Musikliebe vererbt sich: Studie belegt großen genetischen Einfluss

Marcel Kunzmann
Älterer Herr der Musik hört

Ob und wie wir Musik mögen, ist laut den Forschern zu 54 Prozent genetisch bedingt

(Bild: Geber86/Shutterstock.com)

Neue Forschung zeigt: Ob wir Musik mögen, liegt zu über 50 Prozent in unseren Genen. Eine Studie untersuchte dafür mehr als 9.000 Zwillinge. Was das über uns Menschen aussagt.

Eine neue Zwillingsstudie, die in der Fachzeitschrift Nature Communications veröffentlicht wurde, liefert Hinweise darauf, dass genetische Faktoren mitbestimmen, wie sehr Menschen Musik genießen.

Mögliche biologische Wurzeln des Musikgenusses

Die Forscher fanden heraus, dass über die Hälfte der Unterschiede in der Empfänglichkeit für musikalischen Genuss auf genetische Unterschiede zurückgeführt werden kann.

Diese genetischen Einflüsse scheinen größtenteils spezifisch für den Musikgenuss zu sein und nicht mit einer allgemeinen Belohnungsempfindlichkeit oder grundlegenden musikalischen Fähigkeiten wie der Wahrnehmung von Tonhöhe oder Rhythmus zusammenzuhängen.

Die Ergebnisse stützen die Vorstellung, dass Musikgenuss nicht einfach ein Nebenprodukt der allgemeinen Gehirnfunktion ist, sondern möglicherweise eigene biologische Wurzeln hat.

Die Studie wurde von einem internationalen Forscherteam des Max-Planck-Instituts für Psycholinguistik und anderer Institutionen durchgeführt. Sie wollten der Frage nachgehen, warum Menschen Musik so belohnend finden.

Musik ist ein universelles menschliches Verhalten und spielt eine wichtige Rolle für Emotionen, Kultur und soziale Bindungen. Doch die Gründe, warum Menschen sie genießen – und warum manche sie mehr genießen als andere – sind bisher unklar.

Durch die Untersuchung genetischer Ähnlichkeiten zwischen Tausenden von Zwillingen wollten die Forscher herausfinden, wie sehr unsere Reaktion auf Musik von der Biologie oder der Umwelt geprägt wird.

Um die biologische Basis des Musikgenusses zu erforschen, verwendeten die Wissenschaftler Daten aus dem Schwedischen Zwillingsregister, einer großen Datenbank mit Tausenden von erwachsenen Zwillingen. Sie analysierten die Antworten von über 9.000 Personen auf einen Fragebogen zur Messung des Vergnügens, das Menschen durch Musik empfinden.

Musikgenuss: Zu 54 Prozent im Erbgut verankert

Um den Einfluss der Gene zu bestimmen, wendete das Team statistische Modelle an, die Ähnlichkeiten zwischen eineiigen Zwillingen (die fast alle ihre Gene teilen) und zweieiigen Zwillingen (die etwa die Hälfte teilen) verglichen.

Sie fanden heraus, dass eineiige Zwillinge in Bezug auf den Musikgenuss deutlich ähnlicher waren als zweieiige Zwillinge. Dieses Muster deutet auf einen genetischen Einfluss hin.

Die Forscher schätzten, dass etwa 54 Prozent der Varianz im Musikgenuss auf genetische Faktoren zurückgeführt werden können, während die restlichen 46 Prozent durch individuelle Erfahrungen und andere nicht-genetische Einflüsse erklärt werden.

Die Studie ergab auch, dass die genetischen Beiträge zum Musikgenuss nicht einheitlich sind. Jede der fünf Facetten des Musikgenusses – emotionale Reaktion, Stimmungsregulation, Musiksuche, sensomotorisches Vergnügen und soziale Bindung – hatte teilweise überlappende, aber auch teilweise unterschiedliche genetische Einflüsse.

So fanden die Forscher zum Beispiel heraus, dass das Vergnügen, das Menschen aus den sozialen Aspekten der Musik ziehen, stärker mit Genen zusammenhängt, die an der grundlegenden Musikwahrnehmung beteiligt sind, als andere Facetten.

Mensch und Musik

Die Ergebnisse könnten weitreichende Auswirkungen auf das Verständnis dafür haben, wie Menschen auf Musik reagieren, und sogar für die Erforschung von Zuständen wie der musikalischen Anhedonie – der Unfähigkeit, Freude an Musik zu empfinden.

Sie könnten auch die zukünftige Forschung zur Evolution der Musik und zu ihrer zentralen Rolle im menschlichen Leben beeinflussen.

"Diese Ergebnisse deuten auf ein komplexes Bild hin, in dem teilweise unterschiedliche DNA-Unterschiede zu verschiedenen Aspekten des Musikgenusses beitragen", sagte Giacomo Bignardi, Hauptautor der Studie und Doktorand am Max-Planck-Institut.

"Zukünftige Forschungen, die sich damit beschäftigen, welcher Teil des Genoms am meisten zur menschlichen Fähigkeit beiträgt, Musik zu genießen, könnten Licht auf die menschliche Fähigkeit werfen, die Darwin am meisten verblüffte und die uns auch heute noch verblüfft."