Neue Batterietechnik: Energiewende hat kein Speicherproblem

Ein Smart Power Center in den USA mit großformatigen Stromspeichern. Bild: Portland General Electric / CC BY-ND 2.0

Es gibt nicht genügend Speicher für schwankenden Solar- und Windstrom, heißt es oft. Auch die Ressourcen dafür seien knapp und schmutzig. Das ist falsch, insbesondere in Hinsicht auf neue Speicher-Technologien.

Atomkraftbefürworter und Vertreter der Verbrennungsmotoren argumentieren häufig, dass Speicher zum Ausgleich der Schwankungen von Solar- und Windstrom nicht ausreichend genug gebaut werden könnten. Sie behaupten außerdem, dass Batteriespeicher viele seltene und problematische Materialien benötigen würden. Die dadurch entstandenen Importabhängigkeiten würden den schnellen Umbau hin zu 100 Prozent Erneuerbaren Energien mitsamt E-Mobilität verhindern.

In ihren vermeintlich wissenschaftlichen Untersuchungen rechnen sie den Materialienbedarf hoch, der in den aktuell gängigsten Batterien und Speichern verwendet wird. Aufgrund dessen kommen sie dann häufig zum Ergebnis, dass die Energiewende nicht stattfinden könne.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes.

Im Mittelpunkt der Diskussionen stehen Lithium, Kobalt, Nickel sowie seltene Erden.

Zum einen sollen solche "Studien" belegen, dass es zu wenig dieser Materialien gibt und dass diese daher nur mit Öko- und Sozialdumping gewinnbar wären. Diese Behauptungen sind jedoch ein durchschaubares Manöver der fossilen und atomaren Wirtschaftslobby, um Atom-, Kohle- oder Erdgaskraftwerken sowie Erdölautos noch eine Legitimation zu geben.

Dass diese Thesen bezüglich der E-Autos falsch sind, hatte ich in einem früheren Artikel beleuchtet.

Zum Anderen ignorieren die "Studien" oft ganz bewusst, dass es eine Vielzahl von Innovationen gibt, die gänzlich andere Techniken und Materialien beinhalten als die heutigen Lithium-Ionen-Batterien. Diese Alternativen sind aber steil am Wachsen und werden schnelle Ergänzungen zu den im Markt befindlichen Batterien sein, wodurch die beschriebenen Probleme in den kommenden Jahren hinfällig werden.

Die folgenden drei Beispiele sollen das dokumentieren:

1. Natrium-Ion-Batterie von CATL

Der weltweit größte Batteriehersteller, das chinesische Unternehmen CATL, welches u.a. auch für Tesla der wichtigste Batterielieferant ist, hat nun angekündigt, noch in 2023 mit der Massen-Produktion von Natrium-Ion-Batterien für den E-Mobilsektor zu beginnen.

Auch der neben Tesla E-Mobil-Weltmarktführer, die chinesische Firma BYD, wird in diesem Jahr mit der Produktion beginnen, und die Firma HiNa hat bereits im letzten Herbst die Produktion von Natrium-Schwefel-Batterien in einer Fabrik aufgenommen.

Natrium ist mit 2,3 Prozent in der Erdkruste enthalten. Es ist über tausendmal häufiger vorhanden als Lithium. Mit Natrium wird es also ganz sicher keine Verfügbarkeits- und auch keine Lieferantenabhängigkeitsprobleme geben. Zudem benötigt die Natrium-Ion-Batterie weder Kobalt noch Nickel.

Die neuen Batterien von CATL haben für E-Autos sogar beste Eigenschaften, wie eine besonders gute Leistungslieferung bei tiefen Außentemperaturen oder Schnellladefähigkeit.

Mit Sicherheit werden Li-Ion-Batterien nicht völlig vom Markt verdrängt werden, aber die Debatten über angeblich umwelt-unfreundliche E-Autos werden mit der Natrium-Ion-Batterie schnell verschwinden.

2. Der neuartige stationäre Energiespeicher von CMBlu

Für die Speicherung von großen Mengen Solar- oder Windstrom hat die im unterfränkischen Alzenau ansässige Firma CMBu einen neuartigen Speicher mit biologischen Materialien entwickelt.

