Nach A2-Crash: Wann holen wir die Lkws von der Straße?
Autobahn-Vollsperrung wegen fünf zertrümmerter Laster bei Magdeburg. Lkws kosten uns enorm viel Geld, töten und ruinieren die Umwelt. Was wir von Kanada und der DDR lernen können.
Am Dienstagnachmittag ist es auf der A2 bei Magdeburg zu einem schweren Lkw-Unfall gekommen. Fünf Lastwagen rasten ineinander, darunter ein Gefahrguttransporter und einer, der Lachgas geladen hatte.
Es kam zu Explosionen, Rauch stieg auf, Trümmerteile flogen durch die Luft. Die Erde habe gebebt, berichten Augenzeugen. Autofahrer:innen flohen zu Fuß von der Unfallstelle.
Bei dem Crash kamen zwei Lkw-Fahrer ums Leben, ein Mensch wurde verletzt. Die A2 musste in beiden Richtung voll gesperrt und der Verkehr auf der viel befahrenen Ost-West-Tangente zwischen Berlin und Hannover weiträumig umgeleitet werden.
Die Autobahn soll in Richtung Hannover noch bis heute gesperrt bleiben, hieß es von der Polizei, da die Bergungsarbeiten, Spurensicherung und Beseitigung der entstandenen Schäden andauere. Die Folge: tagelanges Verkehrschaos und enorme Kosten.
Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen mit Lkw-Beteiligung, wie vor sechs Wochen im bayerischen Landkreis Ansbach. Jährlich gibt es über 20.000 Unfälle mit Verletzten, an denen Lkws beteiligt sind, in fast 60 Prozent der Fälle sind die Lkw-Fahrer:innen die Hauptverursacher:innen.
Die Unfallfolgen sind durch die Größe und Masse der Lkws oft besonders schwer. Das Risiko, bei einem Lkw-Unfall getötet zu werden, ist für Beteiligte mehr als viermal so hoch wie für die Insassen des Lkw.
Aber das ist nicht der einzige Grund, warum Lkws nicht geeignet sind, massenhaft Güter von A nach B zu transportieren. Ein anderer, wesentlicher Negativfaktor sind die Treibhausgase.
Lkws verursachen rund zehn Prozent der globalen CO2-Emissionen. Zum Vergleich: Pkws sind für 7,4 Prozent der Emissionen verantwortlich. Zudem gibt es seit den 1990er-Jahren in Deutschland keinen Rückgang bei den klimaschädlichen CO2-Emissionen im Verkehr.
Und das liegt im Wesentlichen am Anwachsen des Güterverkehrs. Dessen Emissionen erhöhten sich zwischen 1995 und 2019 trotz technischer Verbesserungen von 39,3 auf 47,4 Millionen Tonnen, also um 21 Prozent.
Insgesamt verursachen Lkws in Deutschland derzeit gut ein Drittel der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor. Das liegt an der hohen Fahrleistung und am Verbrauch (30 bis 40 Liter pro 100 Kilometer).
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Dazu kommen hohe gesellschaftliche Kosten. Allein die Klimaschäden des Lkw-Güterverkehrs belaufen sich auf rund 8,5 Milliarden Euro jedes Jahr. Dazu kommen Schadstoffe, Lärm (verantwortlich für allein vier Milliarden Euro an Unkosten jedes Jahr) und Unfälle, aber auch andere Umweltkosten, Verlust von Landschaft sowie Ökosystemen und vielfältige schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit.
Die externen Kosten von Lkws belaufen sich in Deutschland laut Berechnungen von 2017 insgesamt auf 32,5 Milliarden Euro. Ferner belasten Laster die Infrastruktur wie Brücken und Autobahnfahrbahnen. Sie sind Hauptverursacher von Schäden an Straßen.
So beansprucht ein 40-Tonnen-Lkw mit einer Achslast von zehn Tonnen die Fahrbahn bis zu 160.000-mal stärker als ein Pkw, der eine Tonne wiegt und somit eine Achslast von 0,5 Tonnen hat. Im Vergleich zu einem durchschnittlichen Neuwagen mit 1,4 Tonnen und einer Achslast von 0,7 Tonnen wirkt eine Lkw-Überfahrt immer noch wie 41.000 Pkw-Überfahrten.
Die Mautgebühr, die für Lkws ab sieben Tonnen in Deutschland gilt, kompensiert sicherlich einige der Kosten – aber tatsächlich nur einen kleinen Teil. Die Einnahmen aus der Maut sprangen zwar von 2018 auf 2019 von 5,1 auf den Rekordwert von 7,5 Milliarden Euro. Aber damit können nicht einmal die externen Kosten von 32,5 Milliarden annähernd ausgeglichen werden, ganz zu schweigen von denen der Straßenabnutzung und diversen gesellschaftlichen Schäden.
