Neue Partei: Tritt jetzt auch die türkische AfD in Deutschland an?
Eine "Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (DAVA) wurde gegründet. Sie will zur Europawahl antreten. Wie nahe steht sie Erdogan?
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hat in den letzten Monaten unter anderem von sich reden gemacht, als er die palästinensische Islamistentruppe Hamas als "Befreiungsorganisation" beschrieb. Das ist kaum überraschend, weil die Hamas als palästinensischer Arm der Muslimbruderschaft und die türkische Regierungspartei AKP als deren Sprachrohr eng miteinander verbunden sind.
Doch während die Hamas infolge der Massaker vom 7. Oktober 2023 in Deutschland verboten wurde, werden AKP-Mitglieder vermutlich in wenigen Tagen wie jedes Jahr zur Münchner Sicherheitskonferenz im Luxushotel Bayerischer Hof anreisen – als wesentlicher Teil der Delegation eines Nato-Partnerlandes.
Vielfalt und Aufbruch oder islamisch-nationalistische Monokultur?
Für deutsche Staatsbürger türkischer Herkunft, die in der Türkei AKP wählen würden, soll es unterdessen bald ein besonderes Angebot geben: Kürzlich wurde die Gründung der "Demokratischen Allianz für Vielfalt und Aufbruch" (DAVA), die bereits bei den Europawahlen im Juni antreten will.
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Dafür wirbt unter anderem Mehmet Teyfik Özcan, der für die deutschsprachige Internetplattform des türkischen Staatssenders TRT schreibt. Als seine Schwerpunktthemen nennt er dort Rassismus, Islamfeindlichkeit, Rechtsradikalismus und die deutsch-türkischen Beziehungen. Nach Medienberichten ist er der designierte Parteichef und Ex-SPD-Mitglied.
Bericht über personelle Verflechtung zu Ditib
Der Bild am Sonntag liegt nach eigenen Angaben eine Gründungserklärung der DAVA vor – außerdem nennt das Blatt vier männliche Spitzenkandidaten.
Dazu gehörten der Hamburger Arzt Mustafa Yoldas, der im Bundesinnenministerium wegen "Unterstützung der Hamas" aktenkundig geworden sei, der niedersächsische Arzt Ali Ihsan Ünlü, Funktionär der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion e. V. (Ditib), sowie der Solinger Rechtsanwalt Fatih Zingal, ebenfalls Ex-Mitglied bei der SPD. Die Ditib gilt bereits seit längerem als Einflussorgan der AKP in Deutschland.
Stolze Kandidatin spricht von Menschenrechten
Als "stolze Kandidatin der DAVA-Partei für das EU-Parlament" auf Platz fünf stellt sich im Netzwerk LinkedIn Yonca Kayaoglu vor. Sie ist jung, hat einen Master in Elektronik und trägt Hijab. "Mit Entschlossenheit und Engagement setze ich mich für eine umfassende Antidiskriminierungs- und Anti-Rassismus-Gesetzgebung und eine Außenpolitik, die die Menschenrechte und demokratische Werte weltweit fördert und verteidigt ein", schreibt sie.
Weder deutsche Politiker türkischer Herkunft in etablierten Parteien noch türkische Linke nehmen der neuen Partei das ab. Sie sehen zu viele Indizien für eine ideologische Nähe zur AKP.
Özdemir spricht von Erdogan-Ableger
"Ein Erdogan-Ableger, der hier zu Wahlen antritt, ist das letzte, was wir brauchen", schrieb Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) schrieb auf der Plattform X.
"Diese Partei wird im Wahlkampf auf nationalistische Rhetorik setzen", sagte Özdemirs Parteifreund Max Lucks im Interview mit Welt TV. Man habe es "mit einer türkischsprachigen AfD zu tun".
Auch das konservative Lager in Deutschland ist not amused: Unionsfraktionsvize Jens Spahn warnte auf X, ein Erdogan-AKP-Ableger in Deutschland, "das wäre eine weitere extreme Partei im Land". Der CDU-Innenexperte Christoph de Vries sagte der Bild am Sonntag, die Bundesregierung sollte diese Parteigründung "unter keinen Umständen auf die leichte Schulter nehmen".
AfD sieht Türkei als sicheren Herkunftsstaat
Unterdessen haben sich in den letzten Monaten und Jahren die Asylanträge aus der Türkei gehäuft – und die AfD spricht sich dafür aus, das Land zum "sicheren Herkunftsstaat" zu erklären. Tatsächlich sitzen dort zahlreiche Journalisten sowie Politikerinnen der größten Oppositionspartei HDP in Haft.