"Mit progressiven Ideen unter Biden können wir nicht rechnen"
US-Nahost-Expertin über Außenpolitik unter Trump, ihre Erwartung an Biden und über die wahren Gründe des Nahost-Plans des Weißen Hauses
Frau Bennis, was waren die Grundzüge der Trump'schen Nahostpolitik der vergangenen vier Jahre?
Phyllis Bennis: Die Außenpolitik war in dieser Zeit von der Öffnung gegenüber einigen der repressivsten Regime der Welt und von Pseudo-Bündnissen mit ihnen geprägt. Die Trump-Regierung hat die Position dieser Regime verbessert und sie unterstützt, manche sogar finanziell. In diesem Ausmaß hatten das die Vorgänger von Trump nicht getan.
Im Nahen Osten führte Trump teilweise das Erbe seiner Vorgänger fort, etwa den sogenannten Krieg gegen den Terrorismus. Der war ja unter George Bush zur außenpolitischen Leitlinie gemacht geworden. Obama setzte ihn fort, und dann ebenso Trump.
Allerdings nahm der sogenannte globale Krieg gegen den Terrorismus schon unter Obama eine andere Form an. Zunächst war er massiv mit Bodentruppen geführt worden. Diese Truppen wurden unter Obama zurückgezogen. Zugleich nahmen Luftangriffe und vor allem Drohneneinsätze drastisch zu. Das bedeutete keinesfalls weniger Gewalt und weniger tote Zivilisten. Unter Trump eskalierten diese Einsätze, vor allem in Afghanistan, aber zeitweise auch im Irak und in Syrien.
In der politischen Debatte und im Wahlkampf schien das nur eine untergeordnete Rolle zu spielen.
Phyllis Bennis: Die Mainstream-Presse verheimlichte diese Eskalation der Gewalt zwar nicht. Sie berichtete durchaus darüber, aber auf den hinteren Seiten, nicht auf den Titelseiten. Und da es kaum US-Tote gab, schien sich die "America First"-Doktrin zu bestätigen. Wenn Blut fließt, aber kein amerikanisches Blut dabei ist, dann spielt das in der hiesigen Öffentlichkeit kaum eine Rolle.
Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Die USA verkauften den Saudis nicht nur Unmengen von Waffen, sondern beteiligten sich in den ersten beiden Trump-Jahren an Angriffen auf den Jemen. Dieser Krieg wurde euphemistisch als "logistische Unterstützung" bezeichnet. Es war aber nichts anderes als direkte Kriegsführung.
Die Saudis kauften US-Bomber und Bomben und sie vergaben Aufträge für die Ausbildung ihrer Luftwaffe. US-Flugzeuge mit US-Piloten tankten die saudischen Bomber in der Luft auf, damit diese nicht landen mussten. Das Resultat im Jemen bezeichneten die Vereinten Nationen dann die schlimmste humanitäre Katastrophe weltweit.
Dabei war Trump von Vielen, auch etlichen Linken, gegenüber seiner Rivalin Hillary Clinton als das kleinere Übel bezeichnet worden. Man behauptete, er sei zumindest außenpolitisch weniger aggressiv.
Wie beurteilen Sie die Politik der Trump-Regierung gegenüber den Kurden?
Phyllis Bennis: Zunächst einmal unterhielt die kurdische Gemeinde in Syrien über lange Zeit hinweg gute Beziehungen zum Assad-Regime. Das Regime in Syrien hatte die ethnischen Minderheiten weitestgehend gewähren lassen, damit sich die Regierung auf die Bekämpfung der Opposition und der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit konzentrieren konnte. Als sich das Kräftegleichgewicht aber änderte, begann das Regime, in die kurdischen Gebiete einzudringen. Eine Reaktion war, dass die Kurden um US-Unterstützung baten. Sie taten dies, obwohl sie den Kurden in der Türkei nahestehen.
Was sich später rächen sollte: Vor einem Jahr zog Trump die US-Truppen so abrupt aus Nord-Syrien zurück, dass türkische Truppen große Teile der Region im Handstreich einnahmen.
