Nachspiel für ersten deutschen Vernichtungskrieg
Herero verklagen Deutschland auf Entschädigung
Die blutigen Niederschlagung des Herero-Aufstandes während der deutschen Kolonialherrschaft in Namibia, bei der große Teile des Herero-Volkes ermordet wurden, könnte fast 100 Jahre später ein gerichtliches Nachspiel haben. Die Herero People's Reparation Corporation hat Deutschland und zwei deutsche Firmen vor US-Gerichten auf jeweils zwei Milliarden Dollar verklagt. Die Eröffnung des Verfahrens wird für März oder April erwartet.
Die Herero werfen Deutschland, der Deutschen Bank und der Schifffahrtsgesellschaft Woermann-Linie vor, Gräueltaten und Massenmord an 65.000 Herero begangen zu haben. Ursprünglich sollte auch die Terex Corporation verklagt werden, doch die Klage wurde fallen gelassen, als die Firma angab, unter einem anderen Management gewesen zu sein, als die kolonialen Gräueltaten begangen wurden.
Die Deutsche Bank war die wichtigste Finanzinstitution in Südwestafrika von 1890 bis 1915. Die Disconto-Gesellschaft, die 1929 von der Deutschen Bank erworben wurde, kontrollierte zusammen mit der Deutschen Bank praktisch alle Finanz- und Bankaktionen in Südwestafrika von 1890 bis 1915... Die Deutsche Bank war direkt und indirekt über die Disconto-Gesellschaft ein entscheidender Akteur bei den deutschen Kolonialgeschäften
begründete Philip Musolino von der Anwaltskanzlei Musolino und Dessel, die die Herero vertritt, die Klage.
Die Unternehmen hätten eine "brutale Allianz mit dem kaiserlichen Deutschland" geschlossen, die "schonungslos die Versklavung und genozidale Zerstörung des Herero-Stammes" verfolgt hätte. Laut Kauma Riruako, dem obersten Häuptling der Herero, ist die Klage von den erfolgreichen Klagen von ehemaligen NS-Zwangsarbeitern in den USA gegen deutsche Firmen inspiriert worden.
Tatsächlich waren Deutsche Bank und Woermann-Linie direkt an der deutschen Kolonialherrschaft im heutigen Namibia beteiligt. Um die Kupfervorkommen am Nordrand des Herero-Gebietes ausbeuten zu können, baute die "Otavi-Minen-und Eisenbahn-Gesellschaft" (OMEG) eine Eisenbahnlinie, die Otavibahn, quer durch das Herero-Gebiet. "Hinter der OMEG steckte ein britisch-deutsches Konsortium. Zu den Großaktionären zählten die Disconto-Gesellschaft, die Deutsche Bank und die Norddeutsche Bank, in deren Aufsichtsrat der Hamburger Reeder und Afrikahändler Adolph Woermann saß", erklärt Heiko Möhle, Autor des Buches "Branntwein, Bibeln und Bananen. Der deutsche Kolonialismus - eine Spurensuche in und um Hamburg".
"Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und in Strömen von Geld"
Das für die Bahnlinie notwendige Land mussten die Herero unentgeltlich abtreten, die schwarze Bevölkerung wurde zum Eisenbahnbau herangezogen. Deutsche Siedler nahmen den Einheimischen zudem Land und Vieh weg, vor Gericht wurde die schwarze Bevölkerung benachteiligt. Als das führte schließlich dazu, dass die Herero am 12. Januar 1904 unter ihrem Häuptling Samuel Maherero zu den Waffen griffen.
Nach anfänglichen Verlusten schlugen die deutschen Kolonialtruppen den Aufstand jedoch erbarmungslos nieder, nachdem General Lothar von Trotha das Kommando übertragen bekommen hatte. Die Woermann-Linie verdiente übrigens auch an der Niederschlagung des Aufstandes gut, der doch durch ihre Politik mit verursacht war: Sie war es, die die deutschen Militärtransporte nach Südwestafrika durchführte. Von Trotha ließ von Anfang an keine Zweifel über sein Vorgehen entstehen. In den Akten des Reichskolonialamtes findet sich folgende Aussage von ihm:
"Ich kenne genügend Stämme in Afrika. Sie gleichen sich alle in dem Gedankengang, dass sie nur der Gewalt weichen. Diese Gewalt mit krassem Terrorismus und selbst mit Grausamkeit auszuüben, war und ist meine Politik. Ich vernichte die aufständischen Stämme in Strömen von Blut und in Strömen von Geld."
