Nato-Russland-Konflikt in der Arktis
Während derzeit der Kampf um die Ukraine im Vordergrund steht, baut Russland seine Militärpräsenz in der geopolitisch und wirtschaftlich weitaus bedeutsameren Arktis aus
Die Chance besteht, dass der Krieg in der Ukraine trotz gegenseitiger Vorwürfe, den Waffenstillstand zu brechen, in einen politischen Prozess der Verständigung übergeht. Allerdings sind schwere Probleme zu lösen, zumal die Separatisten auf Unabhängigkeit beharren, und dürften die Wunden auf allen Seiten tief sein. Was aber die Weltbühne in den letzten Monaten neben den blutrünstigen Horden des Islamischen Staats und dem Gaza-Krieg beherrscht hat, könnte einen weiteren geopolitischen Konflikt überdeckt haben: den Kampf nämlich um die Ausbeutung der Ressourcen in der auftauenden Arktis (Kalter Krieg um den Nordpol). Dagegen ist der Pleitestaat Ukraine eine verschwindende Größe.
Riesige Ressourcen werden hier vermutet und die Anrainerstaaten haben sich schon längst in Position gebracht. Schon seit Jahren werden Ansprüche angemeldet. So hat George W. Bush kurz vor dem Ende seiner Amtszeit noch klargestellt, dass die USA eine "arktisches Nation" sind (US-Präsident Bush erklärt die USA zur "arktischen Nation"). Russland ist vorgeprescht (Russland will in der Arktis Fakten schaffen) und hat 2007 in einer symbolischen Aktion mit U-Booten in einer Tiefe von 4200 Metern die russische Flagge auf dem als besonders ergiebig geltenden Lomonossow-Rücken postiert, den Russland für sich beansprucht - aber auch Dänemark und Kanada. Auch die EU will sich Rechte in der geostrategisch wichtigen Region sichern. Im geopolitischen Ressourcen-Spiel befinden sich Dänemark (Grönland), Finnland und Schweden ebenso wie Island, Norwegen, Kanada, Russland und die USA.
The Arctic is one of our planet’s last great frontiers. Our pioneering spirit is naturally drawn to this region, for the economic opportunities it presents and in recognition of the need to protect and conserve this unique, valuable, and changing environment.
Nationale Strategie für die Arktis der US-Regierung 2013
Nachdem Kanada, das sich auch als "arktische Macht" versteht, Anspruch auf den Lomonossow-Rücken geltend gemacht hat und in seiner arktischen Politik seine "Souveränität" auch militärisch verteidigen will, baute Russland bereits im letzten Jahr seine arktische Militärpräsenz auf. Man habe zu wenig Militär in der Arktis, so eine Meldung im November 2013. Konstatiert wurde vom Ministerium für regionale Entwicklung : "Der Mangel bzw. das völlige Fehlen von technischen Mitteln zum Führen von Kampfhandlungen unter den Bedingungen der Arktis-Zone, das Fehlen der nötigen Erfahrung und der Fertigkeiten der Kampfführung unter den Bedingungen der Arktis-Zone, das Fehlen eines schnellen Eingreifsystems bei einer Aggression durch andere Staaten und die Möglichkeit eines unkontrollierten Übertritts der russischen Staatsgrenze."
Reaktiviert werden sollen Flugplätze und Häfen aus der Sowjetzeit in der Arktis. Dabei geht es nicht nur um die Bodenschätze, sondern auch um die Kontrolle der Seewege, die sich durch das abschmelzende Eis eröffnen. Kanada liegt freilich auch im Clinch mit den USA und Dänemark. Rechtlich wird der Streit nach der Internationalen Seerechtskonvention ausgefochten. Danach können Staaten Bodenschätze bis zu 200 Seemeilen vor der Küste in der sogenannten Ausschließlichen Wirtschaftzone (AWZ) ausbeuten. Wenn bewiesen werden kann, dass der Kontinentalsockel weiter in das Meer hinausreicht, kann sich die Zone auf bis zu 350 Seemeilen oder mehr vergrößern. Ungeklärt ist allerdings bislang, wie sich das objektiv bestimmen lassen soll, eine UN-Kommission arbeitet an der Festlegung, die interessierten Staaten unternehmen daher vermehrt "wissenschaftliche" Erkundungen des Kontinentalschelfs und versuchen, Tatsachen zu setzen.
Just in der Zeit, als sich die Krim Russland anschloss oder Russland die Krim annektierte, hatte die UN-Kommission 52.000 Quadratkilometer im Ochotskischen Meer Russland zugesprochen. Hier soll es reiche Vorkommen an Gas und Öl geben. Im April hatte Moskau das Gebiet für die Fischerei und für die Suche nach Ressourcen geschlossen. Das wurde auch als Hinweis darauf verstanden, wie Moskau mit arktischen Gebieten verfahren könnte, die als exklusive russische Gebiete verstanden werden. Schon im September 2013 hatte Russland gezeigt, wie rigoros man vorzugehen bereits ist, als man Greenpeace-Aktivisten Terrorismus vorwarf, die eine Bohrinsel entern wollte, und nicht nur die Aktivisten festnahm, sondern auch gleich das Greeenpeace-Schiff kaperte (Russland reagiert nervös und aggressiv auf Greenpeace-Aktion). Für die USA kommt das rechtliche Vorgehen Russlands ungelegen, denn die USA haben das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (UNCLOS) wie viele andere internationale Abkommen im Gegensatz zu 165 Mitgliedsstaaten nicht unterzeichnet.
Im April erklärte Putin zu den von Russland beanspruchten arktischen Gebieten, dass sie eine überragende Bedeutung für die nationale Sicherheit haben:
This region has traditionally been a sphere of our special interest. It is a concentration of practically all aspects of national security - military, political, economic, technological, environmental and that of resources. According to experts, the overall energy reserves of Russia’s Arctic section exceed 1.6 trillion tons, while the continental shelf holds almost a quarter of all the hydrocarbon resources on the entire world sea shelf.
Er kündigte den Ausbau der militärischen Infrastruktur und der Militärpräsenz an. Pipelines, Häfen und Gas- und Ölförderanlagen müssten gegen "Terroristen und andere möglichen Gefahren" geschützt werden. Zudem will er für die Arktis ein militärisches Kommando einrichten. Im April fand in der Arktis auch die erste Luftlandeübung mit Spezialfallschirmen statt. Im Juni beauftragte Putin die Regierung, einen Plan zur Ausbeutung der Ressourcen, der wissenschaftlichen Erkundung und des Umweltschutzes in der Arktis und der Antarktis zu entwickeln.
Am vergangenen Sonntag wurde berichtet, dass Russland auf den Neusibirischen Inseln einen ständigen Stützpunkt für die Marine einrichten will, am Montag folgte die Meldung, dass auf der Wrangelinsel im Arktischen Ozean und auf der Otto-Schmidt-Landzunge an der Tschuktschensee Militärstützpunkte mit Siedlungen für Soldaten errichtet werden sollen.