Nach dem Scheitern in Kopenhagen
Die Energie- und Klimawochenschau: Klimakonferenz nimmt lediglich eine wachsweiche Erklärung zur Kenntnis, China macht erneuerbare Energieträger erschwinglich, der dänische Staat reagiert auf Klimaschützer allergisch
Es war ohne Frage eine Klimakonferenz der Superlative. Rund 45.000 Teilnehmer hatten sich angemeldet und die dänischen Gastgeber total überfordert. Fast 120 Staats- und Regierungschefs waren gekommen, während sonst doch bestenfalls Minister geschickt werden, um über Klimaschutz zu reden.
Gemessen daran waren die Ergebnisse mehr als dürftig. Statt eines verbindlichen Vertrages stand am Ende nur eine politische Erklärung, die von der Versammlung der 192 vertretenen Staaten nicht einmal angenommen, sondern nur zur Kenntnis genommen wurde (Kopenhagen endet mit Armutszeugnis). Zumindest lässt sich jedoch sagen, dass die Verhandlungen nicht vollständig zusammengebrochen sind. Die wichtigen Arbeitsgruppen weiter arbeiten werden.
Sofern der politische Druck reicht, könnte dabei auf der nächsten UN-Klimakonferenz im Dezember 2010 in Mexiko ein neuer Vertrag herauskommen. Oder es könnte sich der von den USA favorisierte und in der Erklärung angelegte Weg durchsetzen, wonach die Länder lediglich freiwillige Verpflichtungen eingehen, die keine völkerrechtliche Verbindlichkeit haben. In gewisser Weise wäre das vielleicht ehrlicher, denn bisher fehlt es den Verträgen, der Klimarahmenkonvention und dem Kyoto-Protokoll, an Strafmechanismen, so dass Staaten, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen nichts weiter als eventuell einen Gesichtsverlust zu erwarten haben.
Entsprechend sieht es nämlich auch mit der Moral aus. Das indische Center for Science and Environment (CSE) hat einmal die neuesten Emissionszahlen ausgewertet, die die Länder dem Sekretariat der UN-Klimarahmenkonvention in Bonn gemeldet haben. Fortschritte im Abbau der Treibhausgasemissionen sind demnach auch 17 Jahre nach Unterzeichnung der Konvention bestenfalls mit der Lupe auszumachen und oftmals eher eine Folge industriellen Niedergangs als Ergebnis eines gezielten Strukturwandels.
Eigentlich, so war es 1992 mit der Rahmenkonvention vereinbart worden, hätten die Industriestaaten bis zum Jahre 2000 ihre Emissionen auf dem Level von 1990 stabilisieren sollen. Doch daraus wurde in den seltensten Fällen etwas. Nur die osteuropäischen Staaten, die nach dem Zusammenbruch des Ostblocks 1989/1990 eine schwere und langwierige Wirtschaftskrise durchliefen emittieren heute weniger CO2 als 1990. Im Westen gibt es nur zwei Ausnahmen von dieser Regel: Deutschland, dessen Treibhausgasbilanz durch den Zusammenbruch der DDR-Ökonomie glänzt, und Großbritannien, das seit Beginn der 1990er Jahre heimische Erdgasvorkommen ausbeutet und mit diesen einen erheblichen Teil seines Steinkohleverbrauchs ersetzen konnte.
Ansonsten sieht es mit den Klimaschutzmaßnahmen in den Industriestaaten - trotz aller Rhetorik - eher finster aus. Den Zahlen des CSE ist zu entnehmen, dass die Treibhausgas-Emissionen der Industriestaaten, wenn man die Osteuropäer ausnimmt, um 16 Prozent gestiegen sind. Der Löwenanteil dieses Anstiegs geht auf das Konto der USA. Dort sind die Emissionen zwischen 1990 und 2007 um 20 Prozent gestiegen. Laut Kyoto-Protokoll sollten inzwischen die US-Emissionen sieben Prozent unter dem Niveau von 1990 liegen, doch dem haben die US-Unterhändler seinerzeit 1997 zwar zugestimmt, aber zur Ratifizierung ist es nie gekommen.
Hitliste der Schmutzfinken
Die meisten anderen westlichen Industriestaaten sind jedoch Mitglieder des Kyoto-Protokolls. Da ist zum Beispiel die EU, die ihre Emissionen um acht Prozent reduzieren soll. (Die EU ist das einzige kollektive Mitglied des Kyoto-Protokolls.) 2007 lag der Treibhausgas-Ausstoß gerade auf dem Niveau von 1990, nach dem er in den Jahren zuvor teils deutlich höher gewesen war. Wenn die derzeitige Krise, die mit einem erheblichen Rückgang des Energieverbrauchs (Weniger Treibhausgase) verbunden ist, nicht länger anhält, dann wird es wohl nichts mehr mit der Einhaltung der Kyoto-Ziele.