Die hohe Kostenlast gilt aber nicht nur für Deutschland oder ausschließlich für den Lkw-Straßenverkehr. Deutsche und Schweizer Verkehrswissenschaftler haben in einer Studie für die EU-Länder sowie die Schweiz und Norwegen ermittelt, dass sich die gesamten externen Kosten des Verkehrs (ohne Staukosten) auf 530 Milliarden Euro allein im Jahr 2000 belaufen haben. Das entspricht fast acht Prozent des Bruttoinlandsprodukts in den untersuchten Ländern.
Der kostenträchtigste Verkehrsträger ist hierbei die Straße, die fast 84 Prozent der gesamten externen Kosten verursacht, gefolgt vom Luftverkehr mit 14 Prozent. Die Schiene verantwortet 1,9 Prozent der externen Kosten.
Deutsche möchten Vorzug für die Bahn
Umweltverbände und Verkehrsexperten fordern wegen der schweren Unfälle, Klimaschäden und ökonomischen Schädigungen schon seit Langem die Verlagerung des Güterverkehrs von der Straße auf die Schiene. Denn sie garantiert mehr Sicherheit, bessere Planbarkeit, weniger Umweltzerstörung und mehr Wirtschaftlichkeit.
Beispielsweise produziert die Straße im Güterverkehr neben Stickoxiden und Feinstaub über fünfmal so viel Klimagasemissionen wie die Schiene. Je stärker die Bahn mit erneuerbarem, CO2-neutralem Strom fährt, umso mehr wird sich dieses Verhältnis negativ für Lkws auswirken.
Zwar können die auch elektrisch betrieben werden, mit Batterien und Oberleitungen, oder durch Brennstoffzellen. Aber effizienter ist es mit der Bahn, vor allem, wenn man bedenkt, dass die anderen Kosten und Schädigungen im Straßengüterverkehr auch bei E-Lastern weiter bestehen.
So verursacht ein Lkw mit 4,5 Cent pro Tonnenkilometer mehr als doppelt so hohe externe Kosten wie Eisenbahnen (zwei Cent pro Tonnenkilometer) und Binnenschiffe (2,2 Cent pro Tonnenkilometer). Und hier sind Produktion, Unterhalt und Entsorgung der Fahrzeuge bis jetzt nicht einmal eingerechnet.
Umweltverbände drängen aber auch darauf, den Güterverkehr insgesamt zu verringern, da auch die schienengebundene Infrastruktur Umwelt schädigt und bis zur vollen Dekarbonisierung im Stromsektor mit – wenn auch deutlich geringeren – Emissionen verbunden ist.
Verkehr sollte also vor allem, wenn möglich, vermieden werden, fordert der Verkehrsclub Deutschland, das Öko-Institut oder der Nabu. Dabei könnten stabile regionale Wirtschaftskreisläufe helfen, Güterverkehr und Umweltbelastungen zu verringern.
Alles, was dann noch an Gütertransport getätigt wird, muss schnell entweder elektrifiziert oder auf die Bahn verlagert werden (wobei der Strom aus erneuerbaren Quellen stammen muss). In Deutschland liegt der Anteil der Schiene am Güterverkehr insgesamt (gemessen in Tonnenkilometern) bei 18 Prozent, in der Schweiz bei 37 Prozent. Es gibt also ordentlich Luft nach oben.
Wenn der politische Wille in Berlin bestehen würde, könnte die Schiene auch den Hauptteil übernehmen – zwei Drittel der Deutschen jedenfalls wollen den Vorzug der Bahn. Das wäre auch machbar, wenn man sich andere Länder anschaut. In Kanada liegt der Anteil der Schiene im Gütersektor bei 68 Prozent, in Australien und Russland bei rund 60.
In der DDR war es sogar möglich, drei Viertel des Güterverkehrs über die Bahn abzuwickeln. 1990 berichtete der Spiegel, dass man im Osten aber nun fest entschlossen sei, mit "Vorrang Straße" die "Fehlentwicklung des bundesdeutschen Verkehrssystems nachzuahmen".
Heute sollten wir Kanada, Australien und die DDR nachahmen, um unserer Abhängigkeit vom Lkw zu entkommen, die über Jahrzehnte mit politischer Extrem-Förderung des Lkw-Verkehrs bei gleichzeitigem Bahn-Abbau künstlich erzeugt wurde. Dann würden auch solche fatalen Unfälle wie diese Woche auf der A2, Dauerstaus, Ewig-Baustellen und die umweltzerstörerische Subventionierung des Güterverkehrs der Vergangenheit angehören.
Eigentlich eine Win-win-win-Situation: gut für die Wirtschaft und den Verkehrsfluss, gut für die Umwelt und das Klima, gut für unsere Gesundheit und unser Wohlbefinden. Doch den vorteilhaften Umstieg haben die diversen Lobbys (Lkw-Hersteller, fossile Brennstoffindustrie, Straßenbau-Konzerne etc.) und die ihnen assistierende Medien an den politischen Schaltstellen bisher verhindern können.
Das muss sich schnell ändern, vor allem mit Blick auf die Klimakrise, die uns nur noch wenig Zeit lässt, die Emissionen auf null zu bringen, um das Schlimmste zu verhindern. Wir haben die Wahl.
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