Phyllis Bennis: US-Politik gegenüber den Kurden schwankt seit fast 100 Jahren zwischen einer Einordnung in "gute Kurden" und "böse Kurden" - ja nach politischer und militärischer Wetterlage. Dafür war immer auch ausschlaggebend, wer die Feinde der Kurden sind. In der Türkei sind sie aus US-Sicht die bösen Kurden, weil die dortige Regierung den USA nahesteht und weil die Türkei Nato-Mitglied ist.
Die Kurden in Syrien wurden hingegen als gute Kurden betrachtet, weil sie von einer Regierung, die von den USA abgelehnt wird, unterdrückt wurden. Diesem Schema folgte auch Trump. Er umwarb die Kurden in Syrien, weil das im US-Interesse lag. Sie dienten als verlässliche Verbündete am Boden, die sowohl gegen das syrische Regime wie auch gegen ISIS kämpften. Als sie nicht mehr gebraucht wurden, ließ er sie fallen.
Sehen Sie auch im Verhältnis der Trump-Regierung zu Israel eine Fortsetzung der Politik unter Obama?
Phyllis Bennis: Der US-Botschafter in Israel, David Friedman, der 2016 von Trump zum Botschafter in Israel nominiert wurde, finanzierte jahrelang extremistische Siedler. Trump ernannte seinen Schwiegersohn Jared Kushner zum Sonderbeauftragten für den sogenannten Israel-Palästina-Frieden.
Mit Frieden hat der allerdings nichts zu tun, sondern mit einer regionalen Anti-Iran-Koalition unter der Führung der USA. Als Trump das Iran-Nuklearabkommen aufkündigte, war Kushner gleichzeitig damit befasst, ein Bündnis aus Israel, Saudi-Arabien und den Vereinigten Emiraten zu schmieden.
Das Ausmaß, in dem die rechte Trump-Regierung der israelischen rechten Regierung entgegenkam, hätte es unter Clinton nicht gegeben. Es gab bislang die Anerkennung Jerualems als Hauptstadt Israels und der syrischen Golanhöhen als israelisches Territorium, dann die Verlegung der US-Botschaft von Tel Aviv nach Jerusalem, zudem wurde Druck auf andere Länder wie Guatemala ausgeübt, damit sie ihre Botschaften auch verlegen, und schließlich stellte die Trump-Regierung ihre Zahlungen an das UN-Hilfswerks für palästinensische Flüchtlinge (UNRWA) ein.
Welche Rolle können progressive Demokraten außenpolitisch spielen?
Phyllis Bennis: Außenpolitisch stechen sie wirklich hervor. Es sind die ersten beiden muslimischen Frauen im Kongress - eine Palästinenserin, Tochter von Flüchtlingen, die andere die Tochter von somalischen Flüchtlingen. Das sind beachtliche Persönlichkeiten, die den Diskurs im Kongress verändern. Ihre Positionen würden unter einer möglichen Biden-Regierung deutlich werden. Auch wegen der Unterstützung durch Bernie Sanders und seiner führenden Rolle schon im Jahr 2016, wegen der progressiven Demokraten um Elisabeth Warren, wegen der "Squad" …
… vier jungen Women of color, die für die Demokraten im US-Repräsentantenhauses sitzen.
Phyllis Bennis: Und wegen anderer fortschrittlicher Abgeordneten im Kongress. Das ermöglicht politischen Druck von links auf das Biden-Lager. Wir werden selbst bei einem Regierungswechsel sehr bald über Proteste nach der Amtseinführung sprechen müssen. Denn mit progressiven Ideen aus einem Weißen Haus können wir auch unter Biden nicht rechnen.
Das wird nur durch Proteste und Forderungen an den Kongress sowie an das Außenministerium möglich sein.
Phyllis Bennis ist Forschungsstipendiatin am Institute for Policy Studies in Washington und leitet dort das "New Internationalism Project". Sie ist auch für das Transnational Institut in Amsterdam tätig. Bennis ist Expertin für die US-Außenpolitik insbesondere mit Bezug auf den Nahen und Mittleren Osten. In einem ihrer letzten Bücher behandelt sie den US-geführten "Krieg gegen den Terrorismus": "Before & After: US Foreign Policy and the War on Terrorism".
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