Nach Rückzugsforderung: Israel fliegt neue Luftangriffe auf Syrien
Kampfjets der israelischen Luftwaffe
(Bild: Andreas Zeitler/Shutterstock.com)
Syriens Regierung fordert Truppenabzug von besetzten Golanhöhen. Israel reagiert mit neuen Angriffen auf Militärstützpunkte südlich von Damaskus. Ein Überblick.
Wie syrische Medien berichten, haben israelische Kampfflugzeuge am späten Dienstag mehrere Luftangriffe auf Militärziele in der Stadt Kisweh, rund 20 Kilometer südlich der Hauptstadt Damaskus, sowie in der südlichen Provinz Daraa durchgeführt.
Darüber hinaus seien Bodentruppen in die Gegenden um Quneitra und Daraa im Südwesten des Landes vorgerückt.
Nur wenige Stunden zuvor hatte die syrische Führung einen Rückzug Israels aus den seit dem Sturz des Assad-Regimes besetzten Gebieten gefordert, berichtet die New York Times.
Angriffe auf Waffendepots und Militärstützpunkte
Laut Angaben der israelischen Armee wurden bei den Angriffen Militärstützpunkte mit Waffenarsenalen ins Visier genommen.
Wie die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte berichtete, kamen bei einem Angriff auf das Hauptquartier einer Militäreinheit südwestlich von Damaskus mindestens zwei Menschen ums Leben. Ob es sich um Zivilisten oder Militärs handelte, konnte die in Großbritannien ansässige Nichtregierungsorganisation nicht bestätigen.
Zeitgleich griffen israelische Jets laut der Beobachtungsstelle einen strategisch wichtigen Hügel namens Tell al-Hara in der Provinz Daraa an, der weite Teile der Golanhöhen und Nordisrael überblickt. AFP-Korrespondenten berichteten, laute Explosionen gehört und Kampfflugzeuge über Damaskus gesehen zu haben.
Israels Verteidigungsminister Israel Katz bestätigte die Angriffe im Süden Syriens und warnte, Israel werde "nicht zulassen, dass die Streitkräfte der HTS-Organisation oder der neuen syrischen Armee in das Gebiet südlich von Damaskus eindringen".
"Wir werden nicht zulassen, dass der südliche Teil Syriens zum südlichen Libanon wird", so Katz. Jeder Versuch der syrischen Regimetruppen und der Terrororganisationen des Landes, sich in der Sicherheitszone im Süden Syriens zu etablieren, werde mit Feuer beantwortet, fügte der Minister hinzu.
Israel besetzt Pufferzone auf Golanhöhen
Kurz nachdem die von HTS angeführte Rebellenoffensive am 8. Dezember den langjährigen syrischen Machthaber Baschar al-Assad gestürzt hatte, marschierten israelische Truppen in die entmilitarisierte UN-Pufferzone ein, die Israel und Syrien auf den Golanhöhen seit 1974 trennt.
Israel hatte den Großteil der strategisch wichtigen Hochebene 1967 erobert und später völkerrechtswidrig annektiert, was international nicht anerkannt wird.
"Wir fordern die vollständige Entmilitarisierung des südlichen Syriens, einschließlich der Provinzen Quneitra, Daraa und Suwayda", bekräftigte Netanjahu zuletzt am Sonntag.
Syrien verurteilt israelisches Eindringen
Stunden vor den israelischen Luftangriffen am Dienstag verurteilte Syrien die Besetzung der Pufferzone durch Israel und forderte den Abzug der Truppen aus syrischem Territorium.
Die Erklärung wurde zum Abschluss einer nationalen Dialogkonferenz abgegeben, auf der Hunderte syrische Aktivisten und Anführer den politischen Übergang nach Assad planten.
Trotz Protesten der syrischen Regierung und der Vereinten Nationen, die die Pufferzone überwachen, sind die israelischen Streitkräfte seither dort verblieben. Netanjahu erklärte, sie würden "für unbestimmte Zeit" bleiben, um Israels Gemeinden zu schützen und jegliche Bedrohung abzuwehren.
Hunderte Luftangriffe seit Assads Sturz
In den Wochen nach dem Sturz des Assad-Regimes flog die israelische Luftwaffe bereits Hunderte Luftangriffe auf Waffendepots, Marinestützpunkte und syrische Militärinfrastruktur. Damit sollte laut Israel verhindert werden, dass die Waffen in die Hände von Rebellen fallen. Seit dem Jahreswechsel hatten die israelischen Angriffe auf Syrien größtenteils aufgehört.
Bereits während des 2011 ausgebrochenen syrischen Bürgerkriegs bombardierte Israel das Nachbarland regelmäßig, ohne sich offiziell dazu zu bekennen. Damals konzentrierten sich die Angriffe vor allem auf iranische Truppen in Syrien und Waffenlieferungen an die libanesische Hisbollah-Miliz. Beide verließen Syrien im Vorfeld des Sturzes von Assad.
Bis auf verbale Verurteilungen stellte sich die neue syrische Regierung den israelischen Truppen in ihrem Land bisher nicht entgegen. Zermürbt von 14 Jahren Bürgerkrieg und noch mit dem Aufbau einer nationalen Armee beschäftigt, hat das syrische Militär derzeit wenig Kapazitäten für einen Konflikt mit dem schwer bewaffneten südlichen Nachbarn.
Eine Reaktion aus dem Auswärtigen Amt auf die Vorgänge steht bislang aus.