Netanjahus Rafah-Invasion wäre der perfekte Sturm für den Nahen Osten

IDF-Soldaten bei Operationen im Gazastreifen

IDF-Soldaten bei Operationen im Gazastreifen. Bild: IDF

Datum dafür stehe bereits fest. Gleichzeitig droht Iran mit Schlag in Israel selbst. Wird die Lunte gezündet oder stoppen die USA die Eskalation? Einordnung.

Der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu hat erklärt, dass es "ein Datum" für Israels Angriff auf Rafah im Süden des Gazastreifens gebe, wo mehr als eine Million vertriebene Palästinenser Zuflucht gefunden haben.

Kommt die Invasion?

Netanjahu hat wiederholt erklärt, dass Israel Bodentruppen in die Stadt im südlichen Gazastreifen schicken werde, da sie als letzte Hochburg der Hamas gilt. Die internationale Gemeinschaft, darunter auch die USA, lehnt die Operation jedoch ab, da es die rund 1,4 Millionen Zivilisten, die dort Schutz suchen, in Gefahr bringen würde.

In der Videoerklärung vom Montag sagte Netanjahu, dass es keinen Sieg ohne eine Invasion in den Süden geben könne.

"Wir arbeiten ständig daran, unser Ziel zu erreichen", sagte Netanjahu, "in erster Linie die Freilassung aller unserer Geiseln und den vollständigen Sieg über die Hamas."

Ob es nur Drohungen vonseiten Israels sind, um die Hamas bei den Geiselverhandlungen unter Druck zu setzen, oder eine Invasion bevorsteht, ist unklar. Fest steht für Analysten jedoch, dass es die Bevölkerung in Gaza, die jetzt schon in einer humanitären Katastrophe überleben muss, einschließlich einer um sich greifenden Hungersnot, ins Desaster stürzen würde.

Gaza und Iran: Lunte am Nahost-Pulverfass

Analysten befürchten beim Einmarsch ein Blutbad. Es könnten weitere Zehntausende Zivilisten bei dem Einsatz getötet und verletzt werden – zu den bereits über 33.000 Getöteten –, da es keinen Ort mehr für die Menschen gibt, wohin sie noch fliehen können.

Zudem würde es die Lunte am Nahost-Pulverfass entzünden. Letzte Woche zerstörte ein israelischer Luftangriff die iranische Botschaft in Damaskus, Syrien. Dabei wurden sechs Iraner getötet, darunter ein ranghoher Kommandeur der Eliteeinheit Al-Qods der iranischen Revolutionsgarden, Mohammad Reza Zahedi, und sein Stellvertreter.

Der Angriff auf die iranische Botschaft stellt eine gefährliche regionale Eskalation dar. De facto war es ein Angriff auf iranisches Territorium. Bisher hatte sich der Iran bei israelischen Aktionen zurückhaltend gezeigt. Doch jetzt steht die Führung unter Druck, Stärke zu zeigen, auch von seinen Verbündeten gefordert.

Ein iranischer Vergeltungsschlag würde die Region weiter destabilisieren und könnte in einen vollen Krieg des Iran und seiner Verbündeten mit Israel, inklusive den USA, münden.

Zwei Aktionen, die sich selbst verstärken

Wie Trita Parsi vom Quincy Institute schreibt, scheint der Iran bereit zu sein, Ziele in Israel selbst ins Visier zu nehmen, da israelische Botschaften in anderen, vor allem arabischen Ländern, nicht geeignet für Gegenschläge sind, angesichts der Tatsache, dass Teheran an guten Beziehungen mit seinen Nachbarstaaten interessiert ist.

Das wäre aber extrem risikoreich. Es könnte Netanjahu ermöglichen, US-Präsident Joe Biden ins Boot zu holen für eine weitere Runde an Eskalationen.

Das zeitliche Zusammentreffen der iranischen Drohung und der geplanten, möglicherweise bevorstehen Rafah-Invasion ist fatal. Denn es sind zwei eskalierende Aktionen, die das Potenzial haben, sich selbst zu verstärken.

Wenn die US-Regierung grünes Licht für den Rafah-Einmarsch geben würde (während man nach außen weiter sein Missfallen ausdrückt) bzw. Netanjahu die Offensive ohne US-Zustimmung veranlasst (während die USA die Füße stillhalten), würde es die iranische Führung und seine Verbündeten, also insbesondere die Hisbollah im Libanon und die Huthi im Jemen, weiter unter Druck setzen, zu handeln – mit möglichen heftigen Gegenreaktionen.