Neuanfang nach Niederlage: Iranischer Pivot gen Moskau
(Bild: Novikov Aleksey/Shutterstock.com)
In Syrien verlor der Iran seinen wichtigsten Verbündeten. Doch mit dem Russland-Deal zeichnet sich eine Alternative für die Mullahs ab. Eine Analyse.
Es ist fast schon eine Farce: Seit Jahren verhandeln die Islamische Republik Iran und die Russische Föderation auf höchster Ebene über ein "bahnbrechendes Abkommen" zur Stärkung der bi-nationalen Beziehungen, inzwischen ist man in Teheran ungeduldig geworden.
Die ersten Gespräche gehen auf Hassan Rouhani und das Jahr 2019 zurück. Die Zeit drängte, zu tief waren die innenpolitischen Gräben geworden, zu stark der wirtschaftliche Würgegriff westlicher Sanktionen, zu negativ die vernichtenden Niederlagen der "schiitischen Achse" seit dem 7. Oktober 2023: ein Erfolg musste her.
Ursprünglich wollte man den Vertrag beim Brics-Gipfel im russischen Kasan, das wäre im Oktober 2024 gewesen, der Weltöffentlichkeit wasserdicht präsentieren. Es blieb eine Chimäre. Offiziell wurde dies damit begründet, dass der Gipfel dem Abkommen nicht den Glanz nehmen dürfe und umgekehrt.
Hinter vorgehaltener Hand konnte man davon ausgehen, dass man sich schlicht (noch) nicht einig war, dass ideologische, wirtschaftliche und politische Differenzen bestanden oder dass einfach noch keine Notwendigkeit für einen engeren Schulterschluss bestand. Der tiefe Fall beider Mächte in Syrien hat die Karten neu gemischt. Eine Koalition der Verlierer in Syrien?
Zwei Jahrzehnte Partnerschaft
Der neue iranische Präsident Massud Peseschkian traf am Freitag, den 17. Januar 2025, in Moskau mit Wladimir Putin zusammen. Der Zeitpunkt überraschte und schien doch gewollt: 18 Tage zuvor war der ehemalige Oberbefehlshaber der iranischen Revolutionsgarden im Syrien-Krieg mit erstaunlichen Worten vor die Presse getreten.
Behrouz Esbati sprach von einem schweren Schlag und vor allem von Verrat durch Russland. Der Zeitpunkt kommt überraschend, man hat das gemeinsame Operationsgebiet Syrien verloren, scheint an unterschiedlichen Fronten zu kämpfen und muss, zumindest rhetorisch, die Wogen glätten.
Die russische Ära der scheinbar faktischen Kooperation in einer iranisch dominierten Achse des nahöstlichen Widerstands schien vorbei.
Wie die FAZ suggeriert, darf ein Faktor nicht unterschätzt werden: Donald Trump. Mit der Amtseinführung des Immobilienmoguls wird die Luft für Teheran außenpolitisch dünner.
Putin und der Dealmaker Trump könnten eine Brücke bilden. In jedem Fall aber will die ungleiche Partnerschaft eine geschlossene Abwehrfront gegen das US-Imperium und seine jüngsten Trump-Scharaden markieren. Der Zeitpunkt, drei Tage vor Trumps Dekret-Marathon im Oval Office, ist ein kluger Schachzug.
Ausgehend von den Sanktionen der westlichen "Wertegemeinschaft" gegen beide Staaten vereinbarten Teheran und Moskau eine 20-jährige Partnerschaft in den Bereichen Handel, Politik, Forschung, Bildung, Kultur und Militär. 47 Artikel sollen die derzeit noch sehr nebulöse strategische Partnerschaft umfassen.
Praxis der Partnerschaft
Was ist von diesem west-östlichen Deal zu erwarten? Zunächst: Der Vertrag enthält im Gegensatz zum russisch-nordkoreanischen Abkommen keine Beistandsverpflichtung im militärischen Ernstfall. Gleichwohl berührt er rüstungstechnische Bereiche, so wird der Iran Russland mit den im Ukraine-Krieg immanent wichtigen Shahed-Drohnen beliefern (dies ab 2022).
Es kann als sicher gelten, dass mit dieser Kooperation der Handel zwischen den beiden stark sanktionierten Staaten ausgebaut werden soll.
Vor allem der Iran, mit einer Inflation von 32 Prozent und einer stagnierenden Wirtschaft (ein kontinuierlich um 1,7 Prozent jährlich sinkendes BIP wird prognostiziert), dürfte an einem engeren Warenaustausch interessiert sein.
Das Heilsversprechen der Theokratie, ein lebenswertes, materiell abgesichertes Leben im Diesseits, und seine aktuelle Unterminierung in der Islamischen Republik bilden den Nährboden für weitreichende soziale Proteste. Der Machtapparat ist sich dessen bewusst und versucht, mit Hilfe der Bri und Russlands, das Gespenst der sozialen Revolution einzudämmen.
