Mordanschlag gegen den "Che Guevara von Lugansk"
Der aus der Ost-Ukraine stammende Feldkommandeur Aleksej Mosgowoi wollte nicht nur mit der ukrainischen "Okkupationsarmee" aufräumen, sondern auch mit Oligarchen und Beamten, "die auf das Volk spucken"
Am Sonnabend wurde der bekannte Feldkommandeur Aleksej Mosgowoj bei einem Anschlag getötet. Mosgowoi wurde 1975 im ostukrainischen Ort Nischnjaja Duwanka geboren. Seit Mitte letzten Jahres leitete er das in der Volksrepublik Lugansk (LNR) operierende Freiwilligen-Bataillon Prisrak (Gespenst).
Vor dem Machtwechsel in Kiew war Mosgowoi Vertragssoldat der ukrainischen Armee. Er war auch aktiver Musiker (hier singt ein Lied auf Ukrainisch). Der Vierzigjährige hatte eine kompromisslose Haltung gegenüber der neuen Regierung in Kiew und gehörte zu denjenigen, welche die Waffen gegen die ukrainische Armee nicht niederlegen und den Kampf für das gesamte Verwaltungsgebiet von Lugansk und Donezk weiterführen wollten. Außerdem ging Mosgowoi gegen örtliche, kommerzielle Banditen vor. Der Kampf gegen die "ukrainische Okkupationsarmee" sei nur die erste Etappe im Kampf, erklärte der Feldkommandeur im Mai 2014 vor Freiwilligen, danach kämen die Oligarchen und Beamten dran, "die auf das Volk spucken".
Bereits der dritte Anschlag
Der Anschlag gegen den Feldkommandeur am Sonnabend war bereits der dritte Anschlag. Er ereignete sich auf der Straße Lugansk-Altschewsk. Auf der gleichen Strecke hatte es gegen Mosgowoi Anfang März schon einmal einen Anschlag gegeben. Dabei war der Feldkommandeur durch eine Mine leicht verletzt worden. Bei dem Anschlag am Sonnabend wurde gegen den Jeep des Feldkommandeurs nicht nur eine ferngezündete Mine eingesetzt. Der Wagen wurden auch von vier Seiten beschossen (Video des beschossenen Jeeps.
Wie die russische Video-Portal Lifenews berichtet, wurden bei dem Anschlag auch die Pressesprecherin des Feldkommandeurs, Anna, sowie mehrere seiner Leibwächter getötet. Insgesamt kamen acht Personen um, berichtete der russische Armee-TV-Kanal Zvezda, der ebenfalls ein Video von den angeschossenen Fahrzeugen veröffentliche.
Russische Medien und offizielle Stellen in der "Volksrepublik Lugansk" (LNR) erklärten, hinter der Tat stehe eine "ukrainische Diversionsgruppe". Doch im russischsprachigen Internet wurden von Forenten Vorwürfe gegen den Ministerpräsidenten der "Volksrepublik Lugansk", Igor Plotnizki, laut. Manche Forenten äußerten auch die Meinung, der Anschlag auf Mosgowoi sei auf Anweisung russischer Oligarchen ausgeführt worden.
Der russische Militärexperte Michail Timoschenko erklärte, Mosgowoi sei vermutlich von Leuten aus den eigenen Reihen verraten worden. Diese hätten den Mördern mitgeteilt, auf welcher Strecke der Wagen des Feldkommandeurs fährt. Eine militärische Abwehrorganisation, die Verräter ausfindig mache, gäbe es in den Volksrepubliken nicht. Der Experte hält es für möglich, dass Mosgowoi mit seinem schonungslosen Vorgehen gegen kommerzielle Banditen "jemanden" verärgert habe. Wer dieser "Jemand" ist, wollte der Experte nicht sagen.
Schon im Januar, nach einem Mordanschlag auf den ebenfalls populären Feldkommandeur Aleksandr Bednow ("Batman") waren im russischsprachigen Internet Vorwürfe gegen den LNR-Ministerpräsidenten laut geworden. Der Mini-Bus von Bednow war nach einer Straßenbiegung in einen Hinterhalt geraten und - wie im Fall Mosgowoi - aus mehreren Richtungen beschossen worden. Bednow und sechs seiner Begleiter starben. Zeitgleich mit dem Anschlag auf Bednow wurden die von ihm geführten militärischen Einheiten entwaffnet.
