Mit einem Wort: "OWWW!"
Ein britischer Journalist testet den sagenhaften Schmerzstrahler
"Man ist gezwungen, darüber nachzudenken, was aus der Welt geworden ist, wenn der menschliche Erfindergeist dazu benutzt wird, so ein Ding zu bauen." Michael Hanlon zeigt sich ausgesprochen beeindruckt vom Silent Guardian. Als erster Journalist durfte er die Wirkung des "Stillen Wächters" testen, einer Strahlenwaffe des US-Herstellers Raytheon, die nach dem Willen ihrer Befürworter demnächst Wasserwerfer und Tränengas ersetzen soll bei der Bekämpfung von Aufständen und beim Auflösen von Demonstrationen. Sein Testbericht erschien am 18. September in der "Daily Mail".
Es ist ein bisschen so", schreibt er, "als würde man einen rot glühenden Draht anfasse, bloß dass es keine Hitze gibt, sondern nur das Gefühl von Hitze. Es gibt keine Brandmarke oder Blase."
Dabei hat Hanlon lediglich eine miniaturisierte Demo-Version des Strahlenwerfers zu spüren bekommen, die nur auf einen seiner Finger gerichtet war, statt des Serienmodells, das einer ganzen Menschengruppe das Gefühl vermitteln kann, "geröstet zu werden".
"Ich stand vor einem System in Originalgröße", berichtet der Raytheon-Manager George Svitak, "und glauben Sie mir, Sie rennen einfach weg. Sie haben keine Zeit zum Denken - Sie rennen einfach."
Seit längerem schon freuen sich die Fachmedien auf den heiligen Gral bei der Kontrolle von Menschenmengen: Bereits vor drei Jahren wurde über amerikanische Pläne berichtet, das System nach Erreichen der Serienreife im Irak einzusetzen (Mikrowellenwaffe für den Irak). Nun soll es soweit sein.
Die "Active Denial"-Technologie ermöglicht eine neue Klasse von Waffen, die einen gerichteten Energiestrahl aus einer Millimeterwelle mit einer Frequenz von etwa 95 Gigahertz erzeugen können. Diese Strahlungsfrequenz stimuliert die Nervenenden in der menschlichen Haut: Das Opfer hat das Gefühl, bei lebendigem Leibe zu verbrennen (Wie gefährlich ist die Mikrowellenwaffe ADS?). Charles Heal, Waffenexperte beim Los Angeles County Sheriff's Department, beschrieb damals die angestrebte Wirkung: "Wie unter einem heißen Bügeleisen." Die Reichweite des Strahls soll 500 bis 600 Meter betragen.
Der Strahler ist ein Beispiel für einen vor allem in den USA starken Trend hin zu Schmerzbringern, die angeblich wenig bis gar keine anhaltenden Spuren am menschlichen Körper hinterlassen. Ziel ist es, Menschen, einzeln oder in Massen, über möglichst große Entfernung hinweg möglichst große Schmerzen zuzufügen und sie dadurch stoppen, vertreiben und jagen zu können.
Taser, die marktführende Firma unter den Herstellern von Elektroschock-Waffen, fügte dem polizeilichen Waffenschrank kürzlich ihr Extended Range Electro-Muscular Projectile (XREP) bei, einen Miniatur-Elektroschocker, der wie eine konventionelle Patrone mit einer bei US-Sicherheitskräften verbreiteten Pump Gun verschossen wird und über größere Distanzen wirksam ist, weil kein Kabel ihn mehr mit der Waffe in der Hand des Schützen verbindet.
Pulsed Energy Projectiles (PEPs) hingegen feuern einen Laserimpuls ab, der eine schlagartig expandierende Plasmawolke erzeugt, sobald er auf einen Gegenstand - etwa einen Menschen - trifft; der Blitz- und Druck-Effekt wirkt paralysierend.
"Ich bin sehr besorgt hinsichtlich der ethischen Aspekte dieser Forschung", sagte der britische Schmerzmediziner Andrew Rice gegenüber der amerikanischen Wissenschaftszeitschrift New Scientist. "Selbst wenn der Einsatz von vorübergehenden starken Schmerzen als Zwangsmittel gerechtfertigt wäre, was ich nicht glaube - die langfristigen körperlichen und psychologischen Effekte sind völlig unbekannt."
Zu befürchten ist außerdem, dass sich eine Technologie, die starke Schmerzen verursacht, ohne nachweisbare Spuren zu hinterlassen, als perfektes Foltermittel anbietet. Selbst der verdeckte Einsatz in der Öffentlichkeit ist denkbar: Zur Energieversorgung braucht man eine Generatorleistung von 45 Kilowatt; jeder Lieferwagen-Motor ist somit stark genug zur Erzeugung des notwendigen Stroms, und die veröffentlichten Fotos und Videos zeigen, dass die Antenne und der Rest der Technik problemlos im Kastenaufbau eines handelsüblichen Dreitonners Platz hätten.
"Wir benutzen das Wort 'mittelalterlich' als Kürzel für Brutalität", schließt Versuchskaninchen Michale Hanlon seinen Testbericht. "Die Wahrheit ist, dass die neue Technologie eine Folterbank freundlich aussehen lässt."