Neue Nakba droht: Spanische Ministerin will Netanjahu vor Strafgerichtshof bringen

Benjamin Netanjahu, Ministerpräsident von Israel, beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Bild: World Economic Forum / CC BY-NC-SA 2.0 Deed

Von Aushungern bis Bombardieren von Zivilisten: Gilt für Netanjahu, was für Putin gilt? Warum Ex-Chef von Human Rights Watch Gaza kurz vor ethnischer Säuberung sieht.

Die spanische Ministerin für Soziales hat gestern eine Erklärung veröffentlicht, in der sie die Regierungskoalition ihres Landes auffordert, beim Internationalen Strafgerichtshof eine Untersuchung von Kriegsverbrechen gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu zu beantragen. Ione Belarra beruft sich dabei auf die anhaltenden Luftangriffe auf den Gazastreifen und die verheerende Blockade der Enklave, die die Versorgung mit humanitärer Hilfe verhindert.

"Die schrecklichen Morde an israelischen Zivilisten durch bewaffnete palästinensische Gruppen als Vorwand zu benutzen, um Israels Verbrechen im Allgemeinen und das Massaker in Gaza im Besonderen zu rechtfertigen, ist inakzeptabel", sagte die Vorsitzende der spanischen Linkspartei Podemos in einer Videoerklärung.

Wir bitten unseren Koalitionspartner, die Sozialistische Partei, mit uns zusammenzuarbeiten, um im Namen der spanischen Regierung eine Petition an die Staatsanwaltschaft des Internationalen Strafgerichtshofs zu richten und so die von Netanjahu in Palästina begangenen Kriegsverbrechen zu untersuchen, wie es kürzlich im Fall des im Ukraine-Krieg ermordeten spanischen Entwicklungshelfers geschehen ist, sowie die von der Hamas in Israel und den besetzten Gebieten begangenen Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung.

Belarra rief zugleich zu sofortigen Anstrengungen zum Schutz der Zivilbevölkerung und zu Verhandlungen auf, um die Gewalt zu beenden.

Als Gericht der letzten Instanz verfolgt der Internationalen Strafgerichtshofs mit Sitz in Den Haag (IStGH), der keine UN-Institution ist, Einzelpersonen wegen mutmaßlicher krimineller Handlungen (Genozide, Kriegsverbrechen, Menschenrechtsverbrechen), wenn seine 123 Mitgliedsstaaten nicht willens oder in der Lage sind, sie selbst strafrechtlich zu verfolgen.

Israel ist nicht Mitglied des IStGH. Aber der oberste Ankläger des in den Niederlanden ansässigen Gerichtshofs, Karim Khan, erklärte letzte Woche gegenüber Reuters, dass Kriegsverbrechen der israelischen Regierung und der Hamas in die Zuständigkeit der Organisation fallen.

Im Fall von Hamas-Tätern gibt es allerdings keinen Handlungsbedarf, sie vor den Internationalen Strafgerichtshof zu bringen. Denn sie werden entweder durch extralegale Tötungen durch Israel "bestraft", wie jetzt wieder zu beobachten, oder in Israel vor Militärgerichte gestellt. Viele Hamas-Mitglieder sind zu teilweise lebenslänglicher Gefängnisstrafe verurteilt worden – neben den vielen Verhaftungen von Palästinensern, die oft ohne Anklage und Gerichtsprozess im Gefängnis sitzen.

Im Falle Israels müssen sich diejenigen, die seit Jahrzehnten kontinuierlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in den besetzten palästinensischen Gebieten anordnen und begehen, nicht vor Gericht verantworten. Das wird von Menschenrechtsorganisation auch innerhalb Israels wie der renommierten Institution B’Tselem immer wieder kritisiert.

Der Aufruf, Netanjahu vor Gericht zu stellen, kommt, nachdem der Strafgerichtshof in Den Haag im März dieses Jahres einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin im Kontext der russischen Invasion in die Ukraine erlassen hat. Russland ist ebenfalls nicht Mitglied des IStGH. Der Haftbefehl hat aber trotzdem Auswirkungen und führte bereits zu Reiseeinschränkungen für Putin bei einem Brics-Treffen in Südafrika oder dem G20-Gipfel in Indien.