Die Herero wurden in die Wüste Omaheke getrieben, wo sie zu Tausenden verdursteten. In einem Bericht des deutschen Generalstabes von 1906/07 heißt es:
"Die wasserlose Omaheke sollte vollenden, was die deutschen Waffen begonnen hatten: Die Vernichtung des Hererovolkes. Die mit eiserner Strenge durchgeführte Absperrung des Sandfeldes vollendete das Werk der Vernichtung... Das Strafgericht hatte sein Ende gefunden. Die Herero hatten aufgehört, ein selbständiger Volksstamm zu sein."
Von Trotha stellte am 2. Oktober 1904 klar, dass es für die Herero keinen Ausweg aus der Wüste gebe: "Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero, mit oder ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh, erschossen. Ich nehme keine Weiber und Kinder mehr auf, treibe sie zu ihrem Volke zurück oder lasse auf sie schießen." Da die Deutschen die Herero aber noch als Arbeitskräfte brauchten, musste von Trotha die Massaker schließlich einstellen, die noch am Leben gebliebenen Herero wurden in Konzentrationslager gebracht.
Wie die Deutschen in ihrer Kolonie gewütet hatten, wurde erst in den folgenden Jahren deutlich. 1918 legte die britische Regierung dem Parlament einen Bericht vor, der unter anderem die eidesstattliche Aussage von Jan Cloete enthält, der Fährtenleser bei der deutschen Truppe gewesen war:
"Ich war dabei in Hamakari beim Waterberg, wo die Herero geschlagen wurden. Nach der Schlacht wurden alle Männer, Frauen und Kinder, die in die Hände der Deutschen gefallen waren, ob verwundet oder nicht, ohne Mitleid umgebracht. Die Deutschen verfolgten die anderen. Alle Versprengten am Wege oder im Feld wurden niedergeschossen oder mit dem Bajonett erstochen. Die große Mehrheit der Herero-Männer waren ohne Waffen und nicht mehr fähig zu kämpfen. Sie versuchten nur noch, mit ihrem Vieh zu entkommen. "
Entschuldigung, aber keine Entschädigung
"Etwa 70% der Hererobevölkerung waren vernichtet worden. Dies ist eine Bilanz des ersten deutschen Vernichtungskrieges", bilanziert Möhle. Trotzdem haben die verschiedenen deutschen Regierungen Entschädigungszahlen immer abgelehnt. Jahrelang versuchten die Herero, Deutschland auf außergerichtlichem Wege zu einer Anerkennung seiner Schuld zu bewegen - vergeblich. 1995 lehnte Bundeskanzler Helmut Kohl bei einem Besuch in Namibia ein Treffen mit Vertretern der Herero ab.
Bundespräsident Roman Herzog nahm 1998 in Namibia immerhin eine Petition der Herero entgegen und befand, dass sich die Deutschen gegenüber den Herero "nicht korrekt verhalten" hätten. Eine Entschädigung lehnte er aber ab, da die entsprechenden Bestimmungen des Völkerrechts etwa zum Schutz der Zivilbevölkerung zur Zeit der Taten noch nicht bestanden hätten. Auf der UNO-Weltkonferenz gegen Rassismus in Durban im Jahr 2001 hat sich deutsche Außenminister Joschka Fischer dann zwar allgemein für Sklaverei und Ausbeutung durch Kolonialismus entschuldigt. An der Haltung der Bundesregierung zur Entschädigung für die Herero änderte sich damit aber nichts.
Die Deutsche Bank will bisher nicht auf die Forderungen der Kläger eingehen. Gegenüber der entwicklungspolitischen Zeitschrift afrika süd bezeichnete ein Sprecher der Bank den Fall als "wenig justiziabel". Das Ganze sei "eher eine politische denn eine rechtliche Angelegenheit", so die Bank gegenüber BBC. Auch die namibische Regierung unterstützt die Klage der Herero nicht und setzt lieber auf gute Beziehungen zu Deutschland. In Durban hatte Namibia zwar die Forderungen nach Reparationen für Sklaverei und Kolonialismus unterstützt, im Fall der Herero verweist sie aber auf die von der Bundesrepublik geleistete Entwicklungshilfe bzw. die DDR-Unterstützung der Befreiungsbewegung South-West African Peoples Organization (Swapo), die nach der Unabhängigkeit Namibias 1990 die Regierung übernommen hat.