Mit überwältigender Macht und warmen Worten
Mike Huckabee propagiert eine neue US-Außenpolitik. Tatsächlich will der ehemalige Baptistenprediger als Präsident den Kurs von George W. Bush fortsetzen, ihn aber besser erklären
Gestartet als politischer Nobody hat sich Mike Huckabee bei den Vorwahlen in Iowa gegen seine Mitwerber unter den republikanischen Präsidentschaftskandidaten durchgesetzt. Somit ist es nicht mehr ausgeschlossen, dass der christliche Hardliner dereinst Nachfolger von US-Präsident George W. Bush wird. Damit könnte ein neuer Stil ins Weiße Haus einziehen, denn Huckabee hat angekündigt, außenpolitisch weniger „arrogant“ zu sein als sein Vorgänger. Gleichzeitig will er aber massiv aufrüsten.
Mike Huckabee ist der neue Shooting Star der Republikaner. Der ehemalige Gouverneur und Baptisten-Prediger ist der Liebling der christlichen Rechten in den USA. Seine Achillesferse als Bewerber um die Präsidentschaftskandidatur seiner Partei war bisher die Außenpolitik: Da gelten andere als kompetenter. Etwa Rudolph Giuliani, der ehemalige Bürgermeister von New York und bisherige Favorit der Republikaner, der sich mit neokonservativen Beratern umgeben hat. Oder John McCain: Der Senator hat sich als parteiinterner Kritiker von George W. Bush einen Namen gemacht.
Nun holt Mike Huckabee auch in Sachen Außenpolitik auf. In der Januar-Ausgabe der Zeitschrift „Foreign Affairs“ hat er sein außenpolitisches Programm erläutert. Bemerkenswert dabei ist vor allem seine Kritik an George W. Bush, dem er eine „arrogante Bunker-Mentalität“ vorwirft:
American foreign policy needs to change its tone and attitude, open up, and reach out. The Bush administration's arrogant bunker mentality has been counterproductive at home and abroad.
Wenn das ein Versuch ist, sich von anderen Kandidaten abzugrenzen, dann war Huckabee damit erfolgreich. Konkurrent Mitt Romney warf ihm prompt vor, Bush beleidigt zu haben, und verlangte eine Entschuldigung. Huckabee wiederum lehnte das ab. Romney solle den Artikel ganz lesen, konterte er. Tatsächlich wirft Huckabee der Bush-Administration lediglich vor, den „Krieg gegen Terror“ nicht gut genug erklärt zu haben, im Ausland wie im Inland:
A more successful U.S. foreign policy needs to better explain Islamic jihadism to the American people. (…) Very few Americans are familiar with the writings of Sayyid Qutb, the Egyptian radical executed in 1966, or the Muslim Brotherhood, whose call to active jihad influenced Osama bin Laden and the rise of al Qaeda.
Geht es um „hard power“, dann will Huckabee sogar noch über das hinaus gehen, was die Bush-Regierung plant. So fordert er 92.000 zusätzliche Soldaten für Armee und Marinekorps in zwei bis drei Jahren. Die Bush-Regierung plane fünf Jahre dafür ein, kritisiert er. Irak habe gezeigt, so Huckabee, dass die amerikanischen Streitkräfte „einfach nicht groß genug“ seien. Überhaupt will sich Huckabee als Präsident streng an die „Powell-Doktrin“ halten: Wenn Krieg, dann nur mit überwältigender Macht.
Erhöhte Rüstungsausgaben und diplomatische Beziehungen zu Iran
Deswegen müssten auch die Rüstungsausgaben erhöht werden, schreibt Huckabee. Nach neuen Zahlen des Fachdienstes globalsecurity.org betragen die Rüstungsausgaben der Vereinigten Staaten gegenwärtig 623 Milliarden Dollar (China: 65 Milliarden, Russland: 50 Milliarden Dollar). Nach Ansicht von Huckabee ist das noch zu wenig. Gegenwärtig würden die Vereinigten Staaten 3,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Militär ausgeben, schreibt er. Der Anteil müsse auf sechs Prozent erhöht werden - wie zur Zeit von Ronald Reagan 1986:
The ‘peace dividend’ from the fall of the Soviet Union has become a war deficit with the rise of Islamic terrorism.
Auch einen Krieg gegen Iran schließt Huckabee nicht aus. Allerdings will er alles versuchen, Iran auf diplomatischem Wege einzudämmen. „Al Qaida ist eine Bewegung, die zerstört werden muss. Iran ist ein Staat, der eingedämmt werden kann.“ In diesem Zusammenhang schlägt er auch vor, wieder diplomatische Beziehungen zu Iran anzustreben:
Our experience in Iraq offers a valuable lesson for how to proceed in Iran. Since we overthrew Saddam, we have learned that we invaded an imaginary country, because we relied at the time on information that was out of date and on longtime exiles who exaggerated the good condition of Iraq's infrastructure, the strength of its middle class, and the secular nature of its society. We would have received better information if we had had our own ambassador in Baghdad. Before we put boots on the ground elsewhere, we had better have wingtips there first.
Generell will Huckabee als Präsident gegenüber der muslimischen Welt einen Mittelweg einschlagen: Einerseits soll weiter Demokratie verbreitet, andererseits aber auch Stabilität aufrecht erhalten werden. Damit setzt sich Huckabee abermals verbal von der Bush-Regierung ab, die lautstark die Demokratisierung des Nahen Ostens angekündigt hatte. In der Praxis hat jedoch auch die Bush-Regierung geschwankt zwischen Demokratie und Stabilität. So gesehen ist Huckabee auch hier nicht weit entfernt von George W. Bush.