Muss der Steuerzahler die Raffinerien in Deutschland retten?

Christoph Jehle
Raffinerien auf Deutschlandkarte

In den Feldern steht der jeweilige Name der Raffinerie, die Jahreskapazität in jato, sowie die aktuellen Eigentümer. Quelle: Wikipedia / Grafik: TP

Viele Deutsche sperren sich gegen E-Autos. Doch die Verbrenner haben ihre besten Tage hinter sich. Was bedeutet das für die Mineralölverarbeitung?

Deutschland ist noch immer der größte Raffineriestandort in Europa. Deutschland verfügt derzeit über zwölf aktive Raffinerien mit einer jährlichen Rohölverarbeitungskapazität von rund 106 Millionen Tonnen im Jahr. Damit besitzt Deutschland mit rund 16 Prozent die größte Verarbeitungskapazität innerhalb der EU.

Die Zahl der Raffinerien ging hierzulande seit den 1980er-Jahren ebenso zurück wie ihre Auslastung, die aktuell bei etwa 80 Prozent liegt. Und beim Dieselkraftstoff, der sich nur durch die Farbe und die Besteuerung vom Heizöl unterscheidet drücken indische Produkte auf den Markt.

Sie haben die Importe aus Russland weitgehend ersetzt und nicht wenige gehen davon aus, dass nur die Handelswege verlängert und ein Handelsmittler eingeschaltet wurde.

Raffinerien sind auf bestimmte Ölqualitäten eingestellt

Besonders deutlich wird das am Beispiel der Raffinerie PCK Schwedt, welche die Räume Berlin und Brandenburg zu 95 Prozent mit Kraftstoffen wie Benzin, Diesel, Kerosin und Heizöl versorgt.

Sie verarbeitete Rohöl aus dem westsibirischen Raum und wurde bis Ende 2022 über die etwa 5.000 Kilometer lange Erdölleitung "Druschba" versorgt. Ab 1. Januar 2023 entfiel diese Lieferverflechtung aufgrund des vollständigen Embargos russischen Rohöls und die Raffinerieauslastung fiel auf etwa 50 Prozent.

Auch alle übrigen Mineralölraffinerien in Deutschland werden über Pipelines mit Rohöl versorgt. Die Rohölimporte Deutschlands lagen im Jahr 2016 bei rund 91 Millionen Tonnen und dabei war Russland das wichtigste Lieferland mit einem Beitrag von knapp 40 Prozent an den deutschen Rohöleinfuhren.

Russland war damit nicht nur beim Erdgas, sondern auch beim Mineralöl der wichtigste Lieferant Deutschlands, weil man sich von den Launen der Opec unabhängiger machen wollte.

Die inländische Förderung trug 2016 noch mit rund 2,4 Millionen Tonnen zur deutschen Ölversorgung bei. Der Schwerpunkt der heimischen Erdölgewinnung lag in den Bundesländern Schleswig-Holstein und Niedersachsen.

Die einzige Offshore-Förderung von Erdöl in deutschen Gewässern erfolgte auf der Bohr- und Förderinsel Mittelplate rund sieben Kilometer vor der schleswig-holsteinischen Nordseeküste am südlichen Rand des Nationalparks Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer. Die früher von Wintershall Dea betriebene Ölförderung wurde inzwischen an die britische Harbour Energy verkauft, die dort noch bis 2041 eine Förderlizenz besitzt.

Komplexe Eigentumsstrukturen an den deutschen Raffinerien

Keine der deutschen Mineralölraffinerien befindet sich noch in deutscher Hand, wenn man von den Anteilen von Rosneft Deutschland absieht, die von der Bundesnetzagentur treuhänderisch verwaltet werden.

Damit steht beispielsweise die PCK Raffinerie GmbH als Gemeinschaftsunternehmen der Rosneft Deutschland mit 54,17 Prozent Anteil und Shell Deutschland mit 37,5 Prozent sowie der Eni Deutschland mit 8,33 Prozent als Lohnverarbeiter für ihre Gesellschafter unter maßgeblichem Einfluss der deutschen Bundesnetzagentur. Ein Verkauf der Anteile von Shell kam bisher nicht zustande.

Auch bei der Mineraloelraffinerie Oberrhein (MiRO) in Karlsruhe an welcher Rosneft Deutschland mit 24 Prozent beteiligt ist, gibt es Auseinandersetzungen unter den Eigentümern.

So wollte Exxon, die sich schon aus dem deutschen Tankstellengeschäft zurückgezogen hatten, sich auch von ihrer Raffineriebeteiligung trennen und ihren Anteil an das österreichische Unternehmen und Liwathon-Tochter Alcmene verkaufen, die in Schwedt an der Übernahme der dortigen Shell-Anteile gescheitert waren.

Die aus zwei Teilen bestehende Raffinerie Rheinland wird im Wesseling-Teil so umgebaut, dass ab 2025 dort nur noch Grundöle für Schmierölprodukte erzeugt werden. Dies hat zur Folge, dass acht Millionen Tonnen Raffineriekapazität aus dem Markt genommen werden. Gleichzeitig gab BP bekannt, dass sie ihre Rohölverarbeitung in Gelsenkirchen um vier Millionen Tonnen reduziert werde.

Durch diese beiden Maßnahmen werden die Raffineriekapazitäten in Deutschland in 2026 um insgesamt 12 Millionen Tonnen abnehmen und damit stärker als der Mineralölkonsum schrumpfen. In der Folge werden die Raffinerien aus Rotterdam, Amsterdam und Antwerpen die fehlenden Mengen im Westen Deutschlands per Schiffslieferungen in diverse Lager ersetzen müssen.

Nachdem deutsche Unternehmen wie Aral und Dea sich schon vor Jahren aus dem Mineralölmarkt verabschiedet haben und ihre ausländischen Nachfolger sich inzwischen auch mit dem Ausstieg aus dem Tankstellenmarkt begonnen haben, folgt jetzt der Rückbau der Raffineriekapazitäten, wobei jeder Anteilseigner offensichtlich danach strebt, nicht der Letzte zu sein, der den schrumpfenden Markt verlässt.

Kann nur der Steuerzahler den Abstieg verhindern?

Zu den Unwägbarkeiten, die durch die Dekarbonisierung vieler Bereiche ausgelöst wurden, kommt mit der erratischen Wirtschaftspolitik unter Präsident Trump noch das Risiko, dass sich der Petrodollar aus dem Weltmarkt zurückzuziehen scheint und ein Nachfolger für ihn noch nicht feststeht.

Da kein privater Investor, bei der offensichtlich schrumpfenden Kraftstoff-Nachfrage und stetig steigenden Klimaschutzkosten in die deutschen Raffinerien investieren will und mehrere Unternehmen ihre Raffinerien oder Beteiligungen daran loswerden wollen, seriöse Käufer jedoch schwer zu finden sind, lässt es sich nicht mehr auszuschließen, dass einzelne Raffineriestandorte notfalls über eine Insolvenzanmeldung ganz geschlossen werden.

Sollten jedoch mehrere Raffinerien in Deutschland schließen, hätte das Auswirkungen auf die Versorgung mit Diesel, Benzin, Kerosin, Heizöl und wichtigen Produkten der Grundstoffchemie und wird wohl den Steuerzahler auf den Plan rufen.