Moskau: Frischer Wind in den Wahlbezirken

Seite 3: Für Wladimir Putin wird das Regieren schwieriger

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Dass die liberal und westlich orientierte Opposition in Moskau einen Erfolg erringen konnte, ist vor dem politischen Gesamtrahmen bedeutsam. Denn nach dem Beginn eines neuen Kalten Krieges zwischen den westlichen Staaten und Russland, wurden zivilgesellschaftliche und soziale Themen in Russland in den Hintergrund gedrängt.

Die außerparlamentarische Opposition, die sich immer schon dem Vorwurf ausgesetzt sah, sie sei vom Westen finanziert und gelenkt, veranstaltete zwar noch einige Großdemonstrationen "für den Frieden in der Ukraine". Doch der Trend in der russischen Gesellschaft ging seit 2014 verstärkt Richtung Patriotismus. In der Gesellschaft verbreitete sich das Gefühl, "das Vaterland ist in Gefahr, wir müssen uns gegen das Heranrücken der Nato zusammenschließen".

Diese Stimmung hält bis heute an. Die Popularität des russischen Präsidenten ist ungebrochen hoch. Im August beurteilten 83 Prozent der Befragten in einer Umfrage des Lewada-Meinungsforschungsinstituts die Tätigkeit von Wladimir Putin als insgesamt positiv.

Wladimir Putin hat zwar seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen am 18. März 2018 noch nicht offiziell bekanntgegeben. Doch alles deutet darauf hin, dass Putin eine vierte Amtszeit anstrebt. Ein Alternativ-Kandidat aus dem Lager der Macht ist bisher nicht in Sicht. Beobachter meinen, Putin werde seine Kandidatur erst im Dezember bekannt geben, um die Präsidialverwaltung nicht unnötig zu belasten.

Soviel ist klar: Für Wladimir Putin wird es jetzt schwieriger zu regieren. Er war ein Präsident des wirtschaftlichen Aufschwungs. Nun wird er immer mehr zum Krisen-Manager. Nach Angaben des russischen Statistik-Amtes Rosstat mussten die Russen in den letzten drei Jahren Einkommenseinbußen von zehn Prozent hinnehmen.

Die Preise für Nahrungsmittel aus Russland steigen. Eine Ausnahme sind nur die Lebensmittel, die man zum Zubereiten einer Suppe braucht, Kohl, Zwiebeln, Mohrrüben, Salz, Kartoffeln und Schweinefleisch.

Bei Umfragen rangiert die Angst vor Armut und verschlechterter Gesundheitsversorgung an vorderer Stelle. Grund für das geringe Wirtschaftswachstum von etwas über einem Prozent ist der Ölpreisverfall und der gesunkene Rubel-Kurs. Bis auf die Landwirtschaft gibt es nirgends ein deutliches Wachstum.

Teile der Jugend werden unruhig

Die ältere Generation bleibt angesichts sozialer Einbußen zwar noch ruhig, aber in Teilen der großstädtischen Jugend gibt es Unruhe. Das zeigte sich am 26. März 2017 bei der Anti-Korruptions-Kundgebung des Bloggers Aleksej Nawalny, zu der völlig überraschend eine große Zahl von jungen Leuten kam, von denen die meisten das erste Mal in ihrem Leben an einer Kundgebung der Opposition teilnahmen.

Was die protestierenden Jugendlichen treibt, scheint das Gefühl zu sein, man habe nicht genug Chancen, sich beruflich zu entwickeln und nicht genug vom Kuchen abzubekommen. Vorstellungen, wie man anders leben und Politik machen will, wurden von den protestierenden Jugendlichen bisher nicht entwickelt.

Der Kreml meint, die Jugendlichen seien von Navalny verführt und mit der falschen Behauptung, Ministerpräsident Dmitri Medwedew sei korrupt, getäuscht worden. Doch diese Erklärung geht am Kern vorbei.