Nach dem Mord-Anschlag auf Mosgowoi erklärte LNR-Ministerpräsident Igor Plotnizki, er habe mit Mosgowoi "unterschiedliche Ansichten über die politischen Prozesse" gehabt, "aber im Kampf für die Volksrepublik Lugansk standen wir Schulter an Schulter". Plotnizki erklärte, der Mord an Mosgowoi könne der ukrainischen Regierung nutzen, "welche versucht, uns auf den wackeligen Weg einer neuen militärischen Eskalation zu stoßen".
Der "Sandino von Lugansk"
Der Tod von Mosgowoi war für viele Linke und Sympathisanten der "Volksrepubliken" in der Ukraine und Russland ein Schock. Mit dem Tod von Mosgowoi sei es "eine Tatsache", dass die "Moskauer Polittechnologen" das Projekt Noworossija aufgegeben haben, kommentierte Boris Kagarlitski, Leiter des Moskauer Instituts zur Erforschung der Globalisierung via Facebook.
Kagarlitski verwies auf seine Prognose, dass das "Projekt Noworossija" nach den Feierlichkeiten zum Siegestag am 9. Mai beendet werde. Das "Projekt" zu beenden, sei jedoch "nicht einfach", da es sich "nicht um ein Projekt, sondern um eine Volksbewegung und einen Volkstraum handelt". Der Kampf werde weitergehen und der getötete Mosgowoi werde "zu einer Legende werden", wie die Guerlla-Führer Sandino (Nicaragua, 1895 bis 1934) und Che Guevara (Kuba, 1928 bis 1967).
Tatsächlich ist die Anerkennung für die militärischen Leistungen der Freiwilligen-Bataillone in der ostukrainischen Bevölkerung hoch. Gegen die ukrainische Armee sind die Bewaffneten der LNR- und DNR-Armee sowie die Freiwilligen-Bataillone der einzige Schutz, so die Meinung der meisten Menschen, obwohl es auch Kritik an dem mitunter selbstherrlichen Auftreten einiger freiwilliger Kämpfer gibt.
Mosgowoi lädt Antifaschisten aus West-Europa ein
In den westlichen Medien werden die Feldkommandeure in den "Volksrepubliken" gerne als Befehlsempfänger aus Moskau und "russische Nationalisten" oder gar "Faschisten" bezeichnet. Auf Mosgowoi treffen diese Vorwürfe nicht zu.
Zu dem auch in der Ost-Ukraine gefeierten Sieg der Roten Armee am 9. Mai hatte er eine "Caravana Internacional Antifascista" in die "Volksrepublik Lugansk" eingeladen. Zu der "Caravana" gehörte auch die italienische Ska-Punk-Gruppe Banda Bassotti, die von Mosgowoi persönlich auf einer Besichtigungstour durch die "Republik" begleitet wurde (hier ein Bericht mit humoristischen Einlagen vom YouTube-"Kanal Aleksej Mosgowoi").
Bei Konzerten in der Stadt Altschewsk, wurde "Banda Bassotti" von der Bevölkerung tagsüber und auch abends begeistert aufgenommen. Einige Lieder, wie Bella Ciao, konnten die Einheimischen auch mitsingen.
Mosgowoi sah seine Politik als vorbildlich für die beiden "Volksrepubliken". In einem humoristischen Beitrag auf seiner Website im Netzwerk vk.com lästerte der Feldkommandeur, "praktisch alles, was wir machen, wird von den Beamten der Regierungen LNR und DNR nachgemacht": die "Sicherheitsunterweisungen gegen Sprengkörper an Schulen", "die Fußballwettkämpfe", "ein internationales Forum". "Es ist klar, jeder Beamte ist es gewohnt, nach Anweisung des Vorgesetzten zu handeln. Also, ich erlaube allen Beamten aus allen Ebenen, unsere Phantasie und Vorstellungen zu nutzen."
Zum Abschluss seines Beitrages bat der Feldkommandeur Komödien über die Oberhäupter der Volksrepubliken zu filmen. "Das wird interessant sein." Feldkommandeur Mosgowoi erlaubte sich einen selbstbewussten Ton. Offenbar zu selbstbewusst für einige Mächtige in der LNR, die auch die Unterstützung von Oligarchen genießen.
Von Ulrich Heyden erschien Anfang Mai das Buch: "Ein Krieg der Oligarchen. Das Tauziehen um die Ukraine", PapyRossa, 173 Seiten, 12,90 Euro.
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