Im Vergleich zu anderen stehen die Europäer aber noch gut da. Absoluter Spitzenreiter unter den Klimasündern ist eindeutig die Türkei, die ihre Emissionen gegenüber 1990 um rund 120 Prozent erhöht haben. Aber eigentlich ist diese Platzierung ein bisschen unfair, weil das Land nur aufgrund einer unachtsamen Eitelkeit türkischer Diplomaten auf die Liste der Staaten mit Reduktionsverpflichtungen gelangt ist. Die Türkei ist Mitglied der OECD, also des Clubs der reichen Länder, und landete deshalb auf der Liste. Wesentlich weiter entwickelte Länder wie Südkorea oder Singapur werden hingegen nicht zu den Industriestaaten gezählt, weil sie 1992 noch nicht als solche wahrgenommen wurden. Die Türkei ist jedenfalls von ihrer ökonomischen Struktur her eher ein Schwellenland als ein voll entwickelter Industriestaat. Deshalb ist also ihre seit Jahren vorgetragene Forderung, von der Liste der Industrieländer gestrichen zu werden - also weniger Klimaschutzverpflichtungen aufgebrummt zu bekommen - nicht ganz unberechtigt.
Anders sieht es allerdings im Falle Australiens aus. Um 42 Prozent lagen dort 2007 die Emissionen über dem Niveau von 1990. Das hat sicherlich etwas damit zu tun, dass in Canberra bis vor zwei Jahren eine konservative Regierung an den Schalthebeln saß, die den USA nicht nur in Nibelungen-Treue in jeden Krieg folgte, sondern auch deren Politik gegenüber den Klimaverhandlungen kopierte. Aber auch die seit 2007 regierenden Sozialdemokarten haben zwar ein Umsteuern versprochen, bisher allerdings nicht wirklich den Mumm gehabt, sich gegen die übermächtige Kohle-Lobby durchzusetzen. Das Land lebt von der Ausbeutung seiner Bodenschätze und ist einer der weltweit größten Kohleexporteure.
Spitzenreiter unter den Schmutzfinken ist übrigens Island, das auf über 50 Prozent Steigerung gegenüber 1990 kommt. Zum Glück sind die Emissionen des bankrotten Zwergstaats absolut ziemlich klein, so dass sie nicht weiter ins Gewicht fallen. Deshalb, und weil auf der nordatlantischen Insel viel Geothermie genutzt wird, hatte man 1997 im Kyoto-Ptotokoll den Wikinger-Nachkommen sogar eine Emissionssteigerung um zehn Prozent zugestanden. Dennoch lagen sie 2007 deutlich über dem Soll, und nur wenn im Rahmen der Krise wieder ein wenig mehr Bescheidenheit einkehrt, können die Verpflichtungen noch eingehalten werden.
Vordere Plätze in den Charts der Umweltsünder haben darüber hinaus Kanada mit plus 29 Prozent seit 1990 und Japan (plus 14 Prozent). In der kanadischen Provinz Alberta wird seit einigen Jahren großflächig die Landschaft umgegraben, um aus Teersänden mit erheblichem Energieaufwand erdölähnlich Substanzen zu extrahieren. In Japan hat man hingegen ein Auge auf die ultimativen Lagerstätten fossiler Energieträger geworfen.
Legendenbildung
Das lässt die Legendenbildung, die nach dem Kopenhagener Gipfel von europäischen Politikern wie dem britischem Energieminister Ed Miliband, in dessen Land der Ausbau der erneuerbaren Energieträger seit Jahren hinkt, betrieben wurde, in einem anderen Licht erscheinen. Während sich die EU sowohl mit Zusagen für den Anpassungsfonds als auch mit ihren Reduktionszielen zurückgehalten hatte und auch die US-Obstruktionen stillschweigend duldete, versuchten der Brite und andere China die Verantwortung für das Scheitern in die Schuhe zu schieben.