Die Organic-Solid-Flow-Megabatterie von CMBlu ist ebenfalls gänzlich frei von Lithium, Kobalt, Nickel oder anderen seltenen Materialien und beinhaltet im Wesentlichen nur biologisches Kohlenstoffmaterial, wofür es keine Verfügbarkeitsgrenzen gibt. Zudem ist die Batterie nach langer Lebensdauer recyclingfähig. Zusammengeschaltet aus einzelnen Modulen speichert sie 300 Megawattstunden und mehr – eine Batteriegröße, die Energieversorger aufhorchen lässt.

Erste Speicher sind in Deutschland und Österreich bereits bestellt. Neben dem schnellen Ausbau der Produktionskapazitäten in Alzenau expandiert CMBu mit einem Produktionsstandort sogar schon in die USA. Dort ist die Nachfrage der Energieversorger nach Großspeichern aufgrund des von Präsident Biden durchgesetzten "Inflation Reduction Act" (IRA) sprunghaft angestiegen.

Mühselig versuchen die EU und Deutschland diese aus Klimaschutzgründen erfreuliche Herausforderung der USA mit einem ähnlichen Programm aufzufangen, wie EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen in Davos ankündigte.

Das kommt zwar sehr spät, ist aber wesentlich besser als die erste Panikreaktion der europäischen Wirtschaftsminister, die als Antwort auf den IRA gar mit Strafzöllen auf die dringend benötigten Klimaschutztechnologien gedroht hatten.

Das notwendige industriepolitische Aufwachen der EU zeigt nicht nur die Investition von CMBlu in den USA. Es expandieren auch viele andere europäische Unternehmen aus dem Bereich der Energiewende bereits in die USA. Nun rächt sich, dass die EU z.B. in der Taxonomie sogar Atom- und Erdgas als "grüne Energie" bezeichnet hatte, statt sich auf eine Energieversorgung mit 100 Prozent Erneuerbaren Energien zu konzentrieren.

3. Stülpmembranspeicher in Haßfurt

Ganz neue Speicherwege lotet das Stadtwerk Haßfurt aus. Ein relativ kleines Stadtwerk in Unterfranken, das schon für viel innovative Furore sorgte. So gibt es dort schon seit Jahren einen grünen Wasserstoffspeicher, der Wind- und Solarstromüberschuss aus den eigenen Erzeugungsanlagen zwischenspeichert.

Jetzt hat das Stadtwerk eine Kooperation mit der Technischen Hochschule Nürnberg geschlossen. Dort wurde ein Speicher entwickelt, mit dem sich ganz Haßfurt – einschließlich der Stadtteile und ansässigen Industrie – mit erneuerbarer Energie versorgen ließen. Dieser Tage haben Studierende das Projekt im Rahmen einer Energiekonferenz im Haßfurter Stadtwerk vorgestellt.

Der Speicher funktioniere "wie ein Korken in einem Wasserglas", erklärt Stadtwerkleiter Zösch. In einem 400 Meter tiefen und mit Zement ausgekleideten Loch in der Erde mit einem Durchmesser von etwa 130 Metern schwimmt ein beinahe genauso großer "Kolben". Dieser besteht hauptsächlich aus dem ausgehobenen Material und ist ebenfalls mit Zement ummantelt.

Der Kolben ist mit einer Stülpmembran ringsum lückenlos mit der Außenwand des Lochs verbunden, sodass sich die beiden Wasserreservoirs oben und unten nicht vermischen und die darin herrschenden unterschiedlichen Drücke bestehen bleiben. So berichtet die Main Post über die Funktionsweise.

Weltweit gibt es noch nirgendwo einen derartigen Prototyp. Haßfurt ist berühmt geworden mit innovativen Energieumsetzungen. Vielleicht werden die Stülpmembranspeicher eines Tages massenhaft gebaut, da sie lange Lebensdauer und niedrige Betriebskosten versprechen. Bei einer Vollversorgung einer ganzen Stadt mit Strom und Wärme rund um die Uhr würde niemand mehr nach Atomkraft oder fossiler Energie rufen.

Noch eines zeigen die Beispiele Haßfurt und Alzenau: Auch deutsche Erfindungen sind vielfältig und sehr erfolgversprechend. Genau dafür braucht es eine starke öffentliche Unterstützung zur Markeinführung von Speichern und anderen innovativen Technologien, so wie wir das auch im Jahr 2000 im Bundestag mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) geschafft haben.

Wenn diese endlich umfassend für viele erfolgversprechende Innovationen gewährt wird, müssen wir nicht mehr nach China oder USA schauen, sondern können ganz ohne künftige Abhängigkeiten 100 Prozent Erneuerbare Energien bis 2030 selbst verwirklichen.

Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien.

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