Mögliche Lieferung an Ukraine: Wer kontrolliert die Panzer?

Leopard, Kanone korrekt ausgerichtet. Bild: Fric.matej, CC BY-SA 4.0

Themen des Tages: Über den Umgang mit Kohlendioxid. Zur Einhegung des Lobbyismus. Und zur Frage der Kontrolle und Konsequenz von Panzern in der Ukraine.

Liebe Leserinnen und Leser,

1. Vieles geht unter der Ampel schnell. Das Deutschlandticket gehört nicht dazu.

2. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete Marco Bülow über Lobbyismus in Parlament und Regierung.

3. Und auf Seite 2: Die offene Flanke der Panzerdebattenfront.

Doch der Reihe nach.

Atmosphäre ohne Kohlendioxid

Weltweit würden 37 Gigatonnen Kohlendioxid im Jahr in die Atmosphäre geblasen, schreibt heute Telepolis-Klimaautorin Jutta Blume. Gleichzeitig seien Technologien nötig, um der Atmosphäre bis zu vier Gigatonnen Kohlendioxid pro Jahr wieder zu entziehen. "Carbon Dioxide Removal" (CDR), wie dies in der Fachsprache heißt, ist in diesen Größenordnungen notwendig, um die 1,5-Grad-Marke bei der globalen Erwärmung bis zum Jahr 2050 nicht zu überschreiten.

Dies geht zumindest aus dem in der vergangenen Woche veröffentlichten Bericht "The State of Carbon Dioxide Removal", unter Leitung der Universität Oxford und mit Beteiligung von Wissenschaftlern der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), des Mercator Research Institute on Global Commons and Climate Change (MCC) und der University of Wisconsin-Madison hervor.

Jutta Blume

Demokratie ohne Lobbyismus

Mit den Auswirkungen von Lobbyismus auf Parlament und Regierung befasst sich heute der ehemalige SPD Bundestagsabgeordnete Marco Bülow in seiner ersten Kolumne für Telepolis. Bülow saß von 2002 bis 2021 als direkt gewählte Abgeordneter für die Sozialdemokraten im Bundestag. Seit seinem Ausscheiden aus Fraktion und Bundestag engagiert er sich gegen Lobbyismus und für eine Stärkung des demokratischen Systems. In seiner Kolumne schreibt er:

Meist ehrenamtliche Interessenvertreter aus Verbänden, Initiativen treten selten direkt an Politiker heran. Oft schicken sie Stellungnahmen und Anfragen. Und wenn es zu einem Gespräch kommt, dann stellen sie kurz ihre Position und ihre Forderungen vor und gehen wieder. Weitergehende Angebote und Anreize kommen fast ausschließlich von Profit-Lobbyisten, also Interessengruppen, die das reine Profitinteresse ihrer Auftraggeber vertreten.

Deutschland ohne "Deutschlandticket"

Das 49-Euro-Ticket hätte eigentlich zum 1. Januar 2023 eingeführt werden, so Telepolis-Autor Bernd Müller, doch der Start sei immer wieder verschoben worden. Inzwischen gelte auch die Einführung zum 1. Mai als nicht sicher, wie Bremens Mobilitätssenatorin Maike Schaefer (Grüne) erklärte. Demnach seien noch Detailfragen offen.

Im Zentrum des Debakels steht Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), dem die Länder die Schuld an den Verzögerungen geben. Für einen pünktlichen Start zum 1. Mai brauche es mehr Kompromisse – "und einen Bundesminister, der die Umsetzung nicht blockiert", sagte Schaefer nach einem Arbeitstreffen am Freitag.

Bernd Müller

Panzer an die Ukraine. Und dann?

Als Journalist kann man sich den Wellen der Aufmerksamkeit und Erregung kaum entziehen. So war es während der Corona-Pandemie, so ist es mit Blick auf den russischen Angriff auf die Ukraine, bei dem zuletzt – auch bei Telepolis sichtbar – ein Thema dominiert: Panzer, Panzer, Panzer!

Nun hat also Polen bei der Bundesregierung offiziell die Lieferung von Kampfpanzern des Typs "Leopard 2" an die Ukraine beantragt. Der polnische Verteidigungsminister Mariusz Blaszczak erklärte auf Twitter, Deutschland habe "unsere Anfrage erhalten":

Deutschland hat bereits unsere Bitte erhalten, der Lieferung von Leopard-2-Panzern an die Ukraine zuzustimmen. Ich appelliere auch an die deutsche Seite, sich der Koalition der Länder anzuschließen, die die Ukraine mit Leopard-2-Panzern unterstützen. Das ist unsere gemeinsame Sache, denn es geht um die Sicherheit ganz Europas!

Mariusz Blaszczak

Allerdings hatte Polen zuvor bereits durchblicken lassen, dass es seine eigenen "Leoparden" auch ohne Zustimmung Berlins in den Osten schicken würde.

Und das zeigt ein oft übersehenes Problem: den latenten Kontrollverlust in der Rüstungsdebatte. Nicht umsonst fordern besonnene Rüstungsexperten seit Jahren eine stärkere Endverbleibskontrolle bei Rüstungsexporten.

Aber wie soll das bei den Panzern für die Ukraine funktionieren? Niemand kann sagen, wie und wo die deutschen – und sonstige – Waffensysteme dann eingesetzt werden und wie sich ihr Einsatz auf den Konflikt auswirkt. Das wird ausgeblendet und bei den Befürwortern durch mangelnde Sachkenntnis und Illusionen mehr schlecht als recht ersetzt. Das merken wir auch selbst in manchen Reaktionen auf unsere Berichterstattung, wenn z.B. die schwersten Kampfpanzer, die es gibt, plötzlich zu "lebensrettenden Defensivpanzern" werden.

Zu den schwer erträglichen moralischen Herausforderungen der Ukraine-Debatte gehört, dass bei Waffenlieferungen umso mehr Zurückhaltung geboten ist, je mehr der Wunsch nach Vergeltung bei den angegriffenen Ukrainern wächst.

Es gehe darum, "den Feind zu bestrafen", schrieb dieser Tage der Chef des ukrainischen Präsidialamtes, Andrij Jermak. Er bezog sich dabei auf ein gefordertes UN-Sondertribunal gegen Russland, das nach derzeitigem Stand nicht kommen wird.

Wenn dann die kaum zu kontrollierenden ukrainischen Streitkräfte, Spezialeinheiten und Milizen über schwere westliche Waffensysteme verfügen, dürfte dies zu einer neuen Eskalation führen. Wer heute noch behauptet, Panzer schafften Frieden, wird sich dann wehmütig an das "Zögern" im Bundeskanzleramt erinnern.