Nach Afghanistan ist vor neuen Einsätzen

Seite 2: 4. Militäroperationen mit süß-sauer-Namen und -Zielen

Am 07. Oktober 2001, knapp einen Monat nach den Anschlägen vom 11. September, begann die Operation Enduring Freedom (Operation Andauernde Freiheit). Das propagierte Ziel – und das nicht nur auf Afghanistan beschränkt – war, Führungs- und Ausbildungseinrichtungen von Terroristen auszuschalten, Terroristen zu bekämpfen, gefangenzunehmen und vor Gericht zu stellen, wie es in den meisten Quellen steht und in den meisten Fällen doch nicht eingetreten ist.

Fest steht jedenfalls, dass die Stationierung dieser und anderer westlicher Soldaten auf der Erdkugel im Rahmen der Operation Enduring Freedom eher einem Krieg der Sterne als einem Antiterroreinsatz entsprach.

So wurde etwa die deutsche Marine am Horn von Afrika und die deutschen ABC-Abwehrkräfte (ABC = Abkürzung für Atomare, Biologische und Chemische Waffen) in Kuwait auf der Arabischen Halbinsel stationiert.

Al-Qaida standen jedoch weder eine Flotte noch ABC-Massenvernichtungswaffen zur Verfügung und Osama Bin Laden muss sich in der Antarktis bei den Pinguinen am Südpol aufgehalten haben.

Denn trotz des massiven Einsatzes vieler deutscher und sonstiger internationaler Streitkräfte galt der Chef von al-Quaida für die nächsten zehn Jahre als nicht auffindbar.

5. Zwiespältige Figuren wie aus dem Nichts

Den internationalen Journalisten (auf der Afghanistan-Konferenz Ende 2001) schien sowieso alles nicht nur viel zu kompliziert, sondern end- und hoffnungslos zu sein, bis Ahmad Fawzi, der Sprecher des UNO-Sonderbeauftragten für Afghanistan, Lakhdar Brahimi, mit der erlösenden Meldung kam.

Er berichtete vom Anruf eines mutigen Paschtunen-Führers aus Tora Bora, der gerade dabei gewesen sein sollte, die Terroristen zu bekämpfen. Dieser sei in den Konferenzsaal durchgestellt worden und hätte seine dort versammelten Landsleute über Lautsprecher ermutigt, eine gemeinsame Übereinkunft im Sinne des Landes zu erreichen. Sein Name war Hamid Karzai.

Später wird der Anruf noch eine größere Bedeutung erlangen: Einen Tag vor Ende der Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg wurde Hamid Karzai von den afghanischen Teilnehmern, so zumindest die offizielle Verlautbarung, in Abwesenheit zum Präsidenten der Übergangsregierung in Afghanistan ernannt.

Eine geheime Wahl ohne Außeneinflüsse dürfte es wahrlich nicht gewesen sein, zumal das Wahlvolk Tausende von Kilometern entfernt zu Hause saß und machtlos zuschaute, was und vor allem wen die Fremden von der internationalen Gemeinschaft für das eigene Land, für einen selbst stellvertretend wählten.

6. Immer neuere (ZU)Recht(BE)schreibreformen

Die Bundesverteidigungsminister zwischen 2001 und 2009, Rudolf Scharping (SPD), Peter Struck (SPD) und Franz Josef Jung (CDU), sprachen parteiübergreifend übereinstimmend lediglich von bewaffnetem Konflikt im Hinblick auf die Lage in Afghanistan.

Bezüglich des deutschen Einsatzes dort im Rahmen der Internationalen Sicherheitsbeistandstruppe (Isaf) sprach ersterer von Friedensmission, letzterer vom Stabilisierungseinsatz. Struck allerdings stellte alle anderen in den Schatten mit seiner Äußerung im Dezember 2002: Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland wird auch am Hindukusch verteidigt.

Erst Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (2009-2011) räumte angesichts der zunehmenden und nicht mehr wegzuleugnenden Verwicklung in Kampfhandlungen Anfang April 2010 vor Journalisten in Bonn ein, man könne umgangssprachlich von Krieg in Afghanistan reden.

Bereits Monate zuvor hatte zu Guttenberg vorbereitend von kriegsähnlichen Zuständen in Afghanistan gesprochen und schaffte es damit auf Platz zwei der Liste der Wörter des Jahres 2009.

Demnach könnte es sich zwischen 2001 und 2010 am Hindukusch nur um einen militärischen Einsatz, dann einen bewaffneten Konflikt, dann einen kriegsähnlichen Zustand im Zusammenhang mit einem Mädchenschulen-Bauvorhaben gehandelt haben. Erst danach brach, zumindest sprachlich, irgendwie doch noch ein Krieg aus.

7. Umbenennung von Armeen, Nicht-Nennung von Zahlen

"Im Feuer des Gefechtes und im Laufe verschiedener Mandate bzw. Operationsnamen wurde die deutsche Bundeswehr nach ihrer Stationierung in Afghanistan im Jahr 2002 irgendwann zu einer Baufirma für Mädchenschulen umgetauft.

Der Erfinder des schlichten und zugleich sehr fantasievollen Konstrukts mit den Mädchenschulen konnte … bis heute nicht ermittelt werden und musste folglich auch nicht zurücktreten.

Ein Rücktritt wäre spätestens im Chaos-Jahr 2015 fällig gewesen. Denn es hatte sich herausgestellt, dass Afghanen nach Syrern die zweitgrößte Gruppe bei der Flüchtlingskrise darstellten, die in jenem Jahr das Mittelmeer zwischen der Türkei und Griechenland überquerten - trotz der von der Bundeswehr gebauten Mädchenschulen am Hindukusch.

Nach Schätzungen der Vereinigung Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (International Physicians for the Prevention of Nuclear War, IPPNW) hatte der Krieg gegen den Terror, zu dem sie den Irak-Krieg zählte, 1,3 Millionen Menschenleben bis 2014 gekostet. In einer 2015 veröffentlichten Studie gab die Organisation die Opferzahlen wie folgt an: über 200.000 im Afghanistan, knapp 100.000 im Pakistan und der Rest, circa eine Million, im Irak.