Napster wird stillgelegt

Einstweilige Verfügung gegen die MP3-Tauschbörse erfolgreich

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Die Wüfel sind gefallen: Gestern entschied Richterin Marilyn Hall Patel, dass Napster bis zum Ende der Woche seine MP3-Tauschbörse stilllegen muss. Damit konnte sich die Firma nicht mit ihrer Verteidigungsstrategie gegen die RIAA durchsetzen.

Überraschend schnell kam es gestern zu einer ersten Entscheidung im Verfahren der Recording Industry Association of America (RIAA) gegen die MP3-Tauschbörse Napster. Noch Anfang der Woche hatte RIAA-Anwalt Carey Sherman erklärt, keine Entscheidung mehr in dieser Woche zu erwarten. Doch nun hat die Firma nur noch bis Freitag Mitternacht Zeit, den Tausch copyrightgeschützter MP3s einzustellen. Als Napster-Anwalt David Boies dagegen protestierte, dass Napster damit sein ganzes Geschäft einstellen müsse, erklärte Richterin Patel:

"Das ist ihr Problem, sie haben dieses Monster erschaffen."

In ersten Statements sah sich die RIAA durch den Prozessausgang in ihrer Position bestätigt. Cary Sherman erklärte für den Zusammenschluss der großen US-Plattenfirmen:

"Wir sind sehr erfreut über die Entscheidung des Gerichts. Diese Entscheidung ebnet den Weg für die Zukunft der Online-Musik."

Napster denkt über Auswege nach

Napster-CEO Hank Barry verkündete dagegen in einem Webcast, man werde versuchen, noch einen Aufschub zu erwirken. Sollte dies misslingen, werde man sich der Entscheidung des Gerichts fügen. Gleichzeitig erklärte er jedoch:

"Im Kern sagte die Richterin, dass nichtkommerzieller, direkter Dateiaustausch das Recht verletzt. Dagegen werden wir auf verschiedenen Wegen angehen."

Ob er damit in erster Linie weitere juristische Auseinandersetzungen oder aber mögliche Änderungen in der Struktur des Napster-Dienstes meinte, ließ Barry offen.

Dass man bei Napster über solche Versuche nachdenkt, dokumentierten einige Geschäftsentscheidungen der letzten Wochen. So wurde Anfang der Woche bekannt, dass Napster einen Vertrag mit der Firma Liquid Audio geschlossen hat. Über die Details dieses Vertrags gibt es jedoch bisher widersprüchliche Angaben. Liquid Audio-CEO Gerry Kearby erklärte gegenüber den San Jose Mercury News, Napster habe die Technik für digitale Signaturen lizenziert. Von Napster heißt es dagegen, man habe die Firma einfach nur als Berater engagiert.

Ebenfalls als Signal in Richtung Digital Rights Management kann die Einstellung von Keith Bernstein gedeutet werden, den die Firma vor rund zwei Wochen für sich gewinnen konnte. Bernstein war vorher bei der Universal Music Group damit beschäftigt, die Zahlung von Tantiemen für Online-Musik zu sichern. Allerdings ist fraglich, ob Napster-User sich an solch einem System beteiligen würden. Viele Beobachter gehen eher davon aus, dass sie nach der Napster-Stilllegung einfach auf andere Filesharing-Programme umsteigen werden. Gerade die freien Filesharing-Konzepte wie Gnutella oder Freenet könnten durch die 21 Millionen Napster-Nutzer einen großen Aufschwung bekommen.

Protestaktion: "Boykottiert die RIAA!"

Mit Sicheheit wird die RIAA unter diesen 21 Millionen durch das Gerichtsurteil nicht gerade beliebter geworden sein. Einige von ihnen fangen auch bereits an, ihren Unmut in Protest zu verwandeln. So hat ein gewisser Bill Evans schon nach der Senats-Anhörung zum Napster-Fall eine RIAA-Boykottseite ins Netz gestellt. Dort fordert er auf, den ganzen August über keine CDs von Labels zu kaufen, die Mitglied der RIAA sind.

In den Diskussionsforen von MP3.COM und Dimension Music fanden sich bereits zahlreiche Unterstützer. Zwar glaubt dort niemand ernstlich an spürbare Umsatzeinbußen durch so eine Aktion, doch allein das Medienecho - einige Online-Dienste haben bereits großes Interesse an der Aktion gezeigt - kann bereits als Erfolg angesehen werden. Selbst bis zur RIAA hat der Boykottaufruf mittlerweile seinen Weg gefunden. Daraufhin bekam Evenas gleich eine Mail von der Organisation. Doch statt wie üblich mit einer Klage zu drohen, bat man ihn darin ganz höflich um einen Dialog.