Nach dem Patriotismus kommt der Sieg
Das zweite Ziehkind von Justizminister John Ashcroft soll gemeinsam mit dem Patriot-Act auf Ashcrofts Werbe-Tour vorgestellt werden
Die USA haben eine Vorliebe für klangvolle Namen, die vorzugsweise mit "Act" enden. Das wohl bekannteste Beispiel hierfür ist der Patriot-Act, der mittlerweile nicht nur von Bürgerrechtlern scharf kritisiert wird.
Ein USA PATRIOT ACT, das ist für eine Nation, die regelmäßig mit Hand auf dem Herz und feuchten Augen die Nationalhymne singt, zunächst einmal etwas Positives. Und an sich ist Patriotismus nicht verkehrt, der Patriot Act hat auch vordergründig sehr viel mit dieser Einstellung gemein, lautet seine komplette Bezeichnung doch:
Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act
Nun klingt ein vereinigtes gestärktes Amerika nicht schlecht, und dass notwendige Mittel / Werkzeuge zur Verfügung gestellt werden um Terrorismus zu behindern und zu stören ist ohne Zweifel ein hehres Ziel. Dass aber gerade der so patriotisch klingende Act sich als Mittel zur Bespitzelung der eigenen Bürger erweisen würde, stellte sich erst nach und nach heraus. So wollte das FBI nicht nur einmal Kundendaten von Büchereien oder Buchhandlungen, natürlich weil man davon ausging, dass diese Daten Rückschlüsse auf Terroristen geben würden. Was die Befragten jedoch fast noch mehr entzürnte als diese Ausspionierei war, dass das FBI letztendlich auch noch verbot, dass jemand von der Befragung erfuhr. Wie in einem schlechten Film überlegten sich Angestellte von Büchereien,ob und wie sie doch jemanden darauf aufmerksam machen konnten, dass das FBI vor der Tür stand, wieder andere nahmen Abstand von ihren Karteien und dem dazugehörigen Rabattsystem, eine Gemeinde beschloss gar Strafen, sollte jemand dem FBI Auskunft erteilen ohne darüber zu informieren. Die American Civil Liberties Union bot den Buchhändlern daraufhin kostenlosen juristischen Rat an.
Dass der Patriot Act also letztendlich nicht unbedingt patriotisch daher kommt, ist den meisten mittlerweile klar geworden. Dennoch lässt es sich der einst vor "Big Brother" warnende John Ascroft nicht nehmen, auf seiner persönlichen Advertising-Tour in mehr als einem Dutzend Städten die Kritik am Patriot Act zurückzuweisen, den er selbst noch immer für geeignet, angemessen und rechtmäßig zur Terrorbekämpfung hält. Zusammen mit dem Patriotismus wird dann auch ein weiteres lohnendes Ziel verkündet: der Sieg. Genauer: den VICTORY Act.
Der Victory Act geht den gleichen Weg wie der Patriot Act. Auch er lockt nicht nur mit einer wohlklingenden Abkürzung sondern bietet auch ausgeschrieben noch keinerlei Grund zur Beanstandung.
Vital Interdiction of Criminal Terrorist Organizations Act of 2003
Heißt es in Langform und ein "lebenswichtiges Verbot von kriminellen terroristischen Organisationen", das klingt zunächst einmal genauso sinnvoll wie der "große Bruder", der Patriot Act.
Die National Consumer Coalition's Privacy Group (NCC), die erst kürzlich einen Entwurf des Victory Act in die Hände bekam, zeigt sich jedoch vom Namen wenig beeindruckt und äußerst schon jetzt ihre Besorgnis darüber, wie sich dieses Gesetz auf die ohnehin schon stark angegriffene Privatsphäre der Amerikaner auswirken wird, weshalb sie den Victory Act auch prompt als den Privacy Villain of the Week ehrten.
Zunächst einmal erscheint der Victory Act, gerade im so genannten "Kampf gegen die Drogen", durchaus durchdacht. Doch dann finden sich die Fallstricke - zum Beispiel sollen die Richter die sogenannte "safety valve" nicht mehr nutzen dürfen. Das "Sicherheitsventil" ermöglicht es den Richtern, Ersttäter nicht zur Mindeststrafe, sondern auch darunter zu verurteilen.
Von dieser Praxis soll, wenn es nach Senator John Ashcroft geht, Abstand genommen werden, was jedoch nicht die einzig beunruhigende Idee des Victory Act bleibt, soll er doch Senator Ashcroft und den ihm unterstellten Strafverfolgern weitere Befugnisse gewähren, ohne dass diese noch der richterlichen Kontrolle unterworfen sind. Lässt sich also eine Ermittlung an, die nur entfernt mit dem Wort "Terrorismus" in Verbindung gebracht werden kann, so erhält John Ashcroft selbst das Recht, sogenannte "administrative subpoenas" zu erlassen, welche einem Hausdurchsuchungsbefehl gleichkommen, allerdings aber ohne richterliche Erlaubnis vollzogen werden dürfen.
Weiterhin würden diese "subpoenas" dazu führen, dass die Strafverfolger auf sensible Kundendaten Zugriff erhalten. Dies beträfe insbesondere die Daten der Telekommunikationsunternehmen, der Internet Service Provider und der Banken, welche explizit in Section 504 des Victory Act aufgeführt sind. Die NCC sieht darin einen Vertrauensbruch, denn so könnten Firmen die Privatsphäre ihrer Kunden verletzen ohne dafür jemals zur Verantwortung gezogen zu werden da sie ja im Sinne des Victory Act handeln.
Die NCC wird den Victory Act genau im Auge behalten, es steht jedoch zu befürchten, dass, ähnlich wie beim mittlerweile zurückgetretenen TIA-Mastermind Poindexter, eine wohlklingende Idee der nächsten folgt. Wie schon zynisch auf einer Mailingliste vermerkt wurde:
In short: Ashcroft claims VICTORY over Human Rights