Myanmar im Griff des langjährigen Bürgerkriegs: USA und China ringen um Einfluss
Nach 75 Jahren Bürgerkrieg in Myanmar sehen viele jetzt die Aufständischen im Vorteil. Wie sich der Konflikt weiterentwickelt, hängt auch von den USA ab.
"Der Junta entgleitet die Kontrolle", behauptet die ARD in Bezug auf Myanmar. Anlass zu dieser Vermutung ist der Umstand, dass kürzlich mehrere Kampfdrohnen im Himmel von Myanmars Hauptstadt Naypyidaw aufgetaucht waren.
Die Überschrift ist allerdings in zweierlei Hinsicht irreführend: Einerseits ist es technisch sehr, sehr schwierig Drohnenangriffe zu verhindern oder abzuwehren. Aus ein paar Drohnen einen allgemeinen Kontrollverlust abzuleiten, ist deshalb sicherlich übertrieben.
Andererseits wird in Myanmar schon seit Jahrzehnten gekämpft und es dürfte nur wenige ältere Militärs und Freischärler geben, die sich noch an die Zeit vor 1948 erinnern können, als Land nach dem Zweiten Weltkrieg eine kurze Atempause genoss.
Bewegung im 75 jährigen Bürgerkrieg
Dennoch scheint sich in Myanmar und in dem Bürgerkrieg etwas zu bewegen. Am nüchternsten beurteilt die Asia Times die Lage: "Myanmars sich ausweitender Krieg steuert auf das Kernland der Junta zu".
Das Blatt warnt denn auch: "Jüngste Erfolge des Widerstands werden bei der geplanten Offensive im Landesinneren schwer zu wiederholen sein, da sich das Militärregime auf einen existenziellen Kampf einstellt."
"Myanmar: Die letzten Tage der Junta?", fragt der in Australien erscheinende The Interpreter fast schon euphorisch. Und auch der auf Asien spezialisierte Diplomat meint, dass für die Menschen in Myanmars Rakhine-Staat eine neue Ära anbreche.
"Die letzten Tage der Junta?"
Was der Myanmar in den letzten Jahrzehnten geholfen hat, den ethnischen Konflikt zu überleben, ist die Tatsache, dass sich die aufständischen Gruppen nie zu einer Einheitsfront zusammenschließen konnten, betont der Indian Express.
Der Grund dafür sei, dass die buddhistische, chinesisch-tibetische Volksgruppe, die größte ethnische Gruppe Myanmars, schätzungsweise 70 Prozent der Bevölkerung des Landes ausmacht und die Regierung – zumindest bisher – mehr oder weniger stützte. Die aufständischen Gruppen stammen dagegen überwiegend von den nicht-birmanischen Gemeinschaften des Landes, unter denen viele zum Christentum konvertiert sind.
In Myanmar gibt es über 135 indigene ethnische Gruppen und mehr als 60 bewaffnete Verbände, deren Stärke zwischen einigen Hundert und 2.000 bis 3.000 Kämpfern schwankt.
Die USA werden aktiv
In der jüngsten Vergangenheit hat es jedoch eine bedeutende Veränderung gegeben: Innerhalb von etwas mehr als einem Jahr gelang es den aufständischen ethnischen Gruppen, sich mit den sogenannten Volksverteidigungskräften (PDF), zusammenzuschließen, dem militärischen Flügel der selbst ernannten Nationalen Einheitsregierung (NUG) des Landes, die sich im Exil gegen die Militärherrschaft stellt.
Einige Beobachter gehen davon aus, dass diese Akteure von ausländischen Kräften dazu ermutigt und dabei unterstützt wurden.
Und wirklich sind die USA in Bezug auf Myanmar in letzter Zeit überraschend aktiv geworden. Traditionell war das südostasiatische Land zwar nie eine außenpolitische Priorität für Washington, aber das hat sich vor dem Hintergrund der doppelten Eindämmungsstrategie der Regierung Biden gegen China und Russland offensichtlich geändert.
Myanmars Exilregierung: kurze Wege ins Weiße Haus
Die US-amerikanische Vertretung der NUG befindet sich seit Februar 2023 in Washington DC, nur drei Blocks vom Weißen Haus entfernt. Ihre Repräsentanten sagen regelmäßig vor dem Kongress aus.
Im Dezember 2023 unterzeichnete Präsident Joe Biden das sogenannte Burma-Gesetz, das Sanktionen gegen die Mitglieder der Junta vorsieht und gegen diejenigen, die sie unterstützen. In der Washington Post wurde sogar schon die offizielle Anerkennung der Exilregierung gefordert.
Es gibt rund 230.000 burmesische Amerikaner, die hauptsächlich in Indiana, Kentucky, New York und Los Angeles leben.
Chinas fundamentale Interessen
China hat dagegen sehr fundamentale Interessen in Myanmar, die nur zum kleineren Teil mit Washington zu tun haben. Und die derzeitige Situation ist für Peking ungünstig.
Die durch den Bürgerkrieg verursachten Instabilitäten könnte chinesische Investitionen in der Region und sogar die Ambitionen zur Schaffung eines Wirtschaftskorridors bis zur Bucht von Bengalen behindern. Für China ist Myanmar ein wichtiges Land, das eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Neuen Seidenstraße spielt.
Ein Transportkorridor zum Tiefseehafen von Kyaukpyu, der von den Chinesen gebaut wird, soll quer durch das Land verlaufen und die schon fertig gestellten Öl- und Gaspipelines ergänzen, die für die VR China von strategischer Bedeutung sind, weil sie große Gebiete in Südwestchina (Provinz Yunnan) mit Energie versorgen.
Es bleibt unklar, ob China versuchen wird, seinen Einfluss zu nutzen, um die Macht der Volksverteidigungskräfte unter dem Kommando der NUG im Landesinneren zu begrenzen, oder ob es die Aufständischen als Stellvertreter für den Schutz seiner eigenen Interessen im Landesinneren von Myanmar und sogar in einer Zukunft nach dem Ende der Militärdiktatur betrachtet.
Kontakte zu beiden Seiten
Wer die chinesische Diplomatie kennt, kann nicht überrascht sein, dass China zu beiden Seiten Kontakte pflegt. Nur so ist zu erklären, dass es Peking Anfang 2024 gelungen ist, ein Waffenstillstandsabkommen zwischen einer Allianz von Guerillagruppen ethnischer Minderheiten und Naypyidaw zu vermitteln. Diesen haben aber die Tatmadaw genannten burmesischen Militärs ganz offensichtlich nicht eingehalten.
Gleichzeitig hat China im November 2023 und wieder Anfang April ziemlich umfangreiche Manöver an seiner über 2100 Kilometer langen Grenze zu Myanmar abgehalten. Sie können durchaus als Warnung an beide Seiten verstanden werden, chinesische Interessen nicht zu missachten.
Solange die Kämpfe ungebremst weitergehen, wird sich für Myanmar allerdings keine echte Chance auf die dringend nötige wirtschaftliche Weiterentwicklung eröffnen.
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