In China scheint man indes mit den Ergebnissen des Kopenhagener-Gipfels - obwohl selbst am Zustandekommen der Abschlusserklärung wesentlich beteiligt - nicht besonders glücklich. Das legt zumindest die Analyse von Francesco Sisci in dem in Bangkok erscheinenden Online-Magazin Aisa Times Online nahe. Die Führung in Beijing (Peking) habe sich ein handfestes Abkommen gewünscht, um die Regionalfürsten besser in Sachen Klimaschutz unter Druck setzen zu können. Sisci verweist auf die uralten, viele Jahrhunderte weit in die Geschichte zurück reichenden Schwierigkeiten Beijings, die Provinzen effektiv regieren zu können. Aktuell geht es darum, dass vor Ort die Funktionäre vor allem ein Interesse an ökonomischer Entwicklung haben, während in der Zentrale das Bewusstsein wächst, dass die Entwicklung nachhaltig sein muss, also nicht zu sehr mit Umweltbelastungen behaftet sein darf.
Preisrevolution aus Fernost?
Helen Clark vom UN-Umweltprogramm UNEP hat derweil am Rande der Kopenhagener Konferenz die positive Rolle hervorgehoben, die China für die Entwicklungsländer spielen könnte. Schon jetzt ist das Land Weltmarktführer in Sachen Fotovoltaik, so dass hiesige Hersteller nach Jahren der Traumprofite - die zugegebener Maßen reinvestiert wurden - nun nach protektionistischen Maßnahmen gegen die chinesische Konkurrenz rufen.
In China sind die Personalkosten erheblich geringer, weswegen hiesige Kommentatoren und Solartechnik-Unternehmer ihr Herz für die Arbeiter entdecken und für die Einhaltung sozialer Standards werben. Tatsächlich ist der Unterschied, gemessen an den sonstigen Kosten, nicht gerade gewaltig: Bei Yingli, einem der aufsteigenden Sterne am chinesischen Solartechnik-Himmel, beträgt der Anteil der Löhne an den Herstellungskosten nach einem Bericht der VDI-Nachrichten sechs bis sieben Prozent, hierzulande sind es "zehn Prozent mehr". Das Geheimnis scheint, folgt man dem VDI-Autor, eher in der größeren Effizienz zu liegen. In China angewandte energiesparende Verfahren versprächen künftig die Kosten weiter zu senken.
UNEP-Sprecherin Clark sieht darin die Chance, dass die Volksrepublik die Welt demnächst mit kostengünstigen Anlagen für die umweltfreundliche Gewinnung von Energie versorgen könnte. Auf jeden Fall wird die Volksrepublik bei allem Gejammer hiesiger Produzenten dazu beitragen, dass die Preise schneller als erhofft sinken und damit auch die Parität zu den fossilen Energieträgern in greifbare Nähe kommt. Bei der Windenergie ist sie schon so gut wie erreicht, aber auch hier werden in den nächsten Jahren die zahlreichen in China entstandenen Unternehmen weiter auf den Preis drücken und so die Einführung beschleunigen.
Vordemokratische Methoden
Umso bedrückender ist es da, mit welch autoritären und vordemokratischen Methoden die neoliberale dänische Regierung auf die beispiellosen Proteste am Rande des Gipfels reagiert hat. Mit 100.000 Demonstranten in Kopenhagen, fast der gleichen Zahl zusammengerechnet in verschiedenen Städten Australiens und vielen tausend Demonstranten in Neu Delhi, London und manchen anderen Städten rund um den Globus, sah die Welt die bisher größten Kundgebungen, auf denen die Menschen effektive Maßnahmen zum Schutz des Klimas forderten.
Die Antwort der dänischen Regierung bestand jedoch vor allem darin, schon Monate im Vorfeld in der Öffentlichkeit ein Klima der Angst zu erzeugen, und dann rund 1.800 Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen "vorbeugend" festzunehmen. Die Betroffenen wurden dabei über Stunden entwürdigenden Prozeduren ausgesetzt. Zum Beispiel wurde ihnen der Gang zur Toilette verweigert, außerdem waren sie gezwungen, in schmerzhaften Positionen auf der kalten Erde zu verharren. Dies überstanden sperrte man sie in Drahtkäfige, die die deutschen Behörden zur Verfügung gestellt hatten.
Überdies gab es durch das Abhören und die willkürliche Verhaftung der Handys der Pressesprecher des Protestbündnisses Climate Justive Action und ihre offensichtlich willkürliche Verhaftung massive Eingriffe in die Pressefreiheit. Bleibt zu hoffen, dass die Kopenhagener Ereignisse noch ein Nachspiel vor den Gerichten und vielleicht auch vor dem EU-Parlament sowie dem EU-Gerichtshof für Menschenrechte haben und der Regierung bei den nächsten Wahlen auf die Füße fallen.