Nancy Pelosis Taiwan-Besuch könnte für uns alle tödlich enden

US-Präsident Joe Biden beim Selfie mit Sprecherin Nancy Pelosi im Kongress. Ihre Provokationen Richtung China in Sachen Taiwan werden immer gefährlicher. Bild: Rep. James E. Clyburn / CC BY-NC 2.0

US-Präsident Biden könnte den Taipeh-Trip verhindern, aber das ist nicht der Fall. Die Folgen sind nicht nur wirtschaftlicher und diplomatischer Natur, sondern könnten für die gesamte Menschheit existenziell sein.

Die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi (Demokraten) soll auf ihrer Asienreise schon heute in Taipeh, der Hauptstadt von Taiwan, ankommen. Das berichtet der US-Fernsehsender CNN laut Nachrichtenagentur Reuters. Ein Sprecher des chinesischen Außenministeriums sagte gestern, eine solche Reise wäre "eine grobe Einmischung in die inneren Angelegenheiten Chinas".

Die Arroganz der Macht ist besonders bedrohlich und verachtenswert, wenn ein Regierungschef zahlreiche Menschenleben riskiert, um einen provokativen Zug auf dem geopolitischen Schachbrett der Welt zu machen. Der Plan von Nancy Pelosi, Taiwan zu besuchen, fällt in diese Kategorie. Dank ihr sind die Chancen auf eine militärische Konfrontation zwischen China und den Vereinigten Staaten in die Höhe geschnellt.

Die Spannungen zwischen Peking und Washington, die seit langem wegen der Taiwan-Frage entflammt sind, haben sich durch Pelosis Wunsch, als erste Sprecherin des Repräsentantenhauses seit 25 Jahren nach Taiwan zu reisen, fast noch weiter verschärft. Trotz der Alarmglocken, die ihre Reisepläne ausgelöst haben, hat Präsident Biden zurückhaltend reagiert – auch wenn ein Großteil des Establishments die Absage der Reise wünscht.

Ich glaube, das Militär hält es im Moment für keine gute Idee. Aber ich weiß nicht, wie der Stand der Dinge ist,

sagte Biden am 20. Juli über die geplante Reise.

Biden hätte als Präsident ein Machtwort sprechen und Pelosis Taiwan-Reise ausschließen können, aber er tat es nicht. Doch im Laufe der Tage sickerte die Nachricht durch, dass es in den oberen Etagen seiner Regierung erheblichen Widerstand gegen die Reise gab.

Der Nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan und andere hochrangige Beamte des Nationalen Sicherheitsrates sind gegen die Reise, weil sie das Risiko einer Eskalation der Spannungen in der Taiwanstraße sehen,

berichtete die Financial Times. Und in Übersee "hat die Kontroverse über die Reise Besorgnis bei Washingtons Verbündeten ausgelöst, die befürchten, dass sie eine Krise zwischen den USA und China auslösen könnte."

Norman Solomon ist Mitbegründer und Koordinator von RootsAction.org. Er ist Autor zahlreicher Bücher.

Um zu unterstreichen, dass der Oberbefehlshaber der USA alles andere als ein unschuldiger Zuschauer in Bezug auf Pelosis Reise ist, gaben Beamte bekannt, dass das Pentagon beabsichtigt, Kampfjets als Eskorte bereitzustellen, falls sie den Taiwan-Besuch durchführt. Bidens mangelnde Bereitschaft, einen solchen Besuch klar zu unterbinden, spiegelt den perfiden Stil seines eigenen Konfrontationskurses gegenüber China wider.

Vor mehr als einem Jahr wies Peter Beinart unter der treffenden Überschrift "Biden's Taiwan Policy Is Truly, Deeply Reckless" in der New York Times darauf hin, dass Biden von Beginn seiner Präsidentschaft an an der langjährigen "Ein-China-Politik" der USA "rüttelt":

Biden war der erste amerikanische Präsident seit 1978, der den Gesandten Taiwans zu seiner Amtseinführung empfing. Im April kündigte seine Regierung an, jahrzehntealte Beschränkungen für offizielle US-Kontakte mit der taiwanesischen Regierung zu lockern. Diese Politik erhöht die Wahrscheinlichkeit eines katastrophalen Krieges. Je mehr die Vereinigten Staaten und Taiwan die Tür zur Wiedervereinigung formal schließen, desto wahrscheinlicher wird es, dass Peking die Wiedervereinigung mit Gewalt anstrebt.