Es geht dem Iran aber auch um eine uralte Forderung gegenüber seinen äußeren Gegnern: Um neben der nuklearen Abschreckung (die die Grundlage aller Sanktionen darstellt und daher kaum voll ausgebaut werden kann/wird) eine weitere Abschreckungsmethode zu besitzen, will der Iran moderne Kampfflugzeuge sowie das moderne Raketenabwehrsystem S-400 Zankapfel Flugabwehrsystem S-400 aus russischer Produktion.
Trotz aller Propaganda ist der Iran wohl noch nicht in deren Besitz. Außerdem soll es Getreidelieferungen aus Russland geben (diese kamen vor 2022 aus der Ukraine). Der Iran hat aber sehr deutlich gemacht, dass er keine eigenen Soldaten in die Ukraine schicken wird.
Für Russland bedeutet das Abkommen neben den Drohnen einen Schritt aus der internationalen Isolation und eine Rückkehr an den Katzentisch mit einem Gesprächspartner in Astana. Das Ziel nach dem syrischen "Scherbenhaufen" mag sein, die Türkei wieder einzubinden.
Iranische Zeitenwende: Pivot zu Russland?
Als Barack Obama den amerikanischen "Pivot to Asia" verkündete, war klar, dass es in endzeitlicher Manier gegen China gehen würde. Ein ähnlicher Pivot könnte sich in der iranischen Außenpolitik ankündigen: Nach den diversen Niederlagen ist die Achse kaum noch handlungsfähig. Die Vorwärtsverteidigung ist gescheitert und derzeit ohne ausreichendes Abschreckungspotenzial.
Der iranische Pivot zu Russland ist daher eine logische Schlussfolgerung und ohnehin die Fortsetzung einer Kooperation der dissidenten Staaten. Die iranische Achse ist geschwächt, aber nicht tot. Man wird versuchen, sie wieder aufzubauen.
Klar ist, dass die Islamische Republik eine neue außenpolitische Doktrin braucht, die den neuen Realitäten weitgehend angepasst ist. Diese muss, neben Israel, auch die USA als "Hauptfeind" einbeziehen. Trump unterbreitete in Davos Saudi-Arabien, dem US-Statthalter im Nahen Osten und Erzfeind Irans, ein Öl-Ukraine-Angebot.
Er war einseitig aus dem JCPOA ausgestiegen, einen nuklear bewaffneten Iran wird es mit Trump kaum geben. Und dennoch: Trump führt keinen Krieg, er will einen besseren Deal, die Politik des maximalen Drucks gilt für beide Seiten.
Genau dieser maximale Druck kann in der Folge zweigleisig erzeugt werden: Neben den unterirdischen Anlagen in Natanz und Bushehr zur Uranproduktion erhält der Iran (wenn überhaupt) mit dem Raketenabwehrsystem und perfektionierten, modernen russischen Waffen eine bessere Ausgangsposition zur Erst- und Zweitschlagfähigkeit.
Die Hinwendung zu Moskau kann als erster Schlag einer neuen strategischen Ausrichtung analysiert werden und könnte sogar einen Schritt zur Deeskalation darstellen. Das Sicherheitsdilemma der iranischen Republik und die gegenseitige Abschreckung könnten in ein neues Gleichgewicht gebracht werden.
Doch hier haben die zionistischen Extremisten und die Regionalmächte ein gewichtiges Wort mitzureden.
Ausstieg aus der Abwärtsspirale?
Beunruhigend ist auch der innenpolitische Zustand des außenpolitisch schwer angeschlagenen westlichen Rivalen. Erst erschütterte eine Energie- und Stromkrise das Land, nach Protesten verschärfte sich die Repression, die Jugend sieht ihre Zukunft in der westlich-liberalen Welt.
Innerhalb von 3 Tagen flankierten zwei juristische Meldungen das Abkommen zwischen Iran und Russland: Ein Terorist tötete im Iran zwei Geistliche und Revolutionsrichter. Das Motiv sollen die zahlreichen Verurteilungen von Oppositionellen gewesen sein.
Nur 48 Stunden später verschärft ein Gericht die ursprünglich fünfjährige Haftstrafe des iranischen Rap-Pioniers Tatalu auf die Todesstrafe. Nach nicht unabhängig überprüfbaren westlichen Angaben soll es im Iran im Jahr 2024 mehr als 900 Hinrichtungen gegeben haben.
Das soziale Klima im Gottesstaat scheint vergiftet, angeheizt durch die Scheinwelt der sozialen Medien zieht es immer mehr gut ausgebildete IranerInnen ins Ausland. Der Braindrain schwächt zusätzlich die angeschlagene Wirtschaft.
Bei der letzten großen Umfrage im Iran (mit 157.000 Befragten im Inland und 42.000 Befragten außerhalb des Iran) 2023, sprachen sich nur 15 Prozent für die damalige islamische Regierung aus. Auch wenn die Zahlen mit großer Vorsicht zu genießen sind, bestätigt die Wahlbeteiligung diesen Trend.
Ob die außenpolitische Kehrtwende vor allem wirtschaftlich eine Wende bringen wird, bleibt vorerst offen.