Monarchie-Proteste: Ist Großbritannien auf dem Weg zum Polizeistaat?
Friedlich Demonstrierende werden weggesperrt. Menschenrechtsorganisationen ziehen Russland-Vergleiche. Warum ein weißes Blatt Papier in London zur Festnahme führen kann.
Tausende gingen am Wochenende in London gegen die Monarchie auf die Straße. Die Polizei hat dabei am Samstag 52 Menschen bei friedlichen Protesten festgenommen, die anlässlich der Krönungsfeierlichkeiten von Charles III. demonstrierten. Darunter der Vorsitzende der Organisation Republik, Graham Smith, und Vertreter von Umweltorganisationen.
Smith und andere wurden nach 16 Stunden Gewahrsam entlassen, nachdem Kritiker die Polizei vorgeworfen hatten, eine "totalitäre Razzia" durchgeführt zu haben.
Am Samstagmorgen gegen sieben Uhr hielt die Polizei sechs Organisatoren der monarchiekritischen Gruppe Republic an und teilte ihnen mit, dass sie festgenommen und durchsucht würden, so Republic-Direktor Harry Stratton gegenüber CNN während des Protests.
Die Gruppe war hinter einem Van gelaufen, der Plakate enthielt. "Sie haben nicht gesagt, warum sie sie festnehmen. Sie sagten weder ihnen noch uns, wohin sie sie bringen würden. Das ist wirklich wie in einem Polizeistaat", stellt Stratton fest.
Die Demonstrierenden berichten zudem, dass die Polizei sie gewarnt hätte, nichts zu skandieren, was als beleidigend angesehen werden könne.
Die Metropolitan-Police teilte mit, dass die Festgenommenen "wegen des Verdachts auf Verschwörung zur Erregung öffentlichen Ärgernisses" festgehalten werden.
Just Stop Oil berichtete, dass gleichzeitig etwa zwanzig Klimademonstrierende verhaftet worden seien, wobei Fotos einen Mann zeigen, der ein T-Shirt mit dem Namen der Gruppe trägt und in Whitehall, einer Straße im Londoner Regierungsviertel, festgenommen wurde. "Er wurde zusammen mit zwanzig anderen verhaftet", twitterte Just Stop Oil.
Redefreiheit ist ein zentraler britischer Wert – und wir haben ihn gerade verloren. Keiner der verhafteten Unterstützer von Just Stop Oil hatte Klebstoff, Farbe oder Pläne, die Krönung zu stören. Wir leben in einem dystopischen Albtraum.
Aushöhlung der freien Meinungsäußerung durch drakonisches Gesetz
Kritik kommt auch von Menschenrechtsorganisationen. Human Rights Watch spricht von "unglaublich alarmierenden" Festnahmen, die man eher in Moskau als in London erwarten würde. Sacha Deshmukh, der Geschäftsführer von Amnesty International UK, sagte:
Wir müssen abwarten, welche Details zu diesen Vorfällen bekannt werden, aber der bloße Besitz eines Megafons oder das Mitführen von Plakaten sollte niemals ein Grund für eine Verhaftung durch die Polizei sein. Friedliche Proteste stehen eindeutig unter dem Schutz der internationalen Menschenrechtsgesetze, und es ist besorgniserregend, dass die Polizei vorab zahlreiche Erklärungen über ihre "geringe Toleranz" gegenüber Störungen bei der Krönung veröffentlichte. Die Krönung sollte nicht zu einem weiteren Vorwand werden, um elementare Menschenrechte der Bürger in diesem Land zu untergraben.
Der Leiter der Polizeioperation verteidigte die Festnahmen am Samstagnachmittag und lobte die Arbeit der 11.500 Polizisten, die während der Krönung im Einsatz waren.
Im letzten Jahr wurde in Großbritannien ein Gesetz eingeführt, dass äußerst drakonische Rechtsvorschriften enthält. Danach sind "störende" oder "laute" Proteste verboten. Damit erhält die Polizei eine weitreichende Verfügungsgewalt, die Willkür Tür und Tor öffnet, was das Recht auf freie Meinungsäußerung und Versammlungsfreiheit ernsthaft gefährdet.
Das war schon zu beobachten bei der zehntägigen Trauerphase um die im September letzten Jahres verstorbene Queen Elizabeth II.
Kritiker der Monarchie wurden in Schottland und London verhaftet, festgehalten, gezwungen, öffentliche Plätze zu verlassen, und von Polizeibeamten eingeschüchtert, als der Sarg von Königin Elizabeth zusammen mit Mitgliedern der königlichen Familie, darunter König Charles III., vorbeizog.
Ein Demonstrant, der ein handgefertigtes Schild mit der Aufschrift "Not My King" in der Hand hielt, wurde dabei gefilmt, als er von der Polizei aus dem Palace of Westminster in London abgeführt wurde. In einem anderen Fall berichtet der Klimaschützer und Anwalt Paul Powlesland, dass ein Polizeibeamter auf ihn zuging, als er auf dem Parlamentsplatz ein leeres Blatt Papier hochhielt.
Der Polizist warnte Powlesland, dass er, wenn er "Not My King" auf das Papier schreiben würde, verhaftet werde, "weil sich jemand beleidigt fühlen könnte".
Der Vorfall wurde mit der Verhaftung einer Frau im März 2022 in Russland verglichen, die von der Polizei weggezerrt wurde, weil sie ein leeres Schild bei einer Razzia bei einer Demonstration gegen die Ukraine-Invasion hochhielt.