Mrs. "Dialog und Härte"
Die deutsche Außenpolitik unter Annalena Baerbock dürfte künftig nicht nur durch Ausfälle gegen China gekennzeichnet sein. Es wird auch viel Energie aufgewendet, um den USA zu gefallen
Die designierte deutsche Außenministerin Annalena Baerbock hat eine härtere Gangart gegenüber China angekündigt. Dessen Botschaft in Berlin warnte umgehend vor einem Konfrontationskurs. Doch in den außenpolitischen Kreisen der Bundesrepublik ist die Grünen-Chefin nicht die einzige Stimme, die einen anderen Umgang mit der Volksrepublik fordert.
In einem kürzlich veröffentlichen Interview mit der taz sprach Baerbock davon, bei globalen Problemen wie dem Klimawandel setze man auf China noch als Partner. Sie stellte aber umgehend klar: Als europäische Demokratie stehe die Bundesrepublik "aber auch in einem Systemwettbewerb mit einem autoritär geführten Regime wie China". Deshalb gelte es, "unsere Werte und Interessen zu verteidigen" und für sie zu werben. Für sie sei "eine wertegeleitete Außenpolitik immer ein Zusammenspiel von Dialog und Härte".
Der Boykott von chinesischen Waren ist für sie ein probates Mittel, um die europäischen Werte zu verteidigen. Die Länder der Europäischen Union sollten sich nicht kleiner machen als sie sind. "Wir sind einer der größten Binnenmärkte der Welt", sagte sie, und für China könnte es zum Problem werden, wenn "es keinen Zugang mehr gibt für Produkte, die aus Regionen wie Xinjiang stammen". Diesen Hebel solle man viel stärker als bisher nutzen, dafür brauche es allerdings eine gemeinsame europäische Chinapolitik.
Auch Olympia-Boykott im Gespräch
Ob die anstehenden Olympischen Winterspiele boykottiert werden sollten, darüber werde noch diskutiert, so Baerbock. Für die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) ist die Angelegenheit aber schon etwas klarer: "Man muss kein Prophet sein, um vorherzusagen, dass wohl weder der künftige Bundeskanzler Olaf Scholz noch die künftige Außenministerin Annalena Baerbock zu den Winterspielen nach Peking reisen werden".
Die Frage sei nur, wie eine Abwesenheit begründet werden könnte, heißt es weiter in der F.A.Z. Klar sei auf jeden Fall: "Alle Staatsoberhäupter und alle ranghohen Politiker, die an der Eröffnungsfeier im Februar teilnehmen, werden von der chinesischen Propaganda vereinnahmt werden". Die Lösung des Problems liege aber in der Pandemie. Sie biete "jedem die Gelegenheit, sich aus der Affäre zu ziehen, ohne Vergeltungsmaßnahmen aus Peking zu riskieren".
Thomas Weikert, der neue Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), kritisierte Baerbock. Am Samstag sagte er: "Frau Baerbock soll die Kirche einfach mal im Dorf lassen, das sage ich mal ganz deutlich". Ein Boykott habe noch nie jemandem etwas gebracht und er wäre auch gegenüber den Sportlern unfair.
Chinesische Botschaft wünscht sich "Brückenbauer statt Mauerbauer"
Bei der chinesischen Botschaft in Berlin kamen Baerbocks Äußerungen ebenfalls nicht gut an. "Was wir brauchen, sind Brückenbauer statt Mauerbauer", schrieb eine Sprecherin der Botschaft am Freitag in einer Stellungnahme. Wenig erfreut zeigte sie sich darüber, dass "manche Menschen" zunehmend Unterschiede und Differenzen in den chinesisch-europäischen und chinesisch-deutschen Beziehungen in den Vordergrund rückten und von "Systemwettbewerb" sprächen.
Stattdessen solle man doch Chinas Kerninteressen respektieren und die "Energie mehr darauf verwenden, die praktische Zusammenarbeit zwischen beiden Seiten in verschiedenen Bereichen voranzubringen". China sei bereit, mit der neuen Bundesregierung die gemeinsamen Interessen "auf der Grundlage von gegenseitigem Respekt, Gleichberechtigung und gegenseitigem Nutzen" auszubauen.
Baerbocks Forderung nach einer europäischen China-Politik kommt in außenpolitischen Kreisen durchaus gut an. In einem Interview mit dem Handelsblatt sagte der ehemalige Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger: Deutschland solle "Vorreiter einer EU-China-Strategie sein, damit wir Peking gegenüber mit einer Stimme auftreten können". Das Verhältnis zu China solle eingebettet sein in eine Strategie für den indopazifischen Raum, wo die Europäer bislang geopolitisch nicht ins Gewicht fallen.
Damit dieses Ziel erreicht werden kann, braucht es laut Ischinger auch ein anderes Verhältnis zu den USA. Auch das transatlantische Verhältnis müsse europäisch werden, sonst "nehmen die USA uns nicht ernst". Europa müsse sich als echter Partner in der Weltpolitik erweisen, "mehr Verantwortung übernehmen" und "die USA von schweren Lasten befreien".
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