Beinart fügte hinzu:

Entscheidend ist, dass das taiwanesische Volk seine individuelle Freiheit bewahrt und der Planet keinen dritten Weltkrieg erleidet. Der beste Weg für die Vereinigten Staaten, diese Ziele zu verfolgen, ist die Aufrechterhaltung der militärischen Unterstützung Taiwans durch die USA sowie zugleich die Beibehaltung des "Ein-China"-Rahmens, der seit mehr als vier Jahrzehnten dazu beigetragen hat, den Frieden an einem der gefährlichsten Orte der Welt zu wahren.

Aushöhlung der Ein-China-Politik und Potenzial zu militärischer Eskalation

Pelosis geplanter Besuch in Taiwan kommt einer weiteren bewussten Aushöhlung der "Ein-China-Politik" gleich. Bidens kleinlaute Reaktion auf diesen Schritt ist die Begleitmusik zu der waghalsigen Politik.

Viele Kommentatoren, die China sehr kritisch gegenüberstehen, sehen die Gefahren.

Die Biden-Administration ist nach wie vor entschlossen, China gegenüber eine härtere Gangart einzuschlagen als ihre Vorgängerin,

schrieb der konservative Historiker Niall Ferguson am Freitag. Er fügte hinzu:

Vermutlich bleibt das Kalkül im Weißen Haus, wie bei den Wahlen 2020, dass eine harte Haltung gegenüber China Stimmen bringt – oder, anders ausgedrückt, dass alles, was die Republikaner als "schwach gegenüber China" darstellen können, Stimmen kostet. Es ist jedoch schwer zu glauben, dass diese Rechnung aufgehen würde, wenn das Ergebnis eine neue internationale Krise mit all ihren potenziellen wirtschaftlichen Folgen wäre.

Das Wall Street Journal fasste die derzeitige prekäre Lage mit der Schlagzeile zusammen, dass Pelosis Besuch "die zaghafte Annäherung zwischen den USA und China wahrscheinlich zunichtemachen würde".

Doch die Folgen sind nicht nur wirtschaftlicher und diplomatischer Natur, sondern könnten für die gesamte Menschheit existenziell sein. China verfügt über mehrere hundert einsatzbereite Atomwaffen, während die Vereinigten Staaten mehrere tausend besitzen. Das Potenzial für einen militärischen Konflikt und eine Eskalation ist nur allzu real.

Wir behaupten immer wieder, dass sich unsere Ein-China-Politik nicht geändert hat, aber ein Pelosi-Besuch wäre eindeutig ein Präzedenzfall und kann nicht als Einhaltung der "inoffiziellen Beziehungen" ausgelegt werden,

sagte Susan Thornton, eine ehemalige stellvertretende Sekretärin für ostasiatische und pazifische Angelegenheiten im Außenministerium. Thornton fügte hinzu: "Wenn sie geht, steigt die Wahrscheinlichkeit einer Krise erheblich, da China darauf reagieren muss."

Letzte Woche schrieben zwei führende Politikanalysten von elitären Denkfabriken – der German Marshall Fund und das American Enterprise Institute – in der New York Times:

Ein einziger Funke könnte diese hoch entzündbare Situation in eine Krise verwandeln, die zu einem militärischen Konflikt eskaliert. Der Besuch von Nancy Pelosi in Taiwan könnte ihn liefern.

Doch der Juli endete mit deutlichen Hinweisen darauf, dass Biden grünes Licht gegeben hat und Pelosi weiterhin beabsichtigt, einen bevorstehenden Besuch in Taiwan durchzuführen. Das ist die Art von Führung, die uns alle umbringen kann.

Der Artikel erscheint in Kooperation mit Common Dreams. Übersetzung: David Goeßmann.

Norman Solomon ist Mitbegründer und nationaler Koordinator von RootsAction.org. Zu seinen Büchern gehören "War Made Easy: How Presidents and Pundits Keep Spinning Us to Death" (2006) und "Made Love, Got War: Close Encounters with America's Warfare State" (2007).