendliche mit einer Geldprämie, wenn sie sich zum ersten Mal gegen Covid-19 impfen lassen. Die Regierung unter Ministerpräsident Mitsotakis stellte Gutscheine im Wert von 150 Euro für eine Covid-19-Impfung in Aussicht.

In den USA gibt es eine ganze Reihe von Unternehmen, darunter auch Microsoft und Spotify, die auf Regierungsliste auftauchen, die "Incentives" - Anreize - für Corona-Impfungen ausloben.

Der Verhaltensökonom Axel Ockenfels warnte jedoch Ende Juni davor, dass finanzielle Anreize auch nach hinten losgehen können. So könnte manche auf den Gedanken kommen, mit der Impfung zu warten, weil die Belohnung später noch höher ausfallen könnte oder manche könnte durch die Bezahlung "fälschlicherweise schlussfolgern, dass die Impfung mit größeren Risiken verbunden ist".

Sein Vorschlag: eine Impflotterie.

Alle Bürger nehmen automatisch teil, und die Gewinner erhalten einen Preis - aber nur dann, falls sie bereits geimpft sind. Angesichts der enormen gesellschaftlichen Bedeutung der Herdenimmunität kann die Lotterie durchaus hohe Millionenbeträge auszahlen. So wird die Lotterie zum interessantesten Gesprächsthema Deutschlands.

Axel Ockenfels

Ein Vorschlag aus der NZZ plädiert dafür, junge Erwachsene, die sich impfen lassen, mit einem Interrail-Pass für Zugreisen durch Europa zu belohnen. Stimmen die Informationen der FAZ, so besteht der Anreiz zur Impfung in der chinesischen Stadt Tianjin darin, dass Schüler, deren Eltern und Großeltern schon vollständig geimpft sind, den Titel des "Pioniers der Seuchenbekämpfung" verliehen bekommen. Staatliche Angestellte werden aufgerufen, mindestens zwei Personen zur Impfung zu überreden.

"Keinen Druck ausüben"

Der prominenteste Impfverweigerer in Deutschland dürfte augenblicklich Hubert Aiwanger von den Freien Wähler sein, der in Bayern den Posten des stellvertretenden Ministerpräsidenten bekleidet und Wirtschaftsminister ist. Er sprach sich in einem Interview mit der Schweizer Zeitung NZZ dagegen aus, auf die Ungeimpften Druck auszuüben "und sie als verantwortungslos zu brandmarken".

Es gibt einen zweistelligen Prozentsatz in der Bevölkerung, der sich persönlich gegen eine Impfung entschieden hat, warum auch immer. Das müssen wir akzeptieren. Es ist auch aus medizinischen Gründen unklug, Druck auszuüben. Man wird nur das Gegenteil erreichen und Trotz ernten. Man muss die Menschen überzeugen.

Hubert